I.-VIII. / IX.-XI. / XI.-XIII. / XIII.-XIV. / XIV. / XV. / XV-XVI. Jh "ab nach Hause"


DRAGAL

Die Ständegesellschaft in HMA/SMA



Detailbetrachtung:


{Der „Bürger“ soll irgendwann hier hin}

Geschlechterrollen im HMA/SMA


Ein Schema in 5 Berufskategorien, beginnend mit dem vierten Heerschild abwärts, alles darüber trug an Gürteln exklusive Formen in Silber und Gold, teilweise geschmückt mit Edelsteinen („Juwelen“) und Perlen. Dies ist eine Empfehlung und ein vereinfachtes Modell – nicht Abbild historischer Wirklichkeit. Das Modellhafte liegt dem Reenactment ja inne. Wer vermag schon vergangenes Leben in seiner unerschöpflichen Breite darzustellen oder bleiben uns Adelige, wie die Herren von Lupfen über die reinen Zahlen hinaus nicht eher gleichgültig? Die Edelfreien (Freiherrn) und später Grafen im Südwesten des Reichs verkauften 1299 vier Güter in Deißlingen für 35 Mark Silber und 1304 vermutlich aufgrund arger wirtschaftlicher Probleme sogar ihre Burg, mit allem was dazu gehörte, für 1560 Mark Rottweiler Silber. Nicht genug waren sie gezwungen, wie häufig in Schwaben, sich als Soldritter für die Städte Norditaliens zu verdingen [Rottw, S. 77, 106]. Wie weit ist es überhaupt möglich als Reenacter in fremdes vergangenes Leben einzutauchen, wenn man jederzeit in Rollen hinein und wieder heraus schlüpfen kann? Barbara Tuchmann praktizierte dies schriftstellerisch in ihrem „Der ferne Spiegel“, indem sie auf die mächtige Familie der frz Barone (Freiherrn) de Coucy fokussierte, um in der Darstellung der 2. Hälfte des XIV. Jhs „näher an der Realität zu bleiben“, wie sie es formulierte [Tuchmann 1980, S. 10]. Diese Gesellschaftsschicht wäre bei nachfolgenden Betrachtungen die absolut höchste Rangstufe, als ehemalige „Freie“ des FMAs und selbständig agierenden Landeignern, wenn es jenen Familien gelang ihre Unabhängigkeit, bzw einen hohen Vasallenstatus zu wahren. Gegenüber König oder Landesherren wäre der Roßdienst mit gut ausgerüstetem Gefolge in Kriegszeiten zu leisten.

Ursprünglich war gedacht die tabellarische Auflistung unten auf die städtisch geprägte Sozialordnung des SMAs (der durch ringkmuren begrenzten Schwurgemeinschaft) einzuschränken. Aber das ergäbe ein schiefes Bild bezogen auf die gesamte Gesellschaft, so wird nun auch das ländliche Umfeld mit unverzichtbaren Zuträgern der dringend benötigten Ressourcen erfasst. In mittelalterlichen Städten liegen die Ursprünge moderner Kommunen und in manchen Dingen sind wir dieser Lebenswelt näher, als man glauben möchte, nicht nur in äusseren Formen aufwändig restaurierter Architektur. „Geld regiert die Welt“, das war im XV. Jh nicht anders als heute. Die „Ware Mensch“ hatte bereits vorher verhandelbare Werte. Im SMA begann die Abschätzung des gesamten menschlichen Lebens und seines Umfeldes nach Geldwerten, wir sind dabei dieses Bezugssystem ins Absolute, immer weiter auf die Spitze und schließlich ad absurdum zu führen, da ohne die Maßstäbe Geld, Gewinn, Effizienz und Mehrwert nichts mehr möglich ist.

Nach Henning [1972] stieg der Anteil der Stadteinwohner von 1200 bis 1400 von ca 5 auf über 13% an der Gesamtbevölkerung. Laut Kiessling [1971] war zwei Drittel der Stadteinwohnerschaft Augsburgs 1475 besitzlos, würde hier also der Kategorie „E“ angehören, ein Drittel der Mittelschicht, die mit „B“ bis „D“ in der Auflistung breit differenziert wird. Kategorie „A“ machte bestenfalls 2 % am Gesamt aus. Die Einteilung wäre zu verifizieren anhand von städtischen Steuerlisten oder Kleiderordnungen, die jeweils örtliche Bezüge aufwiesen oder durch die Namensforschung, welche äusserst aufschlussreich ist und mit der zünftischen Arbeitsteilung eine extreme Vielzahl an Berufen zeigt – hier nicht einmal im Ansatz zu erfassen. Wien, Basel oder Heidelberg wiesen um 1300 über 100 eigenständige Berufszweige aus, Frankfurt am Main um 1440 mindestens 140. Bei den nachfolgenden Angaben ist die übliche Nachjustierung vonnöten, weder lokale Besonderheiten konnten berücksichtigt werden, noch zeitliche Entwicklungsschritte. Es bleibe dem Reenacter also genügend Interpretationsspielraum, denn ein reich belohnter Gefolgsmann, der sich aus der Grundherrschaft lösende nachgeborene Auswanderer, der begnadete Handwerker in hoher Gunst des Fürsten oder sein alternder gebrechliche Kollege ist hier schlichtweg nicht einzufügen.

Manche hier gezogene Trennlinie ist rechtlich gesehen „scharf“, wie die von A.1 nach A.2, nämlich von frei zu unfrei, was sich aber in der Auswahl von Gürtelaccessoires nicht unbedingt zeigen musste, denn Ministerialen war nicht selten ein steiler Aufstieg vergönnt. Andere Trennlinien sind eher „unscharf“, wie die in der gehobenen Kaufmannschaft oder Handwerk in B und soll heißen, dass ein Zunftmeister mit Ratstätigkeit (B.1) sich diese auch erlauben können musste. Denn sie erforderte längere Abwesenheiten, in denen er seinen Betrieb, wie sonst üblich (B.2), nicht zu führen vermochte und dafür keine Vergütung bekam, zumindest schlug sich das nicht direkt in barer Münze nieder. Der Ratssitz war ehrenvoll, verhalf ihm zu wertvollen Kontakten und persönlichen Verbindungen („Seilschaften“) und Ansehen, was sich in seinem Habitus spiegeln konnte. Handwerker vermochten durch ihre Wirtschaftskraft gewisse Reichtümer anzuhäufen. Der Rottweiler Schmied Dietrich der Husse war 1324 in der Lage der „Kapelle im Spital“ ein kleines Gut in Wilfingen zuzuwenden, ähnlich der Metzger Berthold der Zelter an die „Kapelle der Siechen im Feld“ mit der Hälfte eines Guts in Zimmern [Rottw, S. 110].

Es sind vorwiegend männliche Endungen verwendet, die Damen möchten sich bitte geistig an des Gatten Seite stellen, denn ohne ihr Zutun hätte sich ein spezifiziertes Berufssystem nicht ausbilden können. Die Geringschätzung in den männlich dominierten Quellen ist mehr als ungerechtfertigt, beredtes Bild der Zeit. Das patriarchalisch ausgerichtete Gesellschaftssystem hob den Mann als Hausvorstand, den pater familias an die Spitze der Familie. Er besaß die munt (vom lat. manus = Hand), das Verfügungsrecht und war zugleich haftbar, vgl. „Mündigkeit“ oder „Vormund“. Die familia war ein ausgeweiteter Rechtsbegriff und zog auch Nicht-Blutsverwandte, also das Gesinde mit ein. Das Wirtschaften der Familienverbände und „männliche Karrieren“ wäre ohne den Beitrag der Frauen, der als selbstverständlich erwartet wurde, undenkbar gewesen. Frauen stemmten die Haushalte, nahmen an allen Arbeiten auf Feld und Hof teil, waren Beraterinnen bei wichtigen Entscheidungen, ohne daß „mann“ ihren Anteil heraus stellte. Eine stille Würdigung erfuhren sie mit Darstellung auf künstlerisch-handwerklichen Erzeugnissen in personam, wie 1464 in Kölns „St Maria im Kapitol“-Kirche jene Sybilla Schlössgin, Gattin des Bürgermeisters Johann Hardenrath, mit dem Gemahl andächtig knieend in Stifterhaltung – übrigens interessanter Gürtel! Nicht nur die Rolle als Ehefrau sollte betrachtet werden, namhafte Persönlichkeiten und viele namenlose Akteurinnen verstanden es selbst das Leben zu meistern und agierten in manchen Erwerbszweigen eigenständig. Die gesellschaftliche Stellung von Frauen war im Laufe der Zeit unterschiedlich und facettenreich, siehe Geschlechterrollen im Mittelalter. Wobei fraglich erscheinen mag, ob dies zu thematisieren ist, wo die Situation doch allzu klar anmutet oder sind solche Betrachtungen anbiedernd, da männliche Sichtweisen zum Thema automatisch in Schieflage geraten und eher von Geschlechtsgenossinnen angestellt werden sollten?

Über Jahrhunderte galt das Individuum nichts, war nie selbst, nur durch das Gemeinsame. Identität liegt in der Zugehörigkeit, nicht im „Ich“, sondern im „Wir“ oder „Uns“ - hat sich grundsätzlich nicht geändert. Übersteigerter Individualismus wird mit der Renaissance in den Biografien „genialer Künstler“ fassbar und ist heutzutage ein Phänomen geschickten Marketings, dem Kunden Einmaligkeit zu suggerieren und ein EGO zu füttern, damit jenes glaubt nur durch ungebremsten Konsum bestehen zu können. Dabei wird unterschwellig Identifikation oder deutliche Abgrenzung/Trennung angesprochen. In vergangenen Zeiten war der Sippenverband Identität stiftend und man besann sich auf eine gemeinsame Herkunft. Dazu traten temporäre Zweckbünde, wie Gefolgschaften, die ebenfalls das Gemeinsame betonten. Verstädterungsprozesse des HMAs fügten eine weitere Komponente hinzu, auf dem Zusammenhalt von Tätigkeit und Vermögen beruhend. Schutz gewährleistete nicht mehr allein die Sippe, bzw Familie, sondern das verfestigte Gesetz und differenzierte ständische Ordnung mit Zunftwesen, Konventen und Bruderschaften. Es gab selbst bruderschaftliche Vereinigungen von Aussätzigen und Kranken mit einem gewählten Siechenmeister oder Siechenmeisterin. In Würzburg waren Bildschnitzer und Maler in der „Lukas“-Bruderschaft organisiert, der auch Tilman Riemenschneider Ende des XV. Jhs angehörte. Das gestiegene Selbstbewusstsein des Handwerkers mag man im Detail vielleicht anhand der Abbildung einer Zimmermannsaxt auf dem Wegkreuz der Pässe in Schleusingen im Thüringer Wald aus der 2. Hälfte des XV. Jhs ablesen. Entweder kam hier ein reisender Zimmermann natürlich zu Tode oder das Werkzeug verweist auf eine Tatwaffe? Standes- und Berufsabzeichen finden sich an solchen Wegmarkierungen nicht selten. Überhaupt wäre es notwendig sich mit äusseren Abzeichen, wie Amtsstäben oder Emblemen näher zu beschäftigen, denn vermutlich weisen z.B. Gürtelbeschläge in die gleiche Richtung mit Erkennungsfunktion. Auch moderne Dienstgradabzeichen hatten ihren Ursprung in solchen Rangsymbolen. Herangezogene und weiterführende Quellen für die nachfolgende Auflistung:[1].


Ordo = Stand (ab viertem Heerschild abwärts, siehe Heerschildordnung)

Materialempfehlung

A


OBERSCHICHT (Grundeigentümer oder -besitzer)

1. "Edles, altes Geschlecht" mit langer Ahnenfolge (Erbmann / alderman / im XVI. Jh patrizier), z.B.:

- Edelfreier des 4. Heerschilds als Grundeigentümer, teilweise mit Besitz in der Stadt

- Stadtadeliger Ratsherr [im SMA oft aufgestiegene Ministeriale], teilweise Besitz ausserhalb der Mauern

SMA XV. Jh: mehr als 3000 fl Besitz, in England 1363: mehr als 500 Pf jährliches Einkommen (esquire) [DressLo, S. 21]

seit dem FMA: Waffenrecht als Freier

Silber oder Buntmetall vergoldet mit Zier, Motiven und eigenem Wappen oder Dienstherrenwappen, gegossenen Zungen oder verzierten Blechen und Zierspenglin sowie Bortenstreckern

2. Hoher Amtsträger – Ministeriale [mit Nutzrechten/Pfründe oder Besitzrechten = beneficium]:

- am Hof Mundschenk, Seneschall, Marschall, Kämmerer, Hofmeister (baiulum, frz bailli) im 5. Heerschild

- als landsässiger „einschildiger“ Ritter [Dienstadel und Lehnsnehmer] des 6., bzw des 7. Heerschilds

- Vorgesetzter eines Dom-/Stiftkapitels (praepositus, frz prevot) als Probst (propostus)


HMA: mehr als 100 Silbermark jährl. Einkommen, in England bailiff (Amtmann) 1224-41 mehr als 20 Pf Sterling (= c40 Mark), in Frankreich 1293 mehr als 200 Livres Einkommen aus Grundbesitz [DelMA, S. 285]

seit dem FMA: Waffenpflicht als Unfreier



Spenglin aus edlem Material sind Erkennungszeichen und Vorrecht des Standes als schmückende Zier mit emblematischer Funktion, Bortenstrecker hinzu technisch notwendig, um Stoffgürtel zu stabilisieren. Motive können auf Familie und Herkunft verweisen als Identifikationszeichen und werden deshalb nicht nur auf Gürteln verwendet, sondern auch bei Pferdegeschirr und Sporenriemen, vorrangigen Standesabzeichen. Es besteht ein gewisser Repräsentationszwang, ausgeweitet auf das Gefolge, fast in Form einer Besitz- oder zumindest Zugehörigkeitskennung.[2]



B


obere MITTELSCHICHT / Funktionsträger

1. Vermögendes Bürgertum im Rat [Auszeichnung durch Geld/Besitz/Amt], z.B.:

- Fernkaufmann für erlesene und kostbare Waren, wie Edelmetalle, Gewürze, spez. Tuche, Seide, Glas, etc

- Großkaufmann / Reeder / Bankier [vom ital banco als Arbeitstisch für den Geldwechsel]

- Stadtschultheiß mit Richterfunktion, Bürger-, Eich-, Münz-, Waage-, oder Zeugmeister

- ratsfähiger Zunftmeister ab XIV. Jh mit Vermögen, da Ratstätigkeit ohne Vergütung [Gewerk siehe B.3]

SMA XV. Jh: mehr als 500 fl (Gulden) Besitz, in England 1363: mehr als 1000 Pf Sterling Besitz [DressLo, S. 21]

Silber mit Zier oder Motiven und gegossenen Zungen, im SMA Zierspenglin möglich, im HMA fraglich [bislang kein Beleg vor Anf. XIV. Jh]

2. Meister von angesehenem Handwerk nicht im Rat [Auszeichnung durch Tätigkeit/Warenqualität], z.B.:

- Baumeister im Kathedral- und Kirchenbauwesen

- Bildhauer / Bildschnitzer / Kunstmaler jew. mit Gesellen-Werkstatt

- Silber- oder Goldschmied / Elfenbeinschnitzer / Glas-, Spiegel- und Brillenmacher

- Kürschner / Schneider (niederdt sneyder) und Färber für edle Stoffe

- Waffenschmied / Plattner / Sarwürker

- Glocken – und Geschützgießer

- Bäcker- / Fleischer- / Müller- / Brau- und Winzermeister

- Apotheker

SMA, Nürnberg 1407: Innerhalb der Stadtmauer mehr als 200 fl Besitz, vor der Mauer mehr als 100 fl

Silber, Bronze, Messing mit Zier oder Motiven, im SMA Zierspenglin in Meister-Familien möglich, im HMA fraglich [bislang kein Beleg vor Anf. XIV. Jh]

3. Gehobener Dienstmann [Faktische Amtsausübung als Stellvertreter = officium, Stadt und Land], z.B.:

- UNI Kanzler u Magister, Arzt, Geistlicher (Jahreseinkommen Professor im SMA: 50 fl, Quellen, s.u.)

- Notar / Referendar im Rechts- und Kanzleiwesen

- Herold [auch als Hofamt] / Bote mit Stab und Wappenrock oder Wappenschild am Gürtel

- Schosser / Steuereintreiber (stürer) / Zöllner

- Hauptmann (Kriegswesen, Stadtwache)

- Burg-, Forst-, Strand- und Deichvogt oder schaffner, kellner als Verwalter

- (Dorf-)Schultheiß (schulthaisse, schulte) niedere Gerichtsbarkeit, manchmal auch synonym verwendet für

- Meier (mayer) [Gutsverwalter auf Ober-/Herren-/Fronhof, Herr = fron, mit Aufsicht über Hufen-Hörige sowie Leibeigene der Eigenwirtschaft auf Salland], bei Gütern im geistlichen Besitz Probst als Vorgesetzter

- Fisch-, Forst- und Jagdmeister (-aufseher) / Falkner

- Brunnenmeister / Spitalpfleger oder -vogt

seit dem FMA: Waffenpflicht als Unfreier

Silber, Bronze, Messing mit Zier, mglw verzinnt, Motive oder Wappen als Verweis auf Dienstherrn, Abbildungen nach im städtischen Umfeld des SMAs Zierspenglin nicht auf alltäglichen Gürteln aber Repräsentationsvarianten?



Abbildungen des SMAs zeigen je nach Region Personen dieser Ränge meist mit recht schlichten Gürteln, meist ohne Spenglin, selbst die Schnallen wirken der Form nach meist nicht allzu aufwändig. In Testamenten werden allerdings nicht nur bei Patriziern (A), sondern auch bei hohen Funktionsträgern und einzelnen wohlhabenden Kaufleuten/Handwerksmeistern (B) seit dem XV. Jh silberbeschlagene Gürtel erwähnt. Der pulcharzt von Wien schien sich Anf. des XV. Jhs wohl auf besondere Art entlohnen zu lassen, wenn im Besitz seiner Frau ein vergoldeter Gürtel erwähnt wird; der Apotheker Jacobus in Breslau vermachte seinem Sohn ein „silberyn Bendchin mit schelen vergolt. Item ein gortl mit einer silberyn Rynke und gurtspangen“. Der Zolleinnehmer Konrad Gutknecht hat in seinem Nachlaß von 1425 neben silberbeschlagenen Gürteln und Utensilien auch einen Gürtel mit pleyenen spenglein und silbernen ringken und sennkel erwähnt, Fi, S. 293-294.



C


MITTELSCHICHT / Funktionsgehilfen

Mittlere Bürgerschicht und Dienstmannen [Land und Stadt], z.B.:

- Vorsteher / Aufseher (rottmeister, feldwaibel) der Bediensteten unter „E“

- Bettelvögte / Bannwarte (Wasser/Abwasser) / Siechenmeister, -meisterinnen

- Herold als Sprecher und Ausrufer ohne Wappenrock (parzivant)

- Stadt- u Hofschreiber / Stadtboten / Gerichtsdiener (büttel, verlieser) im XIV. Jh Amtsstab mit Faust

- Wächter / Türmer / Pförtner (thurner)

- Wirte mit Schankrecht, im Bereich des Dt Ordens auch an verdiente Dorfschulzen vergeben [DO, S. 8]

- Bader [ertragreiches Nebengewerbe möglich, Badersfrau mit silbernem Gürtel !, Fi, S. 292]

- Kaufleute für täglichen Bedarf mit ortsfester Laden(-theke)

- Transportgewerbe mit Schiffs- und Fuhrwerksbesitzern (kärrner, kerner)

- Dienstboten (ehalten als Diener ohne Aufstieg) / Pagen / Knappen [„ehrbare Knechte“ mit Aufstieg]

- Zofen [wie das männliche Pendant aus „gutem Haus“, bei beiden Ausstattung durch Herrn / Herrin]

- Persönliches Gefolge [Ausstattung durch den Herrn]

seit dem FMA: Gefolgschaftsangehörige waffenbefugt

Bronze, Messing, Eisen meist verzinnt und Ortblech, bzw Halbmondort, Wappen als Verweis auf Dienstherrn? Im SMA Dornlochösen schlicht „martialisch“ und Spenglin Eisen/Zinn/Blei vielleicht mgl, beim Gefolge Wende XIV./XV. Jh nachweisbar



Eine Reihe westeurop. Funde (London u NL) zeigen Blei/Zinn-Spenglin. Das „Heraclius-Traktat“ gibt Hinweise darauf, daß man nicht nur Buntmetall, sondern auch Zinn vergoldete [keine Schwefel-Absonderung, wie manchmal wahrnehmbar]. Archäologisch ist zu beobachten, daß Spenglin in Mindermaterial vielfach sehr schmalen Lederriemen (Sporen oder Zaumzeug) anhafteten, mglw also nicht niederen Sphären zuzuordnen sind, sondern Bestandteil gehobener Ausstattung in einfacher Ausführung waren! Aufgrund des hohen Verlustfaktors bei der Zuordung Pferd, wie Funde deutlich belegen, haben wohlhabende Herren nicht nur sich selbst, sondern auch ihre Funktionsgehilfen sichtbar mit solchen Zeichen und Emblemen ausgestattet, als Derivat wären spätere Offiziers- und letztlich Polizeiabzeichen (Ordnungshüter) mit „Sternen“ auf der Schulterklappe zu verstehen, zum Gefolge siehe auch Parteikämpfe des XIV./XV. Jhs



D


untere MITTELSCHICHT

Handwerker/Krämer [Steuerzahler, gewisser Besitzstand durch Werkstatt und Tätigkeit], z.B.:

- Freibauern grenznah oder in östl. Gebieten mit selbständiger Bewirtschaftung [im SMA mehr Bauern als Pächter, damit rechtlich frei und keine Hörige - Aufstieg möglich]

- Textilhandwerker: Weber / Färber / Wäscher / Bleicher / Spinner / Seiler / Filzer / Huter, etc

- Nahrungsmittelproduzenten: Bäcker / Fleischer / Müller / Fischer, etc

- Holzhandwerker: Schreiner / Zimmerer / Kistner / Wagner / Böttcher / Küfer / Büttner / Bogner, etc

- Bau- und Keramikhandwerker / Maurer / Ziegler / Schiefer- und Steinmetze / Hafner, etc

- Schwarz-, Eisen- und Hufschmiede / Esser / Schlosser, etc

- Rot-, Gelb-, Zinn-, Blei- und Kannengießer (kandelgiesser)

- Fein-, Klein-, Blechschmiede / Gürtler / Nestler / Nagler / Knopf- u Spangenmacher, etc

- Beinschnitzer / Paternosterer / Würfler / Horndrechsler

- Lederer / Schuster / Sattler / Riemer / Täschner / Beutler

- Pergament- und Papiermacher / Gerber

- Barbiere (scherer) / Feldscherer / Hebammen

- Scharfrichter [nicht angesehen, aber häufig nicht unvermögend]

- Federfechter [nicht angesehen, aber unterhaltend]

- Krämer (von kram = urspl Plane über dem Karren im Fernhandel, später die Ware)

- Hucker [von der Traglast im Nahhandel]

SMA, Nürnberg 1407: Vor der Mauer mehr als 100 fl Besitz, im Umland weniger

Bronze (HMA), Messing (SMA), Zinn, Bein, Eisen, mglw verzinnt



Zinn, erst seit der zweiten Hälfte des XIII. Jhs auf Reichsgebiet häufiger nachweisbar, wurde fast nie rein verarbeitet, sondern meistens legiert, anfangs mit Blei, später auch mit Kupfer, Antimon oder Bismut. Bereits vorher hat man allerdings Objekte aus stabilerem Material mit einer Zinnschicht überzogen, deshalb wird auf den Seiten die Angabe ws=Weißmetall gemacht. In England war ab 1321 für rd 100 Jahre die Fertigung von Gürteln mit Grundmaterial Zinn verboten und wurde streng geahndet [DressLo S. 18f].



E


DIE BREITE MASSE

Schutz/Abhängigkeit durch Herrn, pater familias, Meister [ohne Bürgerrecht, besitzlos, steuerbefreit], z.B.:

- Bauern mit Schollenbindung auf Hufenland, dem Fronhof hörig, zunehmend Zins statt Natural [im SMA viele Bauernstellen auf Pacht, teilweise Erbpacht, also erblicher Besitz - Aufstieg möglich], in Niederdtld keine Erbteilung der Hufe, in Oberdtld Wirt einer halben Hufe huber, viertel Hufe lehner

- Leinenweber [Textilgewerbe ländlich stark vertreten, oft im Nebenerwerb]

- Grobschmiede (scheider) / Bergleute / Gesellen

- Schiffer / Flößer / Fuhrknechte (kärcher) / Auf- und Ablader (schröter)

- Waffen-, Kriegs- oder Reitknechte (schergen / schalke)

- Leibeigene Bauern am Fron-/Oberhof [im SMA schwindende Schicht, da vermehrt Hörige auf Hufenland]

- Dörfliche Teich- und Weidewirtschaft mit Fischern / Schäfern / Hirten / Voglern, etc

- Waldwirtschaft mit Köhlern / Pechsiedern / Pottaschebrennern, etc

- Gesellen (meist als „Knechte“ bezeichnet) / Stall- und Küchenburschen / Mägde (ancillae)

- Leibeigene / Tagelöhner / Abdecker

- Bettler [im SMA teilweise gewerbsmässig nachweisbar]

seit dem FMA: Unfreie / Hörige / Gesinde

Eisen Schwarzmetall, mglw verzinnt

Zinn/Blei-Legierung

Bein

Bindesysteme



Spenglin im HMA und auch im SMA bei „D“ und „E“ sicher nicht. Bei Bediensteten in gehobenen Haushalten vielleicht, da die Herren für ihre Ausstattung sorgten. Deshalb Dienstboten/Pagen/Zofen vom Gesinde getrennt und oben unter „C“ kategorisiert. Von jenen wird Verschwiegenheit erwartet, die mglw auch „erkauft“ werden muß, da sie sich im vertraulichen Umgang mit höchsten Rängen befanden und ausserhalb des Hauses nicht leichtfertig plaudern durften. Nicht viel anders sind Schergen/Schalke als Gefolge zu beurteilen, je näher sie der Herrschaft standen. Es hängt alles vom Brotgeber ab, wie heißt es doch so schön: „Der Herr gibt’s und ...“




SONDER:

- Sänger und Dichter („ze hove unde an der strazen“)

- Vaganten / Akrobaten / Spielleute / Unterhalter (lotter)

- Dirnen (federwische)

Entlohnung über Kleidung mgl




Geschlechterrollen im HMA/SMA

Zu den jeweiligen Jahrhunderten wurde der männliche Part bei der Erläuterung historischer Vorgänge hinlänglich breit erörtert, die Frau vornehmlich bei Modefragen und Accessoires erwähnt, nun sei herausragenden weiblichen Persönlichkeiten das berühmte „letzte Wort“ angedacht. Das patriarchalisch ausgerichtete Gesellschaftssystem hob den Mann als Hausvorstand, den pater familias an die Spitze der Familie, samt Gesinde, siehe oben munt. Eine geschlechtliche Gleichsetzung musste hintenan rangieren, solange Emanzipation keine Frage des Geschlechts, sondern des Standes überhaupt war, ein Großteil der Bevölkerung in versklavten und „verdinglichten“ Verhältnissen lebte. Vielleicht ist Gleichberechtigung - neben der Idee von Gewaltlosigkeit und Nächstenliebe - das größtes Verdienst des Christentums, zumindest in der Theorie. Für die praktische Umsetzung ist das Mittelalter ein Negativ-Beispiel. Die moderne geschlechtliche Emanzipation arbeitet an der Auflösung verkrusteter patriarchalischer Strukturen, meint vielfach das Eindringen der Frau in männliche Domänen, das bedeutet nicht selten den „Sprung ins Haifischbecken“. Deshalb neigen Frauen in solchen Fällen zu „männliche Sichtweisen“, um bestehen zu können - müssten nicht ganz andere Maßstäbe angelegt werden? Sind wir nicht alle zu sehr determinierten Denkmustern verhaftet? Nach dem Grundgesetz (Art. 3) sind Männer und Frauen gleichberechtigt und die tatsächliche Durchsetzung fördert der Staat. So wurden gleichsam in westlich orientierten Gesellschaften in den letzten Jahrzehnten Türen geöffnet, in vielen anderen Teilen der Welt ist allerdings nicht mal mehr die Tür erkennbar!

Blick zurück, was ist den Quellen zu entnehmen, wie zwischen den Zeilen zu lesen? Was vermochte das „schöne (und eigentlich starke) Geschlecht“, siehe Geschlechterollen in Spätantike und FMA [der Mann mag neben körperlicher Stärke vielleicht eher Wagemut und Risikofreude besitzen - ohne sein Hang Grenzen zu übertreten wäre die Menschheit irgendwo in Afrika hängen geblieben, weil er aufgrund mangelnder leiblicher Erfahrung beim körperlichen Geburtsakt weder das eigene, noch fremdes Leben so schätzt wie eine Frau. Wobei kurz anzufügen ist, daß eine Ausbreitung der Menschheit in die nördlichen Gefilde ohne eine sehr nützliche Erfindung unmöglich gewesen wäre: „die Nadel“, wie Yuval Noah Harari, Dozent an der Universität Jerusalems, treffend bemerkte. Die Beherrschung jenes Werkzeug wurde von der Damenwelt zur Perfektion gebracht. Zur Lösung aktueller Probleme der Menschheit müssen wir kommunizieren, über alle Grenzen hinweg in allen Sprachen, wobei auch hier den Damen eine nicht unerhebliche Rolle zugedacht werden kann]. Abbildungen zeigen im SMA Frauen aller Schichten, vorher ist das „Bildpersonal“ bei vielen Kunstwerken eher begrenzt auf hohe Chargen, dazu zählen auch die oft thematisierten „klugen und törichten Jungfrauen“, Äbtissinnen und eine gewisse Anzahl weiblicher Heilige, die große Verehrung genossen. Für das HMA sind Darstellungen von Frauen auf dem Feld, siehe „Jungfrauenspiegel“ oder die Magd auf dem Lettner in Naumburg, schon sensationell. Dabei war ein landwirtschaftlicher Hof ohne Mitarbeit der gesamten Familie nicht zu führen, wie es die Archäologie belegt, Schrift und Bild schweigt meist....Da Frauen an allen körperlichen Arbeiten beteiligt waren, wurde ihnen durch das Austragen und die Erziehung der Kinder eine erhebliche Mehrbelastung zugedacht. Ihre Aufmerksamkeit galt zudem dem Herdfeuer, der Zubereitung von Speisen, samt Vorratswirtschaft. Hinter der traditionellen „Hausarbeit“ konnte sich manch künstlerisches Handwerk verbergen, vornehmlich bei der Textilarbeit, in der Abgeschiedenheit des klösterlichen Hintergrunds auch in der Kunst auf Pergament und Papier. Hochgestellte Persönlichkeiten waren Auftraggeberinnen, Stifterinnen und Sammlerinnen von Kunstfertigkeiten, das Schmückende und Zierende war von je her weibliches Terrain, bekannt daß berühmte illuminierte Handschriften zuweilen ihnen gewidmet wurden. Nicht erst seit Hildegard von Bingen oder Elisabeth von Thüringen waren Frauen in Pflege und Gesundheitswesen tätig, über Jahrhunderte ebenfalls ihre Domäne, durch das Aufkommen männlicher Arztberufe mit Universitätsausbildung zunehmend streitig gemacht. So wurden in der Pariser Volkszählung von 1292 noch acht Frauen explizit im Heilwesen aufgeführt [KuM, S. 58]. Der frz König Ludwig IX. stellte 1250 in Akkon einer als phisica bezeichneten Hersenda eine Dankesurkunde aus, welche ihr eine lebenslange Rente gewährte.

Frauen traten ins Rampenlicht, wenn sie eindeutig in Männerdomänen vorstießen, was gar nicht so selten vorkam. Schriftliche Quellen werfen Schlaglichter auf streitbare hohe Persönlichkeiten, die für den verstorbenen, bzw abwesenden Gatten oder unmündigen Sohn das Regiment führten, wie Theophanu (byzant. Abstammung), die Gattin Ottos II. (973-983), welche an Stelle des erst dreijährigen Sohnes Otto III. die Regierungsgeschäfte übernahm oder Kunigunde, Gemahlin und enge Vertraute Heinrichs II., welche sechs Wochen (!) die Geschicke des Reiches führte und die Wahl Konrads (II.) zum König durchzusetzen vermochte. Für den erst 13jährigen Balduin III., 1143 zum König von Jerusalem gewählt, regierte zunächst seine Mutter Melisande, der wenige Jahre zuvor ihr verstorbener Gatte Fulko V. von Anjou als König von Jerusalem den berühmten Psalter gewidmet hatte. Da Melisande ihre Machtposition nur wiederstrebend räumte, ließ ihr Sohn sie mit Gewalt aus dem Amt entfernen und verbannen, zumal da sie ursächlich dafür verantwortlich war, daß der II. Kreuzzug so unerwartet gegen Damaskus und nicht gegen Edessa geführt wurde. Herzogin Sophia (1122-1275), Tochter der Hl. Elisabeth und Gattin des Herzogs Heinrich II. von Brabant, war statt ihres unmündigen Sohnes Heinrich 1248 bis 1264 die herrschende Landgräfin von Thüringen und Herrin von Hessen. Das Siegel stellt sie selbstbewusst in Männerpose zu Pferde dar. Sie wusste ihre Ansprüche gegen den Wettiner Markgraf von Meissen und den mit ihm verbündeten Erzbischof von Mainz in hartem Erbfolgekrieg rd 15 Jahre lang zu verteidigen. Frauen nahmen Rechtshandlungen vor. Da Graf Odo von Corbeil an der Seine 1112 schwer erkrankt war, konnte seine Gattin der Urkundenübergabe an seiner Stelle rechtskräftig beiwohnen. Ehefrauen jeglichen Standes oblag die Führung des Haushalts, bzw des Hofstaats, wenn der Gatte politischen oder militärischen Pflichten nachkam, das erforderte Durchsetzungswille und Repräsentationsvermögen. Von den 300 Territorien, aus dem das Reich bis 1806 bestand, gab es geistliche Herrschaftsgebiete, die dauerhaft von weiblichen Regenten geleitet wurden, darunter Essen, Quedlinburg, Herford, Gandersheim, Thorn bei Maastricht, bedingt Buchau und einige Zisterzienserinnenklöster in Schwaben. Ausserordentlich streitbar war Margarete v Tirol, welche 1330 nach üblicher Praxis als Zwölfjährige mit dem fünf Jahre älteren Johann Heinrich v Luxemburg verheiratet wurde; niemand geringeres als der Bruder von Karl IV., dem späteren dt König (reg 1347-78). Die Ehe verlief nicht glücklich und im Nov 1341 versperrte sie ihrem Gatten, welcher von der herbstlichen Jagd zurück kam das Tor zur Burg. Sie sorgte auch dafür, daß jener in keinen benachbarten Burgen Unterschlupf fand, so daß er Tirol verließ. Ein Skandal in höchsten Fürstenkreisen und ein Politikum! Denn im Febr 1342 heiratete Margarete ohne kirchl Dispenz den Wittelsbacher Ludwig v Brandenburg, ältester Sohn des amtierenden dt Königs Ludwigs IV. („d Bayer“, reg 1314-47). Selbstverständlich wurde dieser unerhörte Vorgang in der Öffentlichkeit mit „Kübeln von verbalem Unrat“ beantwortet. Man bezichtigte sie der Unfähigkeit Kinder zu gebären, was sie aber mit dem neuen Gatten 1343 erfolgreich widerlegte. Obwohl zeitgenössische Quellen sie einst als pulchra - schön charakterisierten, wurde ihr dieses Attribut von der Geschichtsschreibung abgesprochen und ihr Äußeres verunglimpft, was ihr den Spottnamen „Maultasch“ einbrachte. Selbstverständlich geriet sie damals in den Kirchenbann und Karl IV. versuchte 1347 in einem Rachefeldzug Burg Tirol, nun also wittelsbacherisch, für die Luxemburger zurück zu gewinnen. Margarete soll in Harnisch, die 1999 gefundene Brigandine wurde ihr lange Zeit zugeschrieben (was aber stilistisch eigentlich nicht paßt), die Verteidigung der Burg geleitet haben. Karls Versuch führte nicht zum Erfolg und ließ seine Rache deshalb an Meran und Bozen aus.

Wie sehr Gattinnen oder auch Konkubinen auf Herrscher und das Führungspersonal einzuwirken vermochten, erfahren wir meist nicht. Doch dieser Faktor ist keineswegs zu unterschätzen und hat erhebliches Gewicht. Allein der Umstand, daß die Ausbildung junger Fürstensöhne bis zum gewissen Alter der weiblichen Obhut unterstand, ließ eine große Einflußnahme möglich werden. So mancher illuminierte „Fürstenspiegel“ ging als tugendhaftes Lehrstück wohl auf die weibliche Erziehung zurück, konnte sich aber je nach Verfasser/Auftraggeber im negativen Fall auch gegen das weibliche Element wenden, siehe unten „Alexanderepos“. Der „Facettenpalast“ im Moskauer Kreml vom Ende des XV. Jhs weist mit dem Tainik ein geheimes Gemach auf, von dem weibliche Angehörige der Zarenfamilie Empfänge, Gastmahle und repräsentative Ereignisse im Festsaal nach orientalischem Muster verdeckt beobachten und mitlauschen konnten. Demnach schien ihr Eindruck wohl gefragt, sonst hätte man sie ja vollends ausschließen können. Herrscher verheirateten ihre Schwestern, Cousinen, Nichten und Töchter aus politischen Gründen, um Bündnissen Bestand zu verleihen, Ansprüche zu legitimieren oder Unterwerfung zu signalisieren. „Unpassender Verwandtschaft“, das Geschlecht spielt dabei keine Rolle, entledigte man sich durch Offerierung an ein Kloster, oft mit angemessener Güterschenkung, oder im Fall männlicher Nachkommen nicht selten an Militärorden. So war deren Versorgung sicher gestellt. Um Einfluß auf die Geschicke von Frauenkonventen (conventus=Zusammenkunft) zu nehmen ernannte man deren Vorsteherinnen und manipulierte die Wahlverfahren, die eigentlich „frei“ innerhalb der Klostergemeinschaft sein sollten. Als weltliche Erbin konnte eine Frau enormes finanzielles oder politisches Gewicht gewinnen, „hingen an ihr“ im Extremfall ganze Königreiche.

Bei den sogenannten Kunkel- oder Weiberlehen gab es in der Regel die „Vermannungspflicht“, um schnellstmöglich einen waffenfähigen Dienstmann zu stellen. Die fränk. Adelige Emhilt von Milz in Südthüringen, Gründerin und Äbtissin des dortigen Benediktinerinnenklosters vermochte um 800 der Abtei Fulda 30 Ortschaften zu schenken, sie wird wohl selbst Erbin der Ländereien gewesen sein, die sie als „Rente“ (leibgeding) erhielt. So erfuhr bsplw die Osterburg bei Henfstädt an der Werra ihre Ersterwähnung 1268, weil sie, mit allem Zubehör, der Gräfin Sophia von Henneberg zugesprochen wurde. Adelige Frauen erhielten zu ihrer Versorgung mit der Heirat als „Morgengabe“ (wittum) teilweise erhebliche Ländereien und Güter. Kunigunde (c975-), die Gattin Heinrichs II. (reg 1002-1024) musste auf ihr wittum verzichten, weil daraus nach Willen Heinrichs und Einverständnis des Papstes das Bistum Bamberg hervor ging, als Ersatz erhielt sie Ländereien bei Kaufungen, wo sie 1017 ein Kloster gründete. Eigentlich fürs Kloster bestimmt gewesen wäre nach dem Tod ihres Gatten 1389 Christine de Pisan, welche mit drei Kindern alleinerziehend da stand. Als Venezianerin war sie einst durch die väterliche Anstellung des Hofastrologen nach Frankreich gekommen. Dort fand sie mit der Gemahlin Isabella (bay. Abstammung) des Königs Karl VI. eine einflußreiche Mäzenin, welche das schriftstellerische Talent Christines förderte. Jene sprach sich dezidiert für ein höheres Ansehen und mehr Rechte für Frauen in einer männlich dominierten Gesellschaft aus, um 1405 entstand, neben einer Reihe anderer Werke, ihr „Le Livre de la Cite des DamesDas Buch von der Stadt der Frauen.“

Äbtissinnen wurden als ebbedischen im zweiten Heerschild aufgeführt, als Vorsteherinnen der Frauenklöster und -konvente, ein Zeichen des Respekts gegenüber Damen, welche im politischen Geschäft nicht unwesentlich mitwirkten. Bereits seit karolingischen Zeiten nahm die Gründung von Frauenklöstern stark zu, Rheinland, Westfalen und Sachsen als Zentren. Es wird behauptet, daß die Kirche Frauen große Entfaltungsmöglichkeiten bot [KruS, S. 17]. Doch sind hier enge Grenzen zu ziehen und nur höher gestellte Persönlichkeiten profitierten davon, ansonsten war die Welt hinter den Klostermauern ein Spiegel äusserer Verhältnisse. Im Rahmen der finanziellen Möglichkeiten sorgten geistliche Würdenträgerinnen für das kulturelle Gedeihen. So war Nonnen begrenzt der Zugang zu Bildung möglich, herausragendes Beispiel aus dem HMA Hrotsvith im Kloster Gandersheim, welche gelehrte lateinische Verse in dramatisierender Dialogform im Stil des Terenz mit christlich-moralischer Ausrichtung schrieb. Die sieben freie Künste und Architektur galten hier nicht als reine Männerdomäne, obwohl nicht selten Bibliothek und Teile der Verwaltung sowie die Messfeiern von Klerikern übernommen wurden. Viele weibliche Konvents-Angehörige entstammten höchsten sozialen Rängen, so daß Verwandtschaft Frauenklöster und Politik eng verband. Nur Äbtissinnen waren, auch bei strengster Klausur, Außenkontakte möglich. Sie führten eigene Haushaltungen, nicht zwingend an das Konvent gebunden, vertraten das Kloster mit ihrer Kanzlei, prägten Münzen und Siegel mit ihren Namen. Sie besassen eine Art „Hofstaat“ mit Ämtern, wie der Pröpstin (Priorin/Dekanin), die Stellvertreterin oder auch Konventsleiterin anstelle einer Äbtissin, sie organisierte die Güterverwaltung, war oft Nachfolgerin der Äbtissin und damit nicht selten ihr Gegenpart, eine Cellerarin übernahm die wirtschaftliche Verwaltung, die Scholastika das Lehramt, die Thesauria oder Küsterin das Schatzamt [KruS, S. 164]. Das Kapitel der Glaubensstreiterinnen hat im Mittelalter erhebliches Gewicht und würde den Rahmen der kurzen Auflistung hier vollkommen sprengen. Stiftungen in oben genannter Art mehrten die Machtfülle, wobei die Verbindung zur reichen Bürgerschicht nicht weniger intensiv war als zum Adel. Mancher Potentat bestimmte ein Frauenkloster zur Grablege, durch Stiftungen nahm er Einfluß auf das Konvent. Mit dem Aufkommen der Bettelorden waren Klöster und Kleinklöster (Klausen) keine reinen Rückzugsorte mehr, sondern die Schwestern wirkten mitten in der Gesellschaft, nicht nur als Geburtshelferinnen, bei der Krankenpflege und Armenfürsorge. Rottweiler Dominikanerinnen sorgten für einen Elementarunterricht von jungen Mädchen, sicher nicht ohne Eigennutz für den Orden. Genauso wie die männlichen Pendants waren auch ihre Niederlassungen Wirtschaftsunternehmungen mit hunderten von Abhängigen und bedurften einer vorausschauenden Existenzsicherung. Die Zisterzienserinnenabtei Rottenmünster bei Rottweil besaß 1327 mehr als 220 Höfe und erhielt ständig neue Zuwendungen. Die Äbtissin des Fraumünsterkloster zu Zürich, eine altehrwürdige Gründung durch Ludwig den Deutschen (reg 840-76), galt bis zum SMA nominell als Herrin der Stadt, faktisch war es der Rat, der auch die Finanzen des kleinen hochadeligen Frauenkonvents kontrollierte. In den unruhigen Zeiten der Reformation, als Zwinglikaner die Aufhebung solcher Konvente im Raum erzwangen ging auch die letzte Äbtissin Katharina von Zimmern freiwillig diesen Weg, um Unruhen in Zürich zu vermeiden. In der Stadt weiss man dies bis heute zu würdigen.

Vermutlich waren vor allem Frauen Mittler des frühen Christentums. Ihnen wird die im Ursprung gewaltlose Religion zugesagt haben. Getaufte Menschen waren untereinander gleich und die gesellschaftliche Stellung der Frau wurde dadurch aufgewertet. Quellen berichten, daß in den Familien Frauen überzeugte Anhänger waren und auf ihre Angehörigen einwirkten, so bei Augustinus, dem späteren Bischof von Hippo oder bei Martin, später Bischof von Tours. In beiden Fällen waren die Mütter treibende Kräfte. Im Ur-Christentum sollten soziale Schranken aufgehoben werden, Paradebeispiel aus dem Mittelalter war Elisabeth, Landgräfin von Thüringen, welche sich in den wenigen Jahren von 1228 bis zu ihrem Tod 1231 als Fürstin der Armen- und Krankenfürsorge widmete. Ihr Schwager, Konrad von Thüringen und der Deutsche Orden instrumentalisierten den einsetzenden Kult um Elisabeth für ihre politischen und territorialen Ambitionen. Bzgl des Glaubens galten Frauen als streitbar, keineswegs immer mit klösterlichem Hintergrund. Im Zuge der Laienbewegung folgten sie Wanderpredigern und wussten die, nicht überall gern gesehenen, Nörgler und Lästerer mit einer „Munition aus Steinen und Asche“ zu verteidigen. Laienprediger zogen sich nicht selten den Zorn von Geistlichkeit und Adel zu, wenn sie gegen die Luxussucht wetterten, so daß sich auch Bürger veranlasst fühlten „Scheiterhaufen der Eitelkeiten“ mit Tand und Pomp auflodern zu lassen [Huizinga, HdM, S. 6ff].

Im städtischen Umfeld war einigen Frauen der gesellschaftliche Aufstieg möglich, so daß selbst Kramladeninhaberinnen in Nürnberg in den Quellen Erwähnung fanden oder die Geschäftsfrau Reynette aus Koblenz, welche als Jüdin erfolgreich wirtschaftete und ein eigenes Siegel führte. In Chalons-en-Champagne klagte die reiche Witwe Hersendis mit ihren Söhnen 1165 und 1167 bei Papst Alexander III. gegen Schuldner ihres verstorbenen Gemahls. Als Ehegattin wurden Frauen in Stifterhaltung auf Kunstwerken abgebildet, manchmal mit dem Familienwappen. Sybilla Schlössgin, Gemahlin des Bürgermeisters Johann Hardenrath, beide zusammen 1464 Stifter in Kölns „St Maria im Kapitol“-Kirche wurde bereits oben erwähnt. Im fränk. Windsheim stiftete 1509 eine Bürgerin für den „Zwölfbotenaltar“ 75 Gulden an den Bildschnitzer Tilman Riemenschneider sowie 80 Gulden drei Jahre später für die Farbfassung.

Bei Kriegshandlungen gehör(t)en Frauen zu den großen Verlierern, waren es nicht Familienangehörige, so mussten sie den Verlust der körperlichen Unversehrtheit oder der wirtschaftlichen Grundlage hinnehmen, bis zum Verlust des eigenen Lebens. Im umgekehrten Fall durch den Mann mit fremder Beute beglückt zu werden, war ein Geschenk mit Beigeschmack. Denn jeder „männliche Sieg“ sät Haß mit dem Schrei nach Vergeltung, entsprechende Folgen waren also nicht ausgeschlossen. Moderne Kriege, welche die gesamte Bevölkerung treffen, haben gezeigt, daß Frauen ihre Rollen neu definieren müssen, wenn Männer ersetzende Tätigkeiten in der Gesellschaft den Verlust von „luxuriöser“ Weiblichkeit erzwangen, mglw gab es ähnliche Prozesse bereits weit in der Vergangenheit? Historisch kaum thematisiert wurden in der Regel die vom Krieg heimkehrenden verrohten, innerlich zernarbten Männergestalten, im zivilen Leben unbrauchbar. Ein Umgang mit Waffen ist Frauen nicht grundsätzlich abzusprechen und kein Phänomen der Moderne. Auf Feldzügen und in den Lagern waren Frauen dabei, nicht nur klischeehaft in den Hurenzelten, sondern meist als Teil des Gesindes und übernahmen nicht selten die schwierige Nahrungsmittelversorgung sowie weitere ihnen üblicherweise auferlegte Aufgaben. Bei Kriegshandlungen sind sie in der Verteidigung fester Punkte abgebildet [Steinwerferin Maness. Ms 229v], aber sogar auch in herausragender Funktion erwähnt. Bei Belagerungen trugen sie auf beiden Seiten zum Gang der Ereignisse bei, fanden aber nur am Rande Erwähnung. Wie zu erwarten pflegten sie Kranke und Verwundete, schleppten aber auch Steine, Munition und Wasser, übernahmen Wachen, wurden in der Sionage eingesetzt, halfen bei Schanzarbeiten, füllten Schanzkörbe, stellten Ledergeflechte her und waren damit sogar am Bau von Belagerungsmaschinen beteiligt. Während der Belagerung von Arsuf nahe Jaffa in Palästina starben im Nov 1099 mehrere Frauen bei Löscharbeiten, um einen dieser Türme zu retten. Beim Sturm auf das Lager von Saldins Bruder al-Adil im Sommer 1190 wurden vier Frauen unter den Angreifern genannt.

Bei nomadischen Völkern hatten sie mit den Familien, aufgrund einer beweglichen Kriegsführung automatisch höheren Anteil an Auseinandersetzungen, Nahrung für den „Amazonen-Mythos“, hinter dem sich mehr als das Körnchen Wahrheit verbirgt, siehe dazu Geschlechterrollen in Spätantike und FMA. Beschwerliche Wanderungen, bzw Fahrten, auch Seereisen waren nicht vergnüglich, nahmen Frauen mit den bereits erwähnten unbewaffneten und bewaffneten Pilgerfahrten auf sich, man denke nur an Helena, die Mutter Kaiser Konstantins, Initiatorin der Fahrten. Dem Kapitel der Kreuzzugsteilnehmerinnen hat sich Sabine Geldsetzer angenommen: „Frauen auf Kreuzzügen 1096-1291“. Es gab nämlich kein ausdrückliches Verbot, daß Frauen davon auszunehmen seien – es hätte auch nichts genutzt. Adelige Frauen begleiteten ihren Gatten vor allem dann, wenn noch nicht ausreichend für männlichen Nachwuchs gesorgt war! So brachte Elvira von Leon-Kastilien, die Ehefrau Graf Raimunds IV. von Toulouse 1103 in der Grafschaft Tripolis im Hl Land ihren Sohn Alphons Jourdan zur Welt und kehrte nach dem Tod ihres Gatten im Febr. 1105 nach Frkrch zurück. Zu den Damen Ida Markgräfin von Österreich oder Eleonore von Aquitanien, Gattin des frz Kgs Ludwig VII. siehe Aspekte der Kreuzzüge. Zu Eleonore sie noch angemerkt, daß sie 1147/48 einen regen Briefwechsel mit Kaiserin Irene von Byzanz unterhielt, so wie es die schreibenden Herrscherinnen im Berliner Alexanderepos, siehe nachfolgenden Absatz, pflegten.

In den Fokus schriftlicher Quellen gerieten Frauen nicht selten, wenn sie in „eigener Domäne“ ihre Liebreize spielen liessen. Im positiven Sinne gespiegelt in der Epik und im Minnesang, im negativen bei der „ätzenden“ Kritik der Geistlichkeit. „Fürstenspiegel“, wie die inhaltlich ausgeschmückten Alexanderepen des XII./XIII. Jhs, welche Herrschersöhnen Tugendhaftigkeit und weitere ethisch-moralische Verhaltensregeln vermitteln sollten, betonen u.a. Gefahren, welche von Frauen ausgehen können. Im Berliner reichhaltig illuminierten Exemplar [DAlex] spielen nicht nur Mütter und Herrscherinnen (Olympias, Darius Mutter, Königin Candacis oder die Amazonenkönigin, alle in schriftl. Korrespondenz mit Alexander abgebildet) eine wichtige Rolle, sondern, neben phantasievollen Fabeltieren, auch dämonifizierte Frauengestalten, wie gehörnte und langbehaarte, beschweifte oder mit Pferdefüßen ausgestattete „Waldweibchen“, bewaffnete Insel- und Flußfrauen und außerordentlich gefährliche Wassernixen, verführerische „Nymphomaninnen“, welche das Heer Alexanders mühelos schachmatt setzen. Wasser ist ihr Element und weibliche Sexualität wird seit „Evas Zeiten“ mit der Ursünde als lasterhaft gebrandmarkt. Auch bei Sebastian Brant kommt das „schöne Geschlecht“ nicht gut weg, wenn er im Kapitel „Überhebung und Hoffart“ die Verlockungen zur Sünde anprangert. Diese Ambivalenz der Beurteilungen traf vor allem Randgruppen, wie Dirnen, heimlich bewundert, öffentlich geschmäht, Quellen:[3]




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I.-VIII. / IX.-XI. / XI.-XIII. / XIII.-XIV. / XIV. / XV. / XV.-XVI. Jh

XV_1423 Gentile da Fabriano, Florenz


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1/ Literatur/Quellen zum Gesellschaftssystem und ein paar Grobdaten zum Vergleich: 50 fl (Gulden SMA) = c6000 Pfennige (c40 Mark Silber HMA) = 2 Streitrösser / 1290c ein ritterliches Reitpferd = 20 Mark Silber, 1434 ein Kriegspferd 24 fl / Ein Ministeriale („Ritter“) soll im HMA durchschnittlich ein Einkommen von c100 Mark Silber erwirtschaftet haben / In England wurden 1224 und 1241 mit Zwangsedikt durch Heinrich III. alle Begüterten über 20 Pfund Sterling Jahreseinkommen, das wären nur 40 (!) Kölnische Mark, zu Rittern erklärt / Von England erpresste der dt König Heinrich VI. 100.000 Mark Silber als Lösegeld für Richard Löwenherz, das Doppelte der Jahreseinkünfte der engl. Krone (!) / Nach dem Reichssteuerverzeichnis von 1241 zahlte Rottweil jährlich 100 Mark Silber Königsteuer, 1336 500 Pfund Heller / Man wird regionale Schwankungen, Wertverlust, Kaufkraft und Inflation über die Zeiten beachten müssen, um das z.B. das erwähnte Einkommen des UNI-Professors einzuschätzen. Angaben auf dieser Seite u.a. nach Brant, S.: Das Narrenschiff (urspl Basel 1494) [SBNa], Wiesbaden 2004 / Delbrück, H.: Geschichte der Kriegskunst. Das Mittelalter [DelMA] (Erstauflage 1901), Nachdruck der Neuausgabe Hamburg 2008 / Egan, G. u Pritchard, F. (Hrsg.): Dress Accessories 1150-1450. Medieval Finds from Excavations in London [DressLo], London 1998 / Fingerlin, I.: Gürtel des hohen und späten Mittelalters [Fi], München Berlin 1971 / Fuhrmann, R.: Der Deutschorden (Der Dt. Orden). Von Akkon bis zum Baltikum. Die Armee 1198 bis 1420, Berlin 2008 [DO] / Hecht, W.: Rottweil 771-ca. 1340. Von „rotuvilla“ zur Reichstadt [Rottw], Rottweil 2007 / Henning, F.W.: Das vorindustrielle Dtld 800-1800, 1972 / Kiessling, R.: Bürgerliche Gesellschaft u Kirche in Augsburg im SMA, 1971 / B. Tuchmann: Der ferne Spiegel. Das dramatische 14. Jh (engl. 1978), dt 1980.



2/ Die Bunt- und Edelmetalle konnten aus Blech gestanzt und über ein Model gepresst oder gegossen sein, letztere Technik wurde hptsl. bei Zinnvarianten angewendet, aber auch bei stabilen Streckern aus Bronze und Silber. Beileibe nicht alle Beschläge stammen von Gürteln. Funde aus London belegen wieviele von „preiswerten“ Varianten für Sporenriemen und Pferdegeschirr benutzt wurden! Sie streuen dort nicht über das gesamte mittelalterliche Stadtgelände, sondern 70% der Funde stammen konzentriert von zwei, drei überschaubaren Arealen am Themseufer [BIG82/BWB 83 und SWA 81]. In der Publikation von 1908 wertete man die damals bekannten Altfunde zu einem Gutteil als Reitausstattung, man war den „Pferdezeiten“ näher. In ihrer ansonsten hervorragenden „Dress Accessories“ gehen Egan/Pritchard darauf nicht in gleicher Weise ein, sortieren nach Objektgruppen und äusseren Formen, weniger nach schwierig erkennbaren inneren Zusammenhängen. Sie erwähnen allerdings in ihrer Publikation über die Funde seit den 1970ern zum einen, daß man Werkstätten, das würde manche Uniformität der Funde erklären, da immer der gleiche Urheber (zeitliche Konzentration 1350-1400), zum anderen wohl die königlichen Stallungen angeschnitten hatte, bzw deren Abfallentsorgung. Der Tower ist von dort nicht weit. Es ist entweder Ironie oder eine Form der brit. Traditionsbeflissenheit, dass ausgerechnet auf dem Gelände des heutigen „Lorry-Parks“ [BIG82/BWB83] vornehmlich Objekte aus dem Reitzubehör erscheinen. Es weist vielleicht auf eine tradierte Nutzung des Geländeabschnitts hin? Der Verlust einzelner Spenglin oder „Klapperbleche“ scheint gerade in solchen Zusammenhängen aufgrund hoher Belastung erklärbar und damit grundsätzlich manch archäologischer Fund im Burghof, bei Stallungen, nach Entsorgung des Strohs an den Abfallstellen, an Furten und ehemaligen Lagerplätzen, wo das Auf- und Absatteln vonnöten war. Egan/Pritchard räumen ein, daß Schnallen vom Reitzubehör nur schwierig von denen der persönlichen Ausrüstung zu scheiden sind [DressLo, S. 50]. Desweiteren befanden sich kleine Metallzieren u.a. auf Rüst- und Schildriemen, Möbelstücken, Truhen, Kästchen und Bucheinbänden. Auch Altardecken und liturgische Kleidung versah man/frau mit aufgenähten dünnen Zierblechen. Da sie im klerikalen Umfeld eher in Zweitverwendung standen ist der vorherige profane Nutzen denkbar, wie bsplw Schmuckbleche auf dem „Brautkleid“ der Königin Agnes im schweizerischen Kloster Sarnen [Fingerlin S. 12]. Der Titel von Egan/Pritchards „Dress Accessories“ ist irre führend, denn er suggiert Bekleidungsrepertoire (!), was Reitzubehör oder Rüstriemen aber nicht sind, dafür war ursprünglich ein extra Band vorgesehen. Es hat dazu geführt, daß diese einzigartige Publikationsreihe andere Autoren deutlich beeinflußt. So bezeichnen Willemsen u Ernst in „Hundreds of...Medieval Chic in Metal. Decorative mounts on belts and purses from the Low Countries, 1300-1600“ manche ihrer Objekte als kurze Gürtelfragmente, auch wenn diese nur 9 mm Lederbreite aufweisen. Da sind die Briten etwas vorsichtiger und verweisen auf Sporenriemen, was auch gerade aufgrund der Fundumstände einiger Londoner Objekte, wahrscheinlich klingt. Aber sie selbst haben leider durch den Titel ihres Bandes eine falsche Richtung gewiesen. Deutlicher als Gürtelzubehör wird man Grabausstattungen in Kirchen zuordnen können, die bis in die frühe Neuzeit erfolgten. Bis auf Sporenriemen wird man in solchen Fundkomplexen keinen Bezug zum Pferd herstellen können. Allerdings ist hier nicht mit einzelnen Beschlägen, sondern mit kompletten Sätzen zu rechnen, sofern keine Umbettungen vorgenommen wurden.



3/ Verwendete Literatur zum Thema Frau: Infotafel „Juden in Worms“ im Dom Worms 2022 / Huizinga, J.: Herbst des MAs [HdM] / Krone und Schleier. Kunst aus ma Frauenklöstern [KruS], Ausstellungskatalog Essen-Bonn, München 2005 / Rieger, A.: Der Alexanderroman. Ein Ritterroman über Alex. d Gr. [DAlex]. Handschrift 78.C.1 des Kupferstichkabinetts in Berlin, Stuttgart 2002 / Scott, M.: Kleidung und Mode im Mittelalter [KuM], dt Ausgabe Darmstadt 2009 / Wahl, J: Neue Erkenntnisse zur fma Separatgrablege von Niederstotzingen, Kreis Heidenheim