Hinweise zur Wegführung durch die Jahrhunderte
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DRAGAL
Rekonstruktion von Leibgürteln für das Reenactment
Früh-, Hoch- und Spätmittelalter (kurz FMA / HMA / SMA)
oder Imagination anhand von Sachobjekten
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Diese Seiten sind ein Experiment und kein „fertiges Produkt“. Von dem „100m-Lauf“ ist bislang vielleicht ein Viertel der Strecke geschafft, mit mm-Schub geht es voran. Die einzelnen Zeitabschnitte sind grob skizziert. Es werden nun Kernaussagen sowie Abbildungen überarbeitet, je nach Anforderung durch Kundenaufträge. Ideen und zu Bearbeitendes sind durch geschweifte Klammern {x} gekennzeichnet, Fußnoten als Detailerläuterungen in eckige Klammer [x] gesetzt, analog zu Quellenverweisen bei Zitaten. Jene wurden aus Platzgründen mit einem Kürzel in fett versehen - wie Bilder in der eigenen Datenbank. Diese eigentlich nur bei Sammelbänden und Reihen angewendete Praxis, wird nun zunehmend auf Autor und Erscheinungsjahr geändert, wie sonst üblich, wenn nach Textstraffung mehr Platz auf den Seiten entsteht. Häufig genutzte Abkürzungen, wie „röm, frz, dt, Jh, mglw, bzw, etc, usw“ haben keinen Punkt, da er im Schreib- und Lesefluß stört. Die Gürtelformen sind nach hohen und niederen Schichten sozial aufgegliedert, siehe dazu den Seitenbalken links mit der Angabe von 5 „Berufs“-Kategorien A-E, sie verweisen auf Gesellschaftsstrukturen - Annäherung über Grabfunde im FMA und auf die Ständegesellschaft im HMA/SMA. Gemessen an historischer Realität haben solch modellhaften Betrachtungsweisen in ihrer Abstraktion wohl etwas von der „Augsburger Puppenkiste“, sind m.E. aber sinnvoller als Objekte aufzuführen, die in den jeweiligen Zeitrahmen passen, aber den sozialen Kontext missen lassen. Der gesellschaftlichen Stellung der Frau im Mittelalter wird mehr Aufmerksamkeit geschenkt, da sie keineswegs nur als „unterdrücktes Wesen“ im einem religiös fundamentierten patriarchalischen System angesehen werden sollte - zumal ihrer Denkart die Zukunft gehören muss, denn im Zuge weltweiter Verteilungskämpfe scheinen phalliotische Großmachtsträume deplaziert. Wohl „biologisch“ begründet, sollten sie eher im Schlafzimmer ausgetobt werden als auf internationalen Gefilden. Eingeschoben werden Exkurse, die sich auf das jeweilige Jahrhundert beziehen oder größere Zeiträume betreffen. Deshalb sind rund 10 übergreifende Themengebiete unter „Exkurse im direkten Zugriff“ auf dieser Seite zu erreichen. Je nach verwendetem Browser empfiehlt es sich Links oder Bilder durch Rechtsklick „im neuen Tab“ oder „neuen Fenster“ zu öffnen, zur Parallel-Betrachtung und um das Zurückführen auf gerade Gelesenes zu erleichtern. Korrekturen und Ergänzungen werden auf den Seiten ständig vorgenommen! Manchmal ergeben sich glückliche Fügungen, andere Dinge wirken sperrig, bis zur notwendigen Be- und Überarbeitung. Kritische Anregungen oder andere Sichtweisen werden gerne aufgenommen. Frühe Arbeiten der persönlichen Vergangenheit aus analogen Zeiten (Filme, Projektionen, Fotos, Videos) wurden möglichst lebendig gestaltet. In der Beschäftigung mit dem „Mittelalter“ folgten eher nüchterne Wissenschafts-Darstellungen zur Alchemie, Medizin, Astronomie und Kartografie, auch dieses Projekt hier schien mir lange Zeit zu „verkopft“ und es fehlte der entscheidende Hauch. Schnallen sind recht starre Objekte, nicht weniger starr und „blutleer“ sind notwendige Kategorisierungen zeitlicher und technischer Art. So soll in Erweiterung der einführenden Texte die mittelalterliche Gedankenwelt und das Gefühl dieser Zeit beweglich erfasst werden auf der Suche nach dem flüchtigen Element, was hinter den Objekten steckt, dem vergangenen Leben, das wir als Darsteller ja umzusetzen gedenken. Es ist dieses seltsame Fluidum, das ein Reenacter einzusaugen vermag, in Gewandung an historischer Stätte – genau genommen zur falschen Zeit am richtigen Ort zu sein – und dieses eigenartige Gefühl hinterlässt, bestenfalls mit einem jjjiippp zu beschreiben. Im Gegensatz zur Moderne gab es im Mittelalter nicht das Bestreben starke Gemütsregungen zu verbergen, sondern sie gestalterisch zu zelebrieren, vor allem im höfischen Umfeld. Mit dieser Stilisierung der Lebensform wurde ein ästhetischer Ausdruck für Ehre und Tapferkeit, Liebe und Trauer gefunden. So verbergen sich hinter jedem Grabfund des FMAs Emotionen des Abschiednehmens, überdeckt durch gesellschaftliche Konventionen, das HMA besticht durch irrationale Religiösität mit höchsten Anstrengungen im Kirchenbau oder impulsiven Ausbrüchen in Massenbewegungen, siehe unbewaffnete und bewaffnete Pilgerfahrten, in der „Gotik“ des SMAs wurde individuelles Nachempfinden formuliert, dessen gesteigerter emotionaler Ausdruck uns heute noch in künstlerischen Erzeugnissen begeistert. Vielleicht ist auf den Seiten ein Ansatz der angestrebten Ausrichtung spürbar - Stichwort „Imagination“, es gewinnt Substanz, beginnt sich zu rühren, zu „leben“ und ist deshalb im ständigen Wandel, irgendwann wird es „sterben“... aber bevor es jetzt allzu sentimental wird: Den Seiten sind „Zeitenwanderer-Einführungen“ vorangestellt. Sie sind als Momentaufnahme oder belebte Bilder gedacht, um Atmosphäre zu bieten und in den zeitlichen Kontext zu leiten, möglichst wenig Klischees bedienend und nicht idealisierend, bislang „Burgenleute“ (2. Hälfte III. Jh) / „Krise am Rhenus“ (Anf. V. Jh West) / „We leave our homes in flames“ (Anf. V. Jh Ost) / „Die Alamannin“ (2. H. VI. Jh) / „Fremde Küste“ (1. H. IX. Jh) / „Die Schlacht“ (2. H. IX. Jh – wird überarbeitet) / „Ein verdammtes Loch“ (2. H. XV. Jh). Hier agieren keine „Helden“, sondern „Normalos“, befangen in ihrer Zeit mit den gewohnten Vorlieben, Wünschen, Sehnsüchten, Träumen, Zwängen, Ängsten, Zweifeln und Fehlern... „Die Geschichte wiederholt sich nicht, aber immer tut es der Mensch.“ F.M. Arouet de Voltaire (1694-1778) |
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Thematische Exkurse im direkten Zugriff: Gürtelformen Bronzezeit und Antike 2 - Adel-Vasallen-Heerschildordnung-Heraldik 3 - Hundertschaft-Gefolgschaft-Lehnswesen-Ministeriale 5 - Textilreste in Nordischen Gräbern 6a - Bronze und Messing im FMA 6b - Bronze und Messing im HMA/SMA 7 – Verwendete Ledersorten im HMA (Schleswig) 8 - Eisenproduktion vom HMA zum SMA 9 - Faszination Tafelbild und Schauspiel im SMA 10 – Heer- und Handelswege im Mittelalter
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hier folgen die Exkurse 1, 2, 3, 4, 7, 10, alle übrigen thematisch in die „Jahrhundert-Seiten“ eingefügt
Gürtelformen aus Bronzezeit und Antike: Die älteste Gürtelvariante ist sicher der Bindegurt aus Tierhaut, seit der Altsteinzeit voraus zu setzen, für die Bekleidung oder den Transport und von Gegenständen. In der Jungsteinzeit wurde er je nach Region ergänzt durch Varianten pflanzlichen Ursprungs. Beides wird in der Herstellung als Bestandteil der Kleidung angesehen worden sein. In der Antike lassen sich Bindegurte anhand von Werken der Plastik oder Malerei belegen. In besonderen Fällen fanden sie eine Überhöhung als umschlungene Tänie auf Grabstelen. Als Ehrobjekte erscheinen die Binden in der Vasenmalerei neben den Protagonisten frei im Raum schwebend. Ähnlich wird man gebundene Gurte auf Prunkrüstungen aufzufassen haben, eine Sitte, die sich bis in die röm Kaiserzeit (RKZ) hielt. Das griech Schwert (Xipos) wurde, Abbildungen nach, am Schulterriemen getragen, demnach als auch gebunden oder fest eingestellt, ohne jegliche Schnalle. Aristoteles berichtete, nicht ohne die Abscheu eines gebildeten Griechen, dass es bei Makedonen üblich sei sich nur mit einem Strick zu gürten, solange man noch keinen Feind getötet hatte. In den nördlichen Breiten wird der Bindegurt seit der Bronze-/Eisenzeit durch Moorfunde gestützt. Es seien aber auch spezielle Gürtel-Hakenvarianten, teilweise mit breiten Bronzeblechen der Urnenfelder- und Eisen-Zeit nicht unerwähnt, vor allem im Vorderen Orient und mediterranen Raum, siehe assyrische Reliefs aus den Schaltzentralen der Macht, wie Ninive, mit der Abbildung breiter Gürtelformen - bei Prunkvarianten wohl aus Textil, ansonsten Leder und Metall, welche als Element der Rüstung zugleich die Bauchpartie zu schützen vermochten. Geschlossen wurden sie durch Haken oder Ösen mit Bindesystem. Haken an breiten Gürtelblechen sind aus dem griech-italischen Raum überliefert, welche auch Bestandteil der Hallstattkultur wurden und sich zur Latenezeit in schlankere und meist einfache Hakenformen wandelten. Diese jüngere Abwandlung ist ebenso bei Germanen der vorrömischen Eisenzeit nachweisbar, bis jene durch Berührung mit der röm Kultur deren Schnallenformen übernahmen und modifizierten. Woher die uns geläufige Schnallenform überhaupt stammt ist mir momentan noch unbekannt? Wenn der Vordere Orient bereits erwähnt, sei auch der Blick ins Med.-Persische Reich des V.-IV. JhvC erlaubt. Es wird berichtet, dass die Jahresabgabe einiger syrischer Dörfer dazu verwendet wurde, um der pers. Königin einen Gürtel (!) anzufertigen, wohl ein recht kostbares Stück. In Persien war es üblich regionale Abgaben Personen und einem bestimmten Gebrauch zuzuweisen, wie es Reliefs der Tribut-Entrichtenden auf den Seitenwangen der Treppenaufgänge in der Residenz Persepolis darstellen. Darunter Reitervölker, wie Saken/Skythen und frühe iranische Völker (Meder, Baktrer, Sogdier, etc). Sie tragen halblange zur Seite geschlungene Gürtel als Wehrgehenk, an denen Taschen und Dolche befestigt sind. Hier ist ein zentraler Verschluß sichtbar in Form von Knopf, Haken, Ringdurchzug oder Schnalle (?), welcher in der Lage ist ein gewisses Gewicht zu tragen, eindeutig kein Knoten. Das Material des Gürtels ist nicht zu beurteilen. Nomadische Völker werden stabile Lederausführungen bevorzugt haben, da Viehbesitz obligatorisch war. Allerdings werden jene kaum in der Lage gewesen sein lang dauernde pflanzliche Gerbprozesse auszuführen. Fettgerbungen, wie auch bei Germanen üblich, scheinen in jeder Hinsicht glaubhafter. Oft trugen Reiternomaden einen Teil der Ausrüstung, wie Bögen und Pfeile in Köchern am Gürtel, hinzu Dolche oder Schwerter, Taschen, Beutel und Dinge des täglichen Bedarfs. Sie benötigten stabile Tragevarianten, siehe auch Fund aus dem VIII. Jh in der Moscevaja Balka. Halbnomadische und sesshafte Völker erweiterten seit der Jungsteinzeit das Spektrum um textile Gürtelvarianten aus Wolle und Leinen. In Asien kannte man auch Baumwolle und Seide, beides erreichte den Westen, wobei Seide als urspl. chines. Exportartikel seit der Antike eine herausragende Stellung zukam und Baumwolle über Norditalien im SMA mit der süddt Barchent-Produktion gewaltigen Aufschwung erfuhr. Seide war in erster Linie Bestandteil der Kleidung gehobener Schichten. Nomadische Völker gelangten durch Tributleistungen, Handel und als Transporteure in Besitz des kostbaren Guts, durch skythische und hunnische Grabinventare zu belegen...
Exkurs 1: ROM – Byzanz - Seide - Italien Das antike Rom war für gebildete Menschen des westeurop. Früh- und Hochmittelalters, die in der Regel dem Klerus entstammten, Leitstern der Ausrichtung, Maßstab aller Dinge. Sie verstanden sich nicht in einer eigenen Epoche [der Begriff „Mittelalter“ war ihnen ja vollkommen fremd], sondern glaubten sich der römischen Zeit, dem letzten Zeitalter nach christl. Heilslehre, verpflichtet. Die Ausrichtung wird nicht zuletzt durch Begriffe der modernen Forschung wie „Romanik“ sinnfällig [dahinter steckt selbstverständlich mehr als die bloße Nachahmung antiker Formen]. Erst im Spätmittelalter wurde der Blickwinkel auf die gesamte Antike einschließlich der Griechen erweitert, indem eine Wiederbelebung derselben das Verständnis eines Zeitenwandels hervorbrachte, mit einer vergangenen und abgeschlossenen Epoche zwischen Antike und der „wiedergeborenen Antike“ (= Renaissance), nämlich dem „medium aevum“. Dieser Begriff wurde spät. 1464 in Italien verwendet [nach Scott, Kleidung und Mode, S. 117]. Francesco Petrarca (1304-1374) hatte den Zeitraum zwischen Antike und seiner eigenen Zeit bereits als „medium tempus“ bezeichnet. Unsere zeitliche Definition des Mittelalters ist fast deckungsgleich mit dem Bestand von Ostrom/Konstantinopel/Byzanz als eigenständige politische Macht von ca. 400 bis 1453. Wobei „byzantinisch“ ein moderner Forschungsbegriff ist, Oströmer bezeichneten sich selbst als Romäi und verstanden sich als hellenisierte Römer. Herakleios (610-641) hatte Griechisch, die im Osten dominierende Sprache, zur alleinigen Amtssprache erhoben. Zugleich legte er den Titel imperator ab und nannte sich fortan offiziell basileus. Papst Urban bezeichnete in seiner berühmten Rede auf dem Konzil zu Clermont im Nov 1095 die an Seldschuken verlorene Gebiete Kleinasiens als „Romanien“. Umgekehrt nannten Byzantiner Franzosen des I. Kreuzzuges nicht „Franken“, sondern „Kelten“, da man ihr Herkunftsland nicht als „Westfranken“ oder gar „Frankreich“ bezeichnete, sondern als „Gallien“, zudem wurde ihre barbarische Abscheulichkeit deutlich zum Ausdruck gebracht, wie es die Kaisertochter Anna Comnena in ihrer Korrespondenz bezeugte. Byzanz übte enormen kulturellen Einfluß auf west- und osteuropäische Moden aus („imitatio imperii“), oft über norditalienische Städte, insbesondere Venedig als byzant. Außenposten und Handelspartner oder über Sizilien und Süditalien. Während Westrom Zentrum und ideeller Hort des röm-kathol Christentums war, beständig um seinen Machtanspruch kämpfte, blieb das mächtige Ostrom unangefochten der Kulturbringer, trotz enormer Gebiets- und Ansehensverluste durch erschöpfende Kämpfe gegen Slawen und nomadische Völker an der Donaugrenze oder Sassaniden und den vordringenden Islam an seiner Ostfront. Letzteres traf Konstantinopel an empfindlicher Stelle, denn die Provinzen Ägypten, Syrien, Palästina und große Teile Kleinasiens galten als Haupteinnahmequelle für Besteuerung und Handel, auch für die Rekrutierung waren diese Räume von Belang. Nur durch ihre Existenz war es Ostrom gelungen zu überleben, nachdem westliche Reichsteile verloren gegangen und nicht wieder zu erlangen waren. Konstantinopel galt als Quell des Luxus, in Form von Stoffen, speziell Seide, afrikanischem Elfenbein und Elfenbeinarbeiten, Gewürzen, Edelsteinen, Goldschmuck, Goldmünzen, aber auch begehrten Reliquien. Im Westen überdauerten letztere in den Kirchenschätzen. Die kostbaren Objekte waren nicht selten diplomatische Geschenke, mit denen Byzanz seine kulturelle Überlegenheit dem Westen gegenüber klar zum Ausdruck brachte. „Byzantinische Herkunft“ meint übrigens den gesamten östlichen Mittelmeerraum, denn die Werkstätten konnten genauso auf dem Balkan und in Griechenland, in Ägypten, wie im Vorderen Orient liegen, je nachdem wie sich gerade die Handelsbeziehungen gestalteten, deshalb wird in der Forschung auch von „orientalischen Produkten“ gesprochen. Im Lauf der Zeit wuchs auf der Nehmerseite Begehrlichkeit und der Transfer war keineswegs immer legal. Reliquien wurden geschmuggelt und spätestens mit der Eroberung Konstantinopels 1204 im Auftrag Venedigs, gelangten immense Reichtümer vornehmlich nach Italien und Frankreich, festigten oder begründeten die frz Vormachtstellung in speziellen Produktbereichen, beispielsweise in der Herstellung von Elfenbeinartikeln. Auch nach Dtld gelangten in diesem Zug kostbare Gegenstände, wie das byzant. Kreuzreliquiar ins Kloster Stuben an der Mosel aus dem X. Jh, heute im Domschatz Limburg. Östliche Luxusgüter kamen „erschwinglich“ auf europäische Märkte und schufen neue Modeformen. Für Betrachtungen zur Gürtelentwicklung ist dieser Aspekt nicht unerheblich. [Der Papst ließ damals Gelder zur Rückeroberung des Heiligen Landes in ganz Europa sammeln. Doch blieben die finanziellen Mittel irgendwann aus, so dass die Überfahrt von Venedig nach Palästina nicht mehr bezahlt werden konnte. Das zeigt, wie sehr sich die Kreuzzüge gewandelt hatten, ausgehend von der wirtschaftlichen Selbstaufgabe jedes einzelnen in religiöser Begeisterung hin zu kapitalintensiven Großunternehmungen, die erhebliche Mittel erforderten. Um 1204 führte das im Fall des IV. Kreuzzugs zur unheilvollen Eroberung Zaras in der Adria und Konstantinopels im Interesse der Dogenstadt, in der Sprache des Kapitalismus modern salopp formuliert: "Die Filiale läßt ihren Mutterkonzern liquidieren"]. Über ein gutes Jahrtausend lag auf der begehrten Seide ein chinesisches Monopol und der kostbare Stoff durfte das Land nicht verlassen. Seide galt in China als Zahlungsmittel mit verlockendem Mehrwert, allerdings begrenzter Haltbarkeit (!), der Wunschtraum vieler Ökonomen. Irgendwann setzte ein Handel über grössere Distanzen ein und Wege, Transporteure und Händler waren streng reglementiert, aber es gab Versuche das chines. Monopol zu brechen. Mächtige nomadische Anrainer erpressten von den Chinesen Tributleistungen in Form von Seide. Diese gelangte über Zentralasien und den Vorderen Orient bis in den Westen. Die „Einfallstore“ nach Europa waren vor allem Byzanz und dessen „Ableger“ Venedig, bis es iranischen Völkern und Byzantinern gelang selbst in die Seidenproduktion einzusteigen. Künftig waren kostbare Stoffe nicht selten Erzeugnisse der kaiserlichen Staatsweberei in Zeuxippos. Bereits im IX. Jh sollen Kenntnisse der Seidenraupenzucht mit der sarazenischen Eroberung von Nordafrika nach Sizilien gelangt sein. Die Seidenweberei ist dort seit dem X. Jh nachweisbar und erweiterte sich 1147 mit der zwangsweisen Deportation von Seidenhandwerkern aus Theben und Korinth nach Palermo. Rohseide und fertige Gewebe wurde Ende des XII. Jhs nach Lucca verhandelt, dortige Handwerker übernahmen islamische Motive. Abgewandelt wurden sie zu einem Markenzeichen der Seidenweberstadt, die im XIII. Jh einen besonderen Ruf in der Färbung von Seide erlangte, bis die Weber nach Venedig abwanderten. Friedrich II. legte 1215 einen Seidenstoff in den Aachener Karlsschrein, den er wohl aus seiner sizilianischen Heimat mitgebracht hatte. Die Staufer besaßen mit Sizilien, und insbesondere mit Palermo, eine der wirtschaftlich stärksten Regionen Europas. Edle Stoffe werden im XII. und XIII. Jh häufig als Tribut, Abgabe und auch als Beutestück von Italien nach Dtld gelangt sein. Denn dt Könige „jagten“ ein Heer nach dem anderen über die Alpen, das verschlang Unsummen und musste finanziert werden. Die Entlohnung bestand nicht selten aus kostbarem Gut jeglicher Art, das italienischen Städten gewaltsam genommen wurde. Enorme Werte hatte allein Heinrich VI. 1194/95 auf 150 Saumtieren, nach Erlangung der sizilianischen Königswürde, von Sizilien nach Dtld bringen lassen, der erst später aufgefundene Schatz König Rogers noch gar nicht mitgerechnet [siehe auch KC_VII, S. 27 und Weinfurter, Die Staufer und Italien, Bd. II, S. 78f.]. Die Zeit der Kreuzzüge war von Rivalitäten zwischen Christen und Orthodoxen geprägt. Der Staufer Friedrich I. (Barbarossa) hatte bereits im Winter 1189/90 erwogen die Mauern Konstantinopels anzugreifen und es war immer wieder zu Scharmützeln zwischen Kreuzfahrern und Byzantinern gekommen. Eine erfolgreiche Zusammenarbeit mit dem Westen fand nur selten statt und beschränkte sich meist auf eine der ital Seestädte. Byzanz hatte definitiv keine Neugründung von christlichen Fürstentümern im Hl Land erwartet, sondern eine Erneuerung byzantinischer Herrschaft in der Levante erhofft. Einflüße aus dem ostmediterranen und syrisch-persischen Raum befruchteten das europäische Mittelalter in mancherlei Belangen. Der Transfer beschränkte sich nicht nur auf die Sachkultur, sondern war zugleich Träger wichtiger Impulse und Ideen, so gelangten antike Manuskripte in den Westen. Der Niedergang Konstantinopels seit 1204, der endgültige Verlust des Heiligen Landes Ende des XIII. Jhs, das Vordringen der Osmanen auf dem Balkan seit dem XIV. Jh und der finale Fall der Stadt 1453 entfachte im Westen durch Flüchtlinge eine Wiederbelebung antiker Vorstellungen, die besonders in Italien auf bereiteten Boden fiel. Italienische Kommunen, von „Konsulen“ und Stadträten geleitet, mit den Relikten der antiken Vergangenheit „vor der Haustür“, definierten sich aus Statussymbolen und Ideen der römischen Republik heraus. So schwelgte das zerstrittene Italien, dominiert von regionalen Stadtrepubliken oder besetzt durch fremde Mächte, in der glorreichen antiken Vergangenheit mit dem Wunsch zu neuer Einigkeit und Größe, ähnlich wie die napoleonisch-frz Besetzung Dtlds im XIX. Jh die Romantik und eine Beschäftigung mit der mittelalterlichen Vergangenheit hervorbrachte. Die „Renaissance“ war in Italien kein plötzlicher Umbruch, keine neue Mode- und Gesinnungserscheinung, wie bei uns nördlich der Alpen, sondern Ausdruck für einen Jahrhunderte währenden kontinuierlichen Prozeß der Selbstfindung. Deshalb werden wir als Nicht-Italiener immer nur die äusseren Erscheinungen und künstlerischen Leistungen bewundern können, niemals aber den notwendigen Drang dahinter erkennen und verstehen. Bild: „...nach der osmanischen Machtübernahme“ [TW Attila Rad mod]
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Exkurs 2: Hoch- und Niederadel / Vasallen / Heerschildordnung / Heraldik / (Ausblick in die Zukunft) Aufgrund archäologisch nachweisbarer Relikte (Wallfestungen, Grabhügel, reiche Grabausstattungen, mögliche Kalendaranlagen, etc) läßt bereits die Bronzezeit hierarchisch aufgebaute Gesellschaftsstrukturen erkennen. Die Grabstätten dokumentieren einen ausgeprägten Ahnenkult. Im eisenzeitlichen Norddeutschland wurden bewußt Nachbestattungen in oder um grössere bronzezeitliche Hügelgräber vorgenommen oder Brandurnenfelder rings um überwölbte Megaltihgräber angelegt, um Nähe zur Herrschaft und Kontinuität auszudrücken. Frühe Schriftquellen lassen einen Geburtsadel (ahd. „adal“ = edel) als herrschende Schicht vermuten, mit religiös motivierter Legitimation einer langen Ahnenreihe, ausgehend vom (mythischen) Urahn, nach dem sich die Sippe selbst nannte. Alter wurde Ehrfurcht gezollt und Ältestenräte erscheinen in allen Gesellschaftsformen. Ob es analog zu Sippenführern auch dauerhaft oberste Stammesführer gab ist fraglich, vielleicht nur zeitlich begrenzt in Notzeiten? Demnach wählten urspl. Freie aus der Reihe der „Edelinge“, der „Fürsten“ (ahd. furisto = der Vorderste, noch im Sachsenspiegel: „vorste“) einen Anführer, den „Herzog“ für Heerfahrt und Rechtsprechung. Die dauerhafte Institution eines obersten Herren könnte eine Folge von Konzentrations-, bzw Angleichungsprozessen an röm Verhältnisse sein. In lateinischen Quellen wurden für Angehörige dieser Führungsschicht Bezeichnungen verwendet, wie princeps, rex, dux oder iudex, da jene Recht sprachen, siehe dazu auch im AT das „Buch der Richter“ und die Zeiten ihrer Herrschaft. Die frühe Rechtsprechung hatte eine religiöse Komponente, da es um die Wiederherstellung einer „gottgewollten“ Ordnung ging, Edelinge als Rechtsprecher galten als göttlich erwählte Menschen. In der Völkerwanderungszeit mit Konzentration auf mächtige Gefolgschaftsführer und in der Landnahmephase auf röm Territorium war zur Verwaltung der Gebiete eine Ämtervergabe an Adel und Freie unerlässlich. Nach Vorbild der Caesaren wurde der Titel des obersten Herrschers bei Vandalen und Franken erblich, mit Chlodwig und den „Merowingern“ in sakrale Sphären erhoben. Die Ursprungsform war eigentlich das oben beschriebene Wahlverfahren, also ein Heer- oder Wahl-“königtum“, zu dem bsplw Goten nach einer Phase der Erblichkeit zurückkehrten. Bloß wer wählte - alle Freien oder der Adel unter sich? Wurden möglichst fähige oder eher „harmlose“ Kandidaten ausgewählt? Beides konnte Vorteile bringen. Rivalitäten, Bildung von Parteien, das erbliche Königtum oder das Erbrecht, es gab genügend Gründe für Thronstreitigkeiten. In allen Fällen vermochte der Adel zur persönlichen Bereicherung und Machterweiterung nicht selten Nutzen daraus zu ziehen [siehe auch unten Hundertschaft]. Die Aristokratie begann auch hohe Kirchenämter zu vereinnahmen, welche in der Konsolidierungsphase der Franken zu Chlodwigs Zeiten noch durch die alte provinzialröm Senatorenschicht besetzt worden war, geschult im röm Kirchenrecht. Im Rahmen der Kirchenorganisation begannen sich Adelige dem antiken Bildungskanon zu verpflichten, eine Laienbildung darüber hinaus, wie noch in der Spätantike üblich, gab es lange Zeit nicht. Deshalb blieben in der Reichsverwaltung hohe Geistliche unentbehrlich. Zum Hochadel zählten nach dem älteren Reichsfürstenstand die Herzöge, Mark-, Pfalzgrafen, Grafen und Edelfreien (oft nur als „Edle“ oder „Herren“ bezeichnet, auch der Begriff „hochfrei“ war in Gebrauch). In den Textquellen verwendete man für den Adel bis ins XII. Jh lat/röm Begriffe wie nobiliores, welche im republikan. Rom einst Nachkommen derjenigen waren, welche das Konsulat bekleidet hatten oder für hohe Ämter wie den Herzog dux als höchstes Lehnsamt des Königs, ursprünglich ein Rang im röm Militärwesen des V. Jhs mit Oberbefehl über regionale Grenztruppen (limitanei), davon später abgeleitet das „Dukat“. 1020 wurde Melus von Bari zum „dux“ von Apulien ernannt, welcher mit dem Papst nach Bamberg gereist war und Kaiser Heinrich II. den berühmten Sternenmantel schenkte, heute Prunkstück im Diözesanmuseum Bamberg. Melus brachte die Ernennung keinen Nutzen, da er bereits wenige Tage später in Bamberg verstarb. Der Graf wurde comes genannt, welcher urspl in der röm Militärhierarchie Teile des beweglichen Feldheeres (comitatenses) kommandierte und Inhaber höchster Zivilgewalt war. Die Übernahme der Begrifflichkeiten erklärt sich aus der germanischen Landnahmesituation des V./VI. Jhs. Chlodwig hatte, wie bereits erwähnt, eine Reihe röm Senatoren als Geistliche an seinen Hof geholt. Bewährte provinzialröm referendarii behielten das gesamte Steuer-, Zoll- und Münzwesen inne, ebenso die Führung der Kanzlei. Unverzichtbar in den Regionen waren die comites („Grafen“), laut lex Salica vom König als weisungsgebundene Amtsträger eingesetzt. Angehörige aus adeligen Häusern, bzw Edelfreie, die aufgrund des Eigenbesitzes wirtschaftlich und rechtlich unabhängig waren, konnten nach dem Amt eines Grafen oder Vogts (advocatus = Fürsprecher, Schutzbeauftragter für geistliche Einrichtungen) streben und begaben sich freiwillig in Königsdienst (Kronvasallen), später auch in den Dienst von Fürsten und Bischöfen, wurden also rechtlich quasi „unfrei“, erhielten dafür aber entsprechendes Ansehen, lukrative Einkommen sowie Privilegien, meist unter Wahrung ihres Eigenguts unabhängig und zur freien Verfügung. Markgrafen (marchiones von ahd. „macha“ = Grenze) besassen besondere Befugnisse, unterhielten größere militärische Kontingente zur raschen Einsatzbereitschaft; unabhängig vom König mussten mglw recht schnell Entscheidungen getroffen werden. Innerhalb des Reichsgefüges war ihre Haltung zum Königshaus von besonderer Bedeutung. Die Machtfülle der Amtsträger wuchs je nach Stärke und Schwäche des obersten Herrschers. 614 gelang es Adeligen dem merowing. Herrscher Chlothar II. das Recht abzutrotzen Grafen nicht nach dessen Gutdünken, sondern ausschließlich aus den jeweiligen Gauen erlesen, einzusetzen. Damit behielt der grundbesitzende Adel die regionale Kontrolle über diese Positionen! Seit karolingischer Zeit übte der Graf Richterfunktionen im Gau (Gograf) aus. Ursprünglich war er ein- und absetzbar, denn er bekam das Amt ja nur verliehen, welches aber, als wichtiger Schritt zur Unabhängigkeit, im Laufe der Zeit erblich werden konnte, wenn es nicht als Lehen an den König zurück fiel! Durch die Erblichkeit hoher Reichsämter verlagerten sich königliche Hoheitsrechte (Regalien) auf die Fürsten in der Herausbildung von Landeshoheiten. Bereits unter den Karolingern gilt die Vergabe von Lehen (beneficium) als gesichert, also Grundbesitz und Einkünfte, um wirtschaftliche Möglichkeiten zu schaffen die Anzahl gepanzerter Reiter zu erhöhen. Alle nachfolgenden Machthaber folgten dieser Strategie. Hier lag die Geburtsstunde des „Ritters“, des unfreien Ministerialen, des späteren Nieder- oder Dienstadels, welcher speziell im Königsauftrag als reichsunmittelbar galt. Aber auch fürstliche Landesherren vergaben ihren Gefolgsleuten Ämter (officium) und Dienste, welche vor Ort stellvertretend Macht ausübten, daraus sollte sich der niedere landsässige Adel entwickeln. Der Hochadel wachte eifrig darauf sich nach unten abzugrenzen und ständischen Vorrechte, wie Fehde- und Erbrecht oder Steuerfreiheit, die gemeinsame Königswahl, Recht auf Frondienste der Unfreien, auf Zurschaustellung von Luxus, eigene Gerichtsbarkeit, Erziehung der Nachkommen in seinem Sinne, Wappenführung (seit der Wende XII./XIII. Jh) und weitere Privilegien in Staat, Militär und Gesellschaft zu sichern, die erst zwischen 1789 und 1849 abgeschafft wurden. Im XVI. Jh zählte dazu auch Sitz und Stimme auf dem Reichstag. Im HMA galt die zunehmend verfeinerte höfische Ausbildung der Jugend an fremden Höfen, als anzustrebendes Ideal. Mit Ernst und Spiel wurde, beim jungen Mann vornehmlich in Leib-, Reit- und Waffenübung, durch französische Sitten auch mit Musik, Tanz, Gesang und Dichtung, bei Juncfrouwen in Handarbeit und Kunst, zuweilen mit Lesen, Schreiben und Heilkunde die Ausbildung von Anmut, Geist und Gemüt geschult. Im SMA wurde ein gewisser Elementarunterricht durch Verwandte oder Priester im Rechnen, Singen, Auswendiglernen, Lesen, wohl auch Schreiben in Mundart und Latein üblich. In Klöstern, Dom- und Stiftsschulen konnte er fortgeführt werden, dort war eine längerfristige Karriere vor allem Zweit- und Drittgeborenen vorbehalten. In staufischer Zeit umfasste der hohe Adel des jüngeren Reichsfürstenstands weltliche und geistliche Fürsten, gekennzeichnet durch die unmittelbare Amts- und Territorialbelehnung durch den König. Die Aufwertung geistlicher Herrschaften war eine Folge des ottonischen Reichskirchensystems, welches das Königtum stärken und den Adel schwächen sollte. Denn der König entschied über die Besetzung der machtvollen geistlichen Positionen. Das brachte in der Folge die Salier mit dem Papsttum in Konflikt, im bekannten Investiturstreit. An dieser Frontstellung im mittelalterlichen Europa sollte das staufische Haus zerbrechen. In der Goldenen Bulle von 1356 wurde sieben Kurfürsten, mit Vorsitz des Erzbischofs von Mainz, Vorrechte gegenüber dem allgemeinen Fürstenrat eingeräumt. Seit Karl IV. verlieh der Kaiser, später auch Territorialfürsten, nach frz Vorbild „Adelsbriefe“ an rechtskundige Beamte. Der „Briefadel“ blieb deutlich getrennt vom eigentlichen „Uradel“, den vor 1350 ritterbürtigen Geschlechtern, die sich meist durch ein „von“ kenntlich machten, dazu zählten auch „edelfreie Herren“ aus dem Uradel, welche nur dem König untertänig waren, sie konnten durchaus in den Dienst eines Lehnsherren treten, wenn damit vorteilhafte Einnahmen und Privilegien verbunden waren. Das „von“ alleine ist aber noch kein schlüssiger Hinweis auf den Titel, denn auch Ministeriale, also hochrangige Dienstmannen wurden nach ihrem Amtssitz benannt. 1521 sollten die Reichsmatrikel 7 Kurfürsten, 4 Erz-, 46 Bischöfe, 64 Prälaten, 13 Reichsäbtissinnen, 4 Deutschordensballeien, 28 weltliche Fürsten, 135 Grafen und Edelfreie benennen. Da Fürsten an Grafen und Edelfreie Lehen vergaben, schieden diese Lehnsnehmer aus dem Reichsfürstenstand aus. Andere Edelfreie, wie „Freiherr, Freifrau und Freiin“ oder nach frz-engl Vorbild „Baron“, vermochten ihre Rechte gegenüber den Territorialherren zu wahren, sie blieben nur dem König gegenüber verpflichtet. Manchmal kämpften Freie über mehrere Generationen darum ihre Unabhängigkeit zu wahren, wie die Herren von Dernbach, mit ihrem Stammsitz östlich von Dillenburg in Hessen gegen die Ansprüche der Grafen von Nassau, welchen erst 1325 nach fast hundertjähriger Fehde die Zerstörung der Dernbacher Burg gelang. Da der König in der frühen Neuzeit selbst Bürgerliche in den Reichsfreiherrenstand erhob, rutschte der „Freiherr“ in den niederen Adel ab, rangierte hinter dem „Grafen“ aber vor dem „Ritter“, ohne ein „von“ im Namen, da sie sich nicht nach ihrem Sitz benannten. In der Neuzeit degenerierten „Graf“ und „Freiherr“ zu reinen Titeln ohne Vorrechte. Die Weimarer Verfassung von 1919 beseitigte die letzten Adelsvorrechte und begrenzte die Adelsbezeichnungen als Teil des Namens, hob den Adel allerdings nicht gänzlich auf, wie in Rußland, der Tschechoslowakei, in Österreich oder seit hundert Jahren in der Schweiz [teilw. nach Lingen Lexikon in 20 Bdn, Köln o.J]. Vasallen - Heerschildordnung Der Begriff wird wohl abgeleitet vom kelt gwas (Jüngling oder Diener) und deutet damit an, dass Vasallen in jungen Jahren am Hof ihres Herrn auf spätere Aufgaben vorbereitet wurden. Das Adjektiv gwassawl wurde in die die röm Sprache als vasallus (Diener) übernommen und mit vassus an Merowinger (laut Lex Salica) vererbt. Seit dem VII. Jh wurde der Begriff „Vasall“ zunehmend auf Fürsten und Freie, bzw Edelfreie angewendet, die sich in freiwillige Abhängigkeit begaben und den Königsdienst versahen. So leistete Herzog Tassilo 757 gegenüber Pippin dem Jüngeren mit seinen Edelingen mehrfach einen „Vasalleneid“ mit Schwur auf Heiligenreliquien. Doch wurden die Eide dadurch nicht dauerhafter. Adelige Kronvasallen, hohe Amtsträger und Geistliche besaßen unter Merowingern und Karolingern das Recht auf die annua dona, das jährliche Geschenk in Form von Titeln, Land- oder Sachgütern durch den König. Grundsätzlich waren Donative bereits seit röm Zeiten üblich und selbst ein Legionär der röm Armee konnte zu besonderen Anläßen mit einem Donativ rechnen. Des Herrschers Kronvasallen waren Herzöge, Grafen und hohe Geistliche. Als Reichsvasallen galten unmittelbare des Königs, die Edelfreien. Unter- oder Aftervasallen (mediati) waren die der Fürsten und Bischöfe. Der Bischof von Brixen bezeichnete seine Lehensnehmer als unsere lieben getreuen, also diejenigen, welche ihm den Treueeid geleistet hatten wie im XIV. Jh die „Herren von Kastelruth“ oder die “Herren von Hauenstein“. Im „Nibelungenlied“ wurde die Rangfolge zum Problemfall, denn Brunhild, als König Gunthers Gattin erhob Vorrechte gegenüber Kriemhild, die ja nur das Eheweib eines Vasallen sei, da Siegfried Gunther den Treueeid geschworen und einst für seinen Herrn auf Island geworben hatte. Das ließ Kriemhild nicht auf sich sitzen. Ein schwerer Konflikt war vorprogrammiert. Das Nibelungenlied musste aufgrund der persönlichen Verpflichtungen für damalige Zuhörer verständlich dramatisch wirken. Alle Akteure waren durch ein enges Geflecht von Abhängigkeiten gebunden. Sie konnten nicht frei nach eigenem Willen handeln, sondern nur aus ihren gegenseitigen Verpflichtungen heraus. Daran sollten die „Helden“ scheitern, deshalb wird „Nibelungentreue“ heute als politische Torheit angesehen und mit überholten Ehrbegriffen besetzt. Durch die Rechtsstellung frei oder unfrei unterschieden sich Vasallen (vassallos) von den Ministerialen (ministeriales, ministri, servientes). Der Treue- oder Lehnseid band den Vasallen, der Ministeriale war, ursprünglich unfrei, eh an Weisungen gebunden. Die „Heerschildordnung“ aus dem Lehnsrecht des „Sachsenspiegels“, verschriftlicht durch Eike von Repgow um 1230, zeigt deutlich die Rangfolge und wer in wessen Verpflichtung stand. Ursprünglich war die „schildbewaffneter Schar“ gemeint, langobard. arischild, nord. herskjöldr, 1165 herskilt und um 1230 herscilde, wobei Schilde zur Zeit des Sachsenspiegels bereits seit ein, zwei Generationen Wappen aufweisen konnten. Ursprünglich war es also das Heeresaufgebot, das sich zum Geflecht der Lehensfähigkeit wandelte. Dem Heerschildinhaber oblagen innerhalb der Hierarchie Rechte und Pflichten. Das erste Schild hatte der König als oberster Lehnsherr inne. Den zweiten Schild führten biscope (Bischöfe), ebbede (Reichsäbte) und ebbedischen (-äbtissinnen), den dritten die leien vorsten (weltliche Fürsten = Herzöge, Mark- und Landgrafen), den vierten die vrie herren (freie Herren = Edelfreie = Barone), den fünften die man (Lehnsmannen) der Fürsten und Freiherren sowie die scepenbare lude (Schöffenbare Leute, „bar“ meint nicht entledigt, sondern mhd. „baren“ = erscheinen, darbieten, bzw die „zur Teilnahme am Gericht Befähigten“) den sechsten deren man (Dienstmannen), die sogenannten „einschildigen Ritter“ = Ministeriale. Eike von Repgow war selbst Schöffenbare und durfte im Rang eines Lehnsmanns noch Dienste vergeben. Die süddt Landrechte „Spiegel dt Leute“ und „Schwabenspiegel“ nennen einen siebten Schild mit weiteren unfreien Dienstleuten. Heraldik Allgemein sagt man, dass gegen Ende des XII. Jhs das Wappenwesen aufgrund der das Gesicht verhüllenden Helmformen von England über Frankreich kommend auch im Reich üblich wurde. Der dynastische Adel begann ein Wappen zu führen, welches als Dienstwappen, von den Ministerialen abgewandelt übernommen werden konnte. Es waren keine Familienwappen. Sie dienten zunächst nicht der Identifizierung von Einzelpersonen wie in der späteren Turnierheraldik, sondern zur Kenntlichmachung von Herr und Gefolgschaft, die alle unter dem gleichen Banner kämpften, deshalb spielten Farben eine übergeordnete Rolle. Es steht zu vermuten, dass die ständigen Auseinandersetzung innerhalb des Reichs mit starken Parteibildungen eine deutlich sichtbare Stellungnahme erforderten. Es ist interessant, dass z.B. viele rheinisch-bergische Geschlechter die doppeltgezinnten Balken Graf Adolfs V. von Berg (gest. 1218 vor Damiette) in ihre Wappen aufnahmen. Der Graf als Lehnsmann des Königs vergab Lehen an bergische Ministeriale, die ihr Dienstwappen später zu ihrem Familienwappen machten. Der steigende Löwe fand sich so früh noch nicht bei den Grafen von Berg. Dieser wurde im zweiten Jahrzehnt des XIII. Jhs vor allem das Wappentier der weltlichen Reichsfürsten, wie die Herzöge von Brabant, die Landgrafen von Thüringen, die Markgrafen von Meißen, die Pfalzgrafen bei Rhein, die Grafen von Flandern, von Geldern, von Jülich, von Holland, uam., welche „ihre Lehen“ ausschließlich vom deutschen König erhielten. Der Löwe läßt sich zurück führen auf Heinrich den Löwen, der 1166 vor seiner Burg Dankwarderode in Braunschweig das Löwenstandbild errichten ließ. Wie der Adler, der König der Lüfte und Symbol des Heiligen Römischen Reiches, so stand der Löwe, der König der Landtiere, für den Machtanspruch der deutschen Landesfürsten, als „gleichberechtigte Partner“ des deutschen Königs. Diesen Anspruch hat im XII. Jh niemand konsequenter vertreten als Heinrich der Löwe, selbst wenn er noch gar kein Wappen führte, da es zu seiner Zeit nicht üblich war. In seinem Siegel und auf Münzen findet sich allerdings der Löwe und seit der Zeit um 1200 taucht er schließlich im Wappen der Welfen auf, siehe bekannte Skulptur von der Grablege des Kloster Steingaden, heute im Bayerischen Nationalmuseum. Ein Adler im Wappen verweist auf den König oder das Reich, so findet er sich bei reichsunmittelbaren Städten, Vasallen oder Reichsministerialen. Klare Zeichen und prägnante Farbigkeit war üblich. Tiersymbole galten scheinbar als Vorrecht der Fürsten (Herzöge, Grafen und freie Herren). Ministeriale konnten mit geteilten Wappen Auszüge ihrer angestammten Wappen mit denen ihrer Dienstherren verbinden, verwendeten Pflanzenmuster oder geometrischen Formen, die auch bei Höherrangigen auftraten. Solche Muster sowie einfache Tier- und Sachsymbole fanden sich später in den „Bürgerwappen“, deren Ursprung in der Stadtministerialtät lag, dem Patriziat. Ein Beispiel für vertrackte Abhängigkeitsverhältnisse ausgedrückt in Wappen sei aus dem hessischen Raum angeführt durch den Schild des Vogts von Keseberg mit zwei silbernen laufenden „Leoparden“ [seitliche Ansichten von laufenden Raubkatzen waren heraldisch keine Löwen] auf schwarzem Grund, heute im UNI-Museum Marburg. Die von Keseberg (Caseberch) gehörten urspl. als nobiliores milites dem freien Adel an, mit Eigenbesitz im Ederabschnitt nordöstl. von Frankenberg an der wichtigen Fernhandelsstraße von Frankfurt nach Korbach, zur Weser und nach Bremen. Die edelfreien Herren hatten das Recht den Leoparden im Wappen zu wählen. Durch das Amt des Vogts (Schutzbeauftragter) mit entsprechendem Lehnseid wurden sie Vasallen der Grafen von Ziegenhain, die einen sechsstrahligen silbernen Stern auf schwarz-gelbem Grund führten, welcher 1371/72 eine Rolle im „Sternerbund“ spielen sollte und sich noch heute im hess. Landeswappen befindet. Die Ziegenhainer Grafen selbst waren Stiftsvögte der Abtei Fulda und agierten in dieser Rolle in der Fuldaer Fehde ab den 1265er Jahren gegen verschiedene aufständische Ministeriale mit Zerstörung ihrer Amtssitze/Burgen. Durch dynastische Heirat wechselte das Keseberger Lehen von den Ziegenhainern zu dem mächtigen ludowingischen Landgrafen von Thüringen und später an Hessen.[1]
{Entwicklung in Frankreich/England/Spanien zur möglichen weiteren Bearbeitung: In England und Frankreich im SMA gestärkte Zentralmacht mit einflußreichem Adel im Dienst des Herrschers ohne eigenständige Regierungsgewalt. In England verwendete der Hochadel, die nobility (peers), allgemein den Titel lord (Herr, Gebieter). Er hatte seinen Ursprung im altengl. hlaf-ord („Loaf ward“/Brot–Wart) „Brotgeber“ mit Aufsicht über Korn und Ernte. Die Rangstufen waren duke (Herzog), marquess (Markgraf), earl („der Alte“, altsächs. ealdormen = „Ältermänner“, Graf), viscount (Vize-comes), Baron, wobei letzter als ehem. Kronvasall mit den aufgestiegenen knights zum niederen Adel zählte, erkennbar am Titel „Sir“. Der esquire war ein Großgrundbesitzer, Landedelmann, vermutlich einem Freiherrn gleichgestellt. Der earl verweist mit early zugleich auf das Frühzeitige, Erste. Damit war jener nach duke und marquess ein Fürst, Vorderster. Frankreich kannte die Unterscheidung in Geburtsadel, Amts- und Briefadel mit den Rängen prince (Fürst), duc (Herzog), marquis (Markgraf), comte (Graf), vicomte (speziell in Frkrch bei großen Grafschaften, wie im Poitou, ein Stellvertreter-comes), Baron (Freiherr). Der hohe Herr war der monseigneur, der Junker (junger Herr) messire und chatelain der Kastellan (Burgverwalter). Auch hier entstand im XII. Jh ein Dienstadel aus aufgestiegenen Unfreien/Dienstmannen, analog zur Entwicklung im Reich. In Spanien zählten zum höheren Adel die Granden und Titualdos (Betitelten), unterhalb des Barons rangierte der niedere Adel, die Hidalgos.}
[Ausblick in die Zukunft: Es wäre wünschenswert, wenn sich die gesellschaftliche Entwicklung an demokratischen Idealen der griech Antike orientieren würde, die weitaus mehr beinhalteten, als in neuzeitlichen Revolutionen zur Beseitigung mittelalterlich feudaler Verhältnisse je umgesetzt werden konnten. Etabliert wurden lediglich Eliten-Systeme. Es wurden nirgendwo „Demokratien“ in Form einer Volksherrschaft geschaffen, sondern bewußt „Republiken“, nach röm Vorbild. Eine Volksherrschaft gab es in Rom nicht, genauso wenig wie eine echte „Gleichheit der Bürger“. Aber als Anhänger eines utopischen Weltbildes muß man natürlich fragen, warum soll nach Geburt der eine Mensch mehr gelten als der andere? Sicher sind uns „Gaben in die Wiege gelegt“, aber die Persönlichkeit gestalten Erziehung und Bildung, bevor wir eigenen Neigungen zu folgen vermögen. Führungspositionen müssen besetzt werden, keine Frage. Folgen wir den Gedanken ital. Humanisten der Renaissance, dann war das keineswegs die Aufgabe des Geburtsadels und damit eine Frage der Herkunft, sondern eine des Verdiensts. Diese Forderung besitzt nach wie vor Aktualität. Ämter sollten nach Fähigkeit und Verdienst besetzt werden und weniger nach Herkunft und gesellschaftlichem Vorrecht. Deshalb ist Bildung für alle unabdingbar und nicht nur ein Privileg für Minderheiten, die sich dann das Recht herausnehmen besondere Fähigkeiten zu besitzen und Schlüsselpositionen besetzen. Wenn wir die Historie feiern, und das tun wir im gewissen Sinne, dann sollten wir uns darüber bewußt sein, dass die Feudalherrschaft nur mit Kampf und Opfer unserer Vorfahren überwunden wurde und wir ihnen diesbezüglich viel zu verdanken haben. In Dtld war der Niedergang der Aristokratie ein schleichender Prozeß, der von wirtschaftlichem Abstieg begleitet war. Ein gesellschaftliches Rückzugsgebiet blieb dem Adel im XVIII./XIX. Jh im Militär- und Beamtendienst. Daraus resultierten manche Privilegien, die sich bis heute gehalten haben. Nach 1800 drang das wirtschaftlich prosperierende Bürgertum in die Ränge des unteren Offizierkorps, in der 2. Hälfte des XIX. Jhs auch in die höheren Ränge. In Preußen bildeten dazu die Reformen Scharnhorsts das Fundament in napoleonischer Zeit, denn man benötigte das „Volk in Waffen“ im Freiheitskampf gegen Napoleon. Das „Eindringen des Bürgertums“ in militärische Ressorts hatte im Mittelalter mit der Entwicklung spezieller Waffengattungen, wie der Artillerie, ihren Anfang genommen, wurde in der Neuzeit fortgeführt mit dem Ingenieur-, Pionier- oder Vermessungswesen und zeigte sich in der Wende zum XX. Jh auch in der Marine. „Technische Berufe und ebensolche Offiziersstellen“ wurden zur Domäne des Bürgertums. Nach der militärischen Emanzipation folgte erst spät die immer wieder geforderte politische, von der herrschenden Schicht lange Zeit versprochen, aber hinaus gezögert, wobei in Dtld die Verbürgerlichung des Militärs eine Militarisierung des Bürgertums, vor allem ab Reichsgründung von 1871, nach sich zog. Uniform verlieh soziale Anerkennung. Anfang der 1870er Jahre war bereits ein Drittel der preuß. Generalstabsoffiziere bürgerlicher Abkunft, in den 1890ern die Hälfte. Das brachte allerdings keinen „frischen Wind in das verknöcherte System“, sondern bewirkte eher eine Feudalisierung der Bürgeroffiziere. Im Truppendienst waren 1913 rund 70 Prozent der Offiziere Bürgerliche [u.a. nach W. Görlitz, Kl. Geschichte des dt Generalstabes 1977]. Mit dem Anwachsen des Kapitals gewann das gehobene Industrie- und Finanzbürgertum an Macht im ständigen Kampf der Ideen zwischen einem staatlich gelenkten oder liberalem Wirtschaftssystem. Die neuen Produktionsweisen forderten das städtische Proletariat, das zu einer politischen Größe und, neben Adel und Bürgertum, zur neuen dritten Kraft im Staat wurde, nachdem der Klerus sich zurückzog. Die herrschende Schicht sah sich nun zugleich mit den Kräften des liberalen Kapitalismus und des fortschrittlichen Sozialismus konfrontiert, bis die verheerenden Kriege des XX. Jhs große gesellschaftliche Umwälzungen brachten. Sie haben dem gehobenen Bürgertum keineswegs nur geschadet, denn mit bewaffneten Konflikten ist viel Geld zu verdienen. Das elitäre Offizierskorps, der adeligen Gegenpart, der gebunden war an den Souverän, verschwand mit jenem. Die Rolle im Beamtenapparat wird nun von Funktionären übernommen. Doch wie die meisten Politiker sind sie Interessenvertreter [mit berechtigter Frage: wessen Interesse?] und agieren auf Zeit. Es wird für „medialen Rummel“ gesorgt, die eigentlichen Entscheidungsträger sitzen aber woanders, beherrschen die Kapital- und Finanzmärkte und haben „einen längeren Atem“. Deshalb wird privaten Institutionen wohl die Zukunft gehören. Jene vererben mit anwachsendem Eigentum ihre geistige Grundhaltung an den Nachwuchs und diese „neuen Eliten“ werden alles dafür tun ihre Macht zu behalten. Aus der Mittelschicht steht zahlungskräftigen Familien heute mehr Bildung denn je zur Verfügung, für gesellschaftliche Karrieren unabdingbar, als Funktionäre und Politiker brauchbar. Sie werden also im begrenzten Maß benötigt. Schwindet diese Schicht, lassen sich „lästige Verfolger“ ausschalten. Die breite Masse war bislang zufrieden und schicklich, profitierte von der wirtschaftlichen Entwicklung, eingelullt in Konsum- und Technikwahn, ein paar fallen wie immer durch das Rost, wobei die Maschen weiter werden, und ein paar „Nörgler“ wird es auch immer geben. Das System wird funktionieren, solange Angehörige der Eliten, meist wirtschaftlich oder im Finanzgeschäft tätig, auf Beherrschte, Abhängige, die „Konsumenten“ angewiesen sind. Man muß jenen nur klar machen was die „richtigen Produkte“ sind. Aber das schafft man im Post-Zeitalter von Edward Bernays (PR = public relations, siehe ARTE-Beitrag 2017) und der Propaganda mit den Mitteln der Digitalisierung spielend. Allgemeiner Konsumverzicht wäre der Kollaps. Unser Leben heutzutage hat sich weit von dem der letzten Jahrhunderte entfernt. Wir haben im Rahmen der politischen Handlungsfähigkeit durchaus Gewinne erzielt an persönlichen Rechten und Freiheiten, an Vorstellungen über einen verantwortungsvollen Umgang miteinander und sollten uns dies immer wieder vergegenwärtigen, bevor wir beginnen diese Errungenschaften, die in der Historie keineswegs selbstverständlich sind und die nur wenige Generationen genossen haben, Stück für Stück wieder abzugeben !! Es muss unter allen Umständen verhindert werden, dass die anstehende Wirtschaftskrise die Buntheit und Vielfalt unserer Gesellschaft austrocknet, die vielen unterschiedlichen Lebenskonzepte, die jenseits des Althergebrachten liegen und das Leben wirklich lebenswert machen...siehe auch Ausblick in die Neuzeit. Wikipedia („Adel“/24.05.2018): Selbst gestellte Aufgaben des europäischen Adels mit dem Ehrenkodex nach der Resolution von Porto vom 02.09.1989, Nr. 3 - Gesellschaftliche Werte: „...Verantwortung zu übernehmen und uneigennützig zu dienen, Berufung zur Verantwortung, zur Führung zum Wohl aller und nicht um der eigenen Vorteile willen, Aufrechterhaltung des Geistes des Dienens, Erwerb von Sprachkenntnissen, Profession statt Mittelmäßigkeit, Pflege der Haltung, die sich nicht an unmittelbarem Profit und an Macht orientiert, sondern am Nutzen für die Gesellschaft, Verantwortung aus der Geschichte, Unternehmergeist und Mut zur Opferbereitschaft, aktive Teilnahme am Aufbau Europas, Bürgersinn und gemeinwohlorientiertes Handeln, Sorge um das Wohlergehen anderer, insbesondere Schwächerer, Wahrung der Höflichkeit und entsprechender Umgangsformen, Verwurzelung in der örtlichen Gemeinde, Verbundenheit mit Grund und Boden, Heimatsinn und berechtigter Nationalstolz, Schutz der Umwelt, Bewahrung der natürlichen Ressourcen sowie Anerkennung der positiven Rolle des Humors in der Gesellschaft, Vorbild sein.“]
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Exkurs 3: Hundertschaft / Gefolgschaft / Lehen-Panzerreiter / Ministeriale / (Oswald von Wolkenstein) Die Begriffe wurden teilweise erst im XIX. Jh künstlich gebildet wie das Wort „Gefolgschaft“, abgeleitet von „Gefolge“ - als Übersetzung von comitatus - u.a. von Delbrück, Geschichte der Kriegskunst, Bd II 1901, ohne politische Hintergründe verwendet, heutzutage eher „verbal kontaminiertes Gelände“. Denn die NS-Zeit instrumentalisierte die Vergangenheit und „lud auf“, wenn man bsplw von „Betriebsführern“ mit der „Gefolgschaft von Arbeitern und Angestellten“ sprach [Gesetz zur Ordnung der nationalen Arbeit von 20. Jan 1934]. Interessant ist das Vorwort von U. Raulff zur Delbrück-Neuausgabe von 2000, bzw zum Nachdruck 2008, mit dem Hinweis zur „Wehr- oder Heeresverfassung“ als Staatsverfassung, die ein Licht werfe auf Rüstung und Rekrutierung, Kampfweise und Stellung der Soldaten einer Gesellschaft, in der Waffenträger eine wichtige Rolle spielen, wie wir es für das Mittelalter voraus setzen. Dieser Gedanke soll aufgegriffen werden, um mögliche Details zur Ausrüstung innerhalb des sozialen Gefüges heraus zu arbeiten. Kurz gerafft vollzogen sich im Übergang Spätantike zum MA folgende Prozesse: Statische und regional geprägte Sippenverbände, welche bestimmende Dominanten in frühen Gesellschaftsstrukturen waren, befanden sich zur Zeit der Völkerwanderung in Umstrukturierung zugunsten polyethnischer und vielleicht eher zufälliger Zweckgemeinschaften von heterogenen wandernden Gruppen. Gefolgschaften errangen höheren Stellenwert mit klarer Kommandostruktur, die das Überleben in schwierigen Zeiten sichern sollten. Schließlich ging es nicht nur um Beute, sondern auch darum eine Organisationsform zu schaffen, welche die Ernährung großer wandernder Gruppen gewährleistete. Die „Sippe“ bestand weiterhin in den Rechtssystemen, so konnte die Verpflichtung zur Blutrache von Sippengenossen auf Gefolgschaftsangehörige übergehen, wie H. Wolfram anmerkt [Erben des Imperiums in Nordafrika. Das Königreich der Vandalen“, S. 20]. In der Konsolidierungsphase mit Neubesiedlung West- und Südeuropas musste die einheimische Bevölkerung in das Gesellschaftssystem integriert werden mit Anpassungsprozessen von beiden Seiten, es galt also Menschen und Räume unter Kontrolle zu halten. Dazu diente eine Auswahl von Befugten durch die Herrschenden. Das Gefolgschaftswesen bekam eine statisch regional gebundene Ausdrucksform in der Grundherrschaft mit der Vergabe von Lehen. Das Gefolge war durch Treueschwüre gebunden, damit schuf die Landleihe von Grund und Boden grundsätzlich Unfreiheit, aber zugleich auch Macht, denn der Nehmer war ja Nutznießer der regionalen wirtschaftlichen Leistungen, Pirenne spricht von „Domänen“. Die Herrscher vermochten nicht dauerhaft ihre Positionen jenen gegenüber zu behaupten, so dass eine machtvolle Gesellschaftsschicht von Grundeignern, bzw Fürsten entstand, welche vor allem im Westfrankenreich Recht nach Gutdünken schufen und Lehen in der Familie weiter vererbten. Die Schwäche des frz Königtums konnte erst im geeinten Kampf gegen Gegner, wie das Hs Plantagenet oder die engl-welf. Koalition (Bouvines 1214), überwunden werden. Im Ostfrankenreich war die Magyaren-Abwehr bereits im X. Jh der einigende Faktor. Das Königtum verspielte hier seine Macht allerdings unter den Saliern und Staufern im Kampf mit dem Papsttum, da die Fürsten glaubten nun die Verantwortung für das Reich zukünftig übernehmen zu müssen. Für detaillierte Betrachtungen wird etwas weiter ausgeholt, Prozesse betrachtend, die sich seit Jahrtausenden in der Menschheitsgeschichte abgespielt und erheblich tiefere Wurzeln geschlagen haben als unsere neuzeitliche Lebensform seit wenigen Jahrhunderten. Dabei bildeten sich Mechanismen aus, die unser Verhalten unterbewußt noch heute stark beeinflußen. Es gibt eine Menge Gründe warum Menschen soziale Bindungen in Gemeinschaften anstreben und sich freiwillig in Abhängigkeitsverhältnisse begeben. Vorrangig wird das Stillen individueller körperlicher Grundbedürfnisse erleichtert, um das Überleben zu sichern, zugleich bedeutet die Zusammenführung aber auch eine Steigerung von Aggressionen („Futterneid“). Da auch die Tierwelt solche Verhaltensmuster zeigt, ist es ein Relikt des Evolutionsprozesses. Zur Entwicklung der Persönlichkeit und bei Interaktionen sind psychische Grundmotivatoren erkennbar, wie Anerkennung, Zuneigung, Macht, Unterwerfung, uvam. Den Schlüsselfaktor im Unterschied von Mensch und Tier erkannte bereits der Böotier Hesiod, Zeitgenosse Homers im VIII. JhvC: „...während er (Zeus) den Menschen Recht verlieh, das höchste Gut unter allen.“ Rechtsbewußtsein wurde zur Voraussetzung menschlichen Zusammenlebens und fungiert, gepaart mit der Religion, bis heute als soziales Regelwerk. Solch frühen schriftlichen Zeugnissen mediterraner Gesellschaftsformen der Eisenzeit stehen in West- und Mitteleuropa ausschließlich archäologische Quellen gegenüber. Aber es ist wohl statthaft Verhältnisse der Ägäis in den griech. „Dark Ages“, also nach Untergang der bronzezeitlichen mykenischen Kultur, im begrenzten Maß auf unseren Raum zu übertragen. Denn es wirkten ähnliche Mechanismen menschlichen Verhaltens. Seit der Bronzezeit werden wir durch Verteilungskämpfe im Zugriff auf Rohstoffe mit regionalen Zentralisierungsprozessen und einer stärkeren vertikalen Differenzierung der Gesellschaft zu rechnen haben. Zum Aufschlüsseln des sozialen Gefüges bringt es C. Hattler auf den Punkt siehe, Kleine Gaben erhalten die Freundschaft [in: Zeit der Helden. Die dunklen Jahrhunderte Griechenlands 1200-700vC, S. 122f.]. Hattler zitiert dazu ein Beispiel aus Homers „Ilias“, um die Bedeutung des Geschenks, des „Ehrgeschenks“, bzw des Gabentauschs zu verdeutlichen. Geschenke binden Geber und Nehmer! Die Gabe ist sichtbares Zeichen dieses Bundes und hat Vertragscharakter (keine Unterschrift), der auch die Nachkommen bindet! Wertvolle Geschenke können, müssen vielleicht sogar, über Generationen weitergereicht und gehortet werden. Eine Gabe erfordert meist eine äquivalente Gegengabe unter Gleichrangigen oder es erwächst aus ihr eine Verpflichtung bei einem asymmetrischen sozialen Verhältnis. Von einem Untergebenen wird durch die Annahme Loyalität erwartet. Schenken verleiht Macht! Hattler: „Gaben sind der Kitt sozialer und politischer Beziehungen in vormodernen Gesellschaften.“ Geschenke können auch in umgekehrter Richtung als eine Form des Tributs verstanden werden. Der Geber bekundet durch sein Geschenk die Loyalität zum Herren. Die Darbringung durch Materialdeponierung in einem rituellen Bezirk, im Boden oder in Gewässern, vermag in der Vorstellung dieser Zeit auch Gottheiten zu besänftigen, von denen dann eine Gegenleistung erwartet wurde. Bevor der Aspekt der Bindung durch Verpflichtung in der Gefolgschaft weiter vertieft wird, sei der Sprung in unseren geografischen Raum anhand von konkreten Begriffen zunächst mit der „Hundertschaft“, wie sie in den Schriftquellen mit der Berührung von Germanen und Römern fassbar wird, vollzogen. Die Hundertschaft bezeichnet einen militärischen Verband, abgeleitet von der röm centurie, mit ihrem Ursprung in der röm Verfassung und den Schätzklassen, dem census, nach dem röm Bürger in der Königszeit und frühen Republik die vermögensabhängige Ausstattung zum Kriegsdienst beisteuern mussten. Gab es zu Beginn in Rom noch die Einteilung nach tribus (Stamm), verlor sich diese Zusammensetzung im Lauf der Zeit mit der republikanischen Armee. Bis in die kaiserzeitliche Berufsarmee hatte die Centurie eine Sollstärke von 80 Mann Kampftruppe und 20 Mann für Versorgung und Verwaltung. Im Gegensatz dazu waren im Germanischen bei den Verbänden nach dem „Sippenmodell“ familiäre Bindungen von Bedeutung, somit ist der Begriff der „Hundertschaft“ nur im übertragenen Sinne durch röm Autoren in Beschreibung germanischer Verhältnisse als Analogie verwendet worden und in dieser Frühphase wohl weniger an tatsächliche Mannstärken gebunden. Mit dem Dienst im röm Heer und zu Zeiten der Völkerwanderung war die Übernahme römischer Gliederung auch bei Germanen zu beobachten. Da für Nord- und Mitteleuropa schriftliche Eigenaussagen fehlen, sei eine Quelle aus dem östlichen Mittelmeerraum des V. JhsvC angeführt. Das Alte Testament erwähnt mit Nehemia 4, 7 eine jüdische Heeresorganisation nach Familienverbänden geordnet, bewaffnet mit Schwertern, Lanzen und Bögen. Nehemia hielt gegenüber Sippenältesten und führenden Männern eine aufmunternde Ansprache. Für unsere Breiten ist der Römer Tacitus die maßgebliche Quelle. Er übertrug die Anzahl von „einhundert Männern“ in unterschiedlichen Zusammenhängen auf Bestandteile der germanischen Schlachtordnung, die ansonsten nach Sippen und Geschlechtern gegliedert war. Jeder pagus (Gau) stellte einhundert auserwählte junge Männer, die in Kombination mit Reitern, ähnlich wie griech ekdromoi, behende vor den eigenen Linien agieren sollten, ehrenhaft war es dieser Auswahl anzugehören [„Germania“ Kap 6]. Tacitus ist allerdings mit Vorsicht zu geniessen. Denn er entwirft ein Gegenbild zur röm Zivilisation, mit ihrer bis dahin über 800jährigen Geschichte, indem er bewusst ein für Rom gefährliches Volk auf eine verhältnismäßig primitive Entwicklungsstufe jenseits der Alpen setzt. Dazu schildert er eine waffenstarrende barbarische Gesellschaft mit unkontrolliertem Aggressionspotential, das durch kein staatliches Gewaltmonopol kontrolliert wird. Eine latente Gefahr für Roms Grenzen! Es wird darüber spekuliert, inwieweit dahinter Kritik an der kaiserlichen Politik zu Beginn des II. JhsAD zu sehen ist, mit der Forderung die alten augusteisch-tiberischen Angriffskriege wieder aufzunehmen, welche eingestellt wurden, da Aufwand und Nutzen die röm Grenzen bis zur Elbe vorzutreiben, in keinem Verhältnis mehr standen. Tacitus hob bei Germanen als Besonderheit zentrale Kultorte, Kultgemeinschaften und „genossenschaftlich genutzte Böden ohne Privateigentum“ hervor. Zu letzterem hielt er sich hier an seinen Gewährsmann Caesar, der Sueben in einer Sondersituation beschrieb, was nicht auf alle Germanen verallgemeinert werden sollte. Hinter den Kultgemeinschaften mag eine gens (Völkerschaft) gestanden haben mit regionaler Teilung in verschiedene pagi (= Gaue, Feld-/Flurbezirke als fester Siedelraum, wir nutzen heute noch Begriffe wie „Rhein- oder Maingau“), beherrscht von Edelingen, Adelige mit langer Ahnenreihe. Wahrscheinlich waren die Bezeichnungen „Bataver, Chamaver, Tubanten, Chauken, Usipeter, Brukterer, usw“ auf diese Ahnen zurück zu führen und keine politische Formierung, wie die spätantiken Großverbände „Franken, Alamannen, etc“, dem wir eine ethnische Zuordnung beimessen. Lange Zeit war eine Gesellschaftsordnung im Familienverband (Sippe oder Clan) mit einem ausgeprägten Gruppenbewußtsein dominant. Intern gab es Regeln bezüglich Ahnenverehrung und Kult, Ehe, Rechtsprechung, Führung, Kriegsdienst, Landbesitz, Wirtschaftsform und vielen anderen Dingen mehr, die später auf übergeordneter Ebene der Staat übernehmen sollte. Den Sippenältesten kam besondere Bedeutung zu. Der „Hunno“ war Herr über eine Anzahl von Familien in dörflichen Gemeinschaften, deren Überleben er zu sichern hatte. Er sorgte durch sein Alter und die damit verbundene Erfahrung für seine Schützlinge, dazu lag ihm die Befehlsgewalt in Form einer natürlichen Autorität und wohl auch eine Richterfunktion inne. Im Verlauf des Mittelalters blieb dieses Amt als „Dorfschulze“ erhalten. Für den Kriegszug in Notzeiten sammelte ein Hunno die in seinen Zuständigkeitsbereich fallenden Männer und führte sein Kontingent im Heerbann (harja= Heer) dem Fürsten oder gewählten Heerführer dux („Herzog“) aus dem Kreis der nobilites/Edelinge zu, die ihre Herkunft und Stellung aus dem Ahnengeschlecht legitimierten [Delbrück]. Wobei Tacitus, Kap. 7, anführt, dass Heerführer nach der Tapferkeit und reges (Könige) nach Maßgabe des Adels gewählt wurden. Der „Königs“-Begriff (thiudans) ist nicht eindeutig klar, da Römer die germanischen Herrscher oft lediglich „Richter“ (lat iudex) nannten. In röm Ohren mag das „thiudans“ wie „iudex“ geklungen haben, so dass die Römer die Hierarchie der Germanen sicher nur schwer deuten konnten. Tacitus nennt darüber hinaus principes, die „Ersten“, welche in der Volksversammlung gewählt wurden, um in den Dörfern und Gauen Recht zu sprechen. Jedem von ihnen stand ein Geleit (Gefolge) von einhundert Mann als Rat (comites consilium) und zu größerem Ansehen zu [„Germania“ Kap 12]. Ob „Hundertschaftsführer“ mit den obigen Sippenältesten identisch waren, bleibt dahin gestellt, auch eine mögliche Erblichkeit des Amtes. Zumindest hatte der princeps, in den Quellen auch mit „Gefolgsherr“ übersetzt [Tac, Germ Kap 13] einen gehobenen Status, der über Freie gebot. In romanischen Gebieten fand sich nach der Landnahme der Völkerwanderung weniger der Hundertschaftsführer (centenarius), sondern eher der vicarius, als weisungsgebundener Amtmann des Grafen [Delbrück, Bd II Die Germanen 1. Buch, 1. Kap]. Da dieses System lange Zeit ohne schriftliche Fixierung von Titeln und Rechten funktionieren musste, waren moralische Konvention und an Ehrbegriffe gebundene Traditionen von übergeordneter Bedeutung. Jegliches Recht hatte unabdingbar einen personalen Bezug, da es keine unpersönliche Instanz gab, die „Staatsgewalt“ verkörperte und hinzu immer eine stark religiös legitimierte Komponente, wenn es galt die „göttliche Ordnung“ wieder herzustellen. Lange Zeit bot die Sippenbindung den Zusammenhalt gemeinsamer Lebensführung und durch das daran gebundene Rechtssystem in Kriegszeiten ein Mindestmaß an Disziplin. Die Verbände waren ungleich groß und davon abhängig wohl auch der Einfluß seiner militärischen Anführer. Taktische Körper und ein Exerzieren waren vermutlich unbekannt, sieht man von Waffenübungen der Jugend sowie Beutezüge und Sippenfehden ab. Eine weitergehende militärische Gliederung übernahmen wandernde germanische Völker erst nach intensiven Kontakten mit den Römern. Nach Delbrück führten die Goten spätestens nach dem Sieg von Adrianopel 378 AD eine militärische Gliederung nach röm Muster ein, anstatt der bisherigen familiären Verbandsgliederung. Eine Anzahl Hundertschaften geführt von den hunni, röm centenarii, eingeteilt in Zehnerschaften unter einem dekani, wurde zu einer Tausendschaft unter dem thiuphad, röm millenarius oder griech chiliarchen zusammen gefasst, später gab es auch Fünfhundertschaften. Diese Einteilung war eindeutig röm/griech Ursprungs und wurde in ähnlicher Form auch von Vandalen übernommen, allerdings behauptet Prokop [Vandalenkrieg III, 5], vermutlich zu Recht, dass Geiserich 80 chiliarchen ernannte, nur um eine hohe Mannschaftsstärke vorzutäuschen. Die barbarische militärische Gliederung wird sich in der Wanderphase von der römischen unterschieden haben durch die Mitführung der Angehörigen und des Gesindes, die ernährt werden mussten. Somit können sie zugleich als wirtschaftliche Einheiten angesehen werden. Delbrück [II, 2. Buch, 5. Kap] vermutet, dass der gemeinschaftliche Besitz von Vieh, Wagen, Vorräten und Waffen eng an bestimmte Einheiten gebunden war und räumt hier der Hundertschaft als überschaubare Größenordnung einen besonderen Stellenwert ein, die später in den „Kompagnien“ seit dem SMA wieder auflebten. Den barbarischen Formen wird man eine hohe Wandelbarkeit durch ethnische Vielfalt der zweckgebunden Interessengemeinschaften zusprechen müssen, denn die langen Wanderungen waren für Mensch und Vieh sehr verlustreich. Es gab keine Intendantur und geregelte Versorgung. Das machte die barbarischen Züge anfällig und zwang sie dazu Organisationsformen zur Verteilung von Beute, Fourage und Lebensmitteln zu finden. Mit der dauerhaften Ansiedlung beiderseits der Pyrenäen ging das System bei den Westgoten zugunsten von regionalen Rekrutierungen, durch duces in Provinzen oder comites in den Grafschaften, verloren. Es war nun schwieriger ein Heeresaufgebot zusammen zu bringen, was auf den Schultern dieser regionalen Führungsschicht lastete, weniger auf familiären Bindungen und nicht mehr auf festen Einheitsgrößen, sondern vielmehr auf Abhängigkeitsverhältnissen beruhend, sozusagen „erzwungene Gefolgschaften in der Grundherrschaft“. Das wird wohl alle Völker gleich getroffen haben, die aus der Wanderung in die Siedelphase übergingen. Wer diese Umstellung länger überwunden und neue Strukturen ausbilden konnte, genoß Vorteile, wie Alamannen oder Franken. Es bestanden allerdings regionale Unterschiede in der Art und Weise wie der Heerbann sich zusammen setzte. Während für Goten lange Zeit eine strikte Trennung zwischen Romanen und Germanen bezeugt ist, wobei nur letztere Waffen tragen durften und im Fall eines Verbots der zivilen Betätigung das Berufskriegertum unausweichlich war, so galt das für Franken nicht. Durch ihre integrierende Gesellschaftsform wurden neben den grundbesitzenden Freien, Halbfreie und wohl im begrenzten Maß auch Unfreie (z.B. Fuhrknechte im Gefolge der Optimaten, selbst Kirchenfürsten stellten Kontingente) und sogar Romanen als Halbfreie zum Kriegsdienst heran gezogen. In der ältesten vorliegenden Fassung der Lex Salica werden Provinzialrömer nämlich als Untertanen, und keineswegs als Sklaven oder Unterworfene, bezeichnet. Spätestens unter Chlodwigs Nachfolgern dienten sie im fränk. Heer, waren Mitglieder von Zeltgemeinschaften im Feldheer. Sicher beruhte ein Teil des Erfolgs der Franken auf der zahlenmässigen Überlegenheit des Heerbanns gegenüber kleineren Aufgeboten ihrer Gegner mit der Grundhaltung einer elitären Kriegerschaft, auch wenn jene im Einzelfall in Fragen der Ausrüstung und Ausbildung, vielleicht auch bzgl der Motivation, qualitativ höher bewertet werden dürften. Wir erkennen eine „fränk. Wehrpflicht“, was den Berufskriegerstand allerdings nicht ausscheidet, vermutlich auch dringend nötig macht um eine „Korsettstange“ im militärischen Gefüge zu bilden. Vor allem persönliche Gefolgschaften werden als Leibwachen Berufskrieger gewesen sein. Die Romanen sorgten auf jeden Fall nicht für eine qualitative Aufwertung des fränk. Heeres, wenn das STRATEGIKON Anfang des VII. Jhs über Franken und Langobarden urteilte: „Sie stellen sich im Kampf zu Fuß oder zu Pferd in keinem bestimmten Maß und keiner bestimmten Ordnung auf, ..., sondern nach Stämmen, der Verwandtschaft und der Zuneigung... Sie machen eine gleichmäßige und dichte Front ihrer Schlachtaufstellung im Kampf...Sie sind ihren Anführern ungehorsam und sorglos...“ In der spätantiken röm Kaiserzeit (RKZ) war die germanische Gesellschaft geschieden in Freie und Unfreie. Wobei letztere weisungs- und abgabegebunden eigene Höfe bewirtschafteten, wie mittelalterliche Hörige, Tacitus spricht von „Kolonen“ [„Germania“ Kap 25]. Die unterste Stufe bildete das Hausgesinde mit Leibeigenen und Knechten als Sklaven. Sie galten als rechtlich unfrei und konnten hinzu wie eine Sache angesehen und behandelt werden, dazu zählte die Bestrafung, Veräußerung, oder ähnliches, was aber nach Tacitus selten vorkam. Der Totschlag eines Sklaven wurde nicht geahndet. Freigelassene sollen nur wenig über den Sklaven gestanden haben. Die Franken haben das röm System der Freien, Unfreien und Sklaven problemlos in ihre Gesellschaft übernehmen können, ohne dass es sich zur antiken „Sklavenhaltergesellschaft“ wandelte. Die Römer hatten Sklaven für niedere Verrichtungen mit Muskelkraft in Landwirtschaft, Gewerbe und Transport eingesetzt, beschäftigten sie aber auch als Schreiber, Ärzte, Architekten, Künstler, Erzieher, Leiter von Unternehmen, uvam in den gehobenen Tätigkeitsbereichen. Ehemalig Freie konnten durch Überschuldung in die „Sklavenfalle“ rutschen, als Kompensation für die Gläubiger, was im Laufe der röm Geschichte, vor allem in der Landwirtschaft, unzählige Male geschah, siehe z.B. die Gründe für die „Gracchischen Reformen“ in der Republik im II. JhvC nach den langen Kriegen, welche die Bauernschaft, das Gros des röm Milizheeres stellend, in den Ruin getrieben hatte...ähnliche Vorgänge wiederholten sich später im fränkisch-merowingischen Reich durch die ewigen Feldzüge der Franken. Im ehemaligen Heerbann war noch jeder Grundbesitzer und Freie mit Waffenrecht in der Miliz dienstverpflichtet. Das bedingte die Abwesenheit von der Hofstelle für eine geraume Zeit. Karl d Gr versuchte dem abzuhelfen, indem er jeweils eine Anzahl Hufe zu einer Wehrgemeinschaft fügte und nur einen Besitzer abwechselnd zum Kriegsdienst nötigte. Es gab die Möglichkeit einen Ersatzmann zu stellen, was aber nur Großgrundeigner zu leisten vermochten, die sich ein Privatgefolge leisteten, so dass kleine Hofstellen in deren Abhängigkeit gerieten, wenn sie die Ersatzmannregelung durch jenen Grundbesitzer trafen, aus Freien wurden Halbfreie. Sie konnten über ihr Eigentum nicht mehr nach eigenem Gutdünken verfügen. Die Anzahl freier Bauernstellen schwand durch das grösser werdende System der Abhängigkeiten und Konzentrierung auf Großgrundeigner und nährten ein Berufskriegertum. Durch bessere Ausrüstung und ständige Waffenübung war jenes mit einem hohen Grad der Professionalisierung sehr effektiv und das nicht zum Schaden des Herrschers, also gab es keinen Grund auf diese Prozesse steuernd einzuwirken, im Detail siehe Heeresverfassung und Gesellschaftsstruktur vom FMA zum HMA Grundeigentum ist bis heute von entscheidender Bedeutung! Je grösser die Fläche, desto mächtiger war damals persönliches und Klientel-Gefolge, denn es wuchs die militärische Schlagkraft, desto höher war die Anzahl unfreier Höriger, als Basis wirtschaftlicher Macht und nicht zuletzt wuchs auch die Schar der Handwerker, die sich an grossen Höfen sammelten, das brachte hohe Qualität von Ausrüstung und Repräsentationserzeugnissen mit sich. Die wirtschaftliche und rechtliche Stellung von Grund und Boden mag nicht weiter als notwendig vertieft werden, Verpachtung, Beleihung oder Verleihung ist obligatorisch. Problematisch sollte die Vererbbarkeit der Verleihung werden, seit 1037 durch Edikt (constitutio de feudis) Konrads II. möglich, die nicht immer schriftlich fixiert worden war, denn nach einer Phase hoher Schriftlichkeit zur Zeit der Karolinger fehlen z.B. für das X. und XI. Jh Dokumente. Eigentumswechsel wurden oft fingiert, vor allem von Klerikalen, denn sie waren mit der streng reglementierten Abfassung von Urkunden vertraut. Durch monetare Grundstrukturen begann sich im SMA die Bauernschaft frei zu kaufen, nun keine Hörigen mehr, sondern Pächter. In einem Geflecht gegenseitiger Abhängigkeiten verlief die Entwicklung der europäischen Gesellschaft bis zur Französischen Revolution und in Dtld bis zur Säkularisierung, Auflösung der Grundherrschaft und Bauernbefreiung, Vorgänge mit denen manche Forscher, bzgl. der sozialen Komponente, das Mittelalter um 1800 enden lassen. Die Aufklärung brachte die Säkularisierung des Geistes und verdrängte das Religiöse als Fundament der bisherigen Ordnung [Bosl]. Herzog Harold und Gastgebender Graf samt Gefolge im südengl. Bosham – „der Wind zum Auslaufen steht günstig, Herr“ ...] Mit der Zerfall des röm Staatsheeres seit Mitte des V. Jhs war es üblich, dass sich röm Provinzkommandeure und Feldherrn, ebenso germanische „Warlords“ oder die großen röm Grundbesitzer und selbst Kirchenfürsten ein persönliches Gefolge, den „comitatus“, oder die buccellarii („Brotleute“ von bucella = Zwieback, haltbares Brot) als Haustruppe oder Leibwache, aus eigener Tasche finanziert, hielten. Bei den Feldzügen des oström Feldherrn Belisar in der ersten Hälfte des VI. Jhs gegen Sassaniden, Vandalen und Ostgoten leisteten seine Bucellarier von mehreren tausend Mann Erstaunliches. Es war vor allem dieser Truppe zu verdanken, die man wohl als „Garde“ bezeichnen kann, in erfolgreichen Operationen das Vandalenheer geschlagen und gegen die Ostgoten schnelle Erfolge in der Eroberung von Neapel und Rom erzielt zu haben, welche der Besetzung großer Teile Italiens voran ging. Auf germanischer Seite war nach dem Gesetz des Westgotenkönigs Eurich der Bucellarius ein freier Mann und konnte sich den Herrn wählen. Er erhielt Besoldung, Verpflegung und die Ausrüstung, aber kein Land. Bei einem Wechsel musste er die Ausrüstung seines bisherigen Brotgebers an diesen zurück geben, es waren also Leihgaben [Delbrück, Bd II Die Germanen IV. Buch, 1. Kap]. Das Gefolgschaftsmodell ist vermutlich sehr alt und verweist auf bronzezeitliche Gesellschaftsformen, mit deutlich hierarchischen Strukturen. Auf jeden Fall ersetzte es in der Völkerwanderungszeit auf röm Territorium die alten gewohnten Sippenstrukturen und Familienverbände durch inhomogene Einheiten, gebunden durch Eid und persönliche Abhängigkeit, statt einer unpersönlichen Rang- und Befehlshierarchie der röm Armee. Diverse nordeuropäische Mooropferfunden des III.-IV. JhAD mit zahlreichen Ausrüstungs- und Waffenteilen, zumeist seegestützter „raids“ aus Südskandinavien auf die jütische Küste, vermitteln eine hohe Professionalität und wirken nicht wie Hinterlassenschaften einer Invasionsarmee im allgemeinen Heerbann. Gefolgschaftsanhänger begaben sich freiwillig in den Haushalt eines Herren ohne ethnische Zuordnungen und waren mit regelmässigen Zuwendungen, Donativen oder Stellung der Ausrüstung als Berufskrieger vermutlich besser bewaffnet, als der freie germanische Grundbesitzer zur frühen röm Kaiserzeit. Bei jenem, der die Masse des allgemeinen Heeresaufgebots (heriban) in Notzeiten stellen musste, kann wohl oft nicht mehr als Schild, Lanze oder Bogen vorausgesetzt werden. Jahrhunderte später hatten gemäß den Schätzklassen der langobard. Heerschildordnung des Aistulf (749-756), Gegner des neuen fränk. Königs Pippin dJ, Vater Karls (d Gr), einfach Begüterte und Händler mit Pferd, Lanze und Schild anzutreten und reiche Grundbesitzer und vermögende Händler gepanzert und beritten. Im VIII. Jh hatte der Berittene einen hohen Stellenwert erreicht. Auf die Gefolgschaft geht bereits Tacitus in „Germania“ Kap 13-14 detailliert ein. Er benutzt den Begriff „comitatus“, der von ihm bewußt instrumentalisiert wurde als gesellschaftliches Erklärungsmuster, warum militante Gruppen unter zu Erfolg verdammter Führung mit unkontrollierter Gewalt dazu neigten, durch Raubzüge Roms Grenzen zu bedrohen. Gefolgschaften sind selbstverständlich nicht auf Germanen zu beschränken, sondern existieren bis heute in allen Kulturen als eine bestimmte Form gesellschaftlicher Struktur. Jeder Freie mochte sich temporär an bestimmte Unternehmungen gebunden zur Verfügung stellen, auf entsprechende Entlohung hoffend. Das Gefolge erwartete für seine Leistung, welche unter Einsatz des Lebens vollbracht wurde, materielle Zuwendung, Absicherung und Schutz. Tacitus nennt speziell Verpflegung, Waffen und Streitroß, demnach wäre eine germanische Gefolgschaft beritten [Kap 14], auch das Gefolge Herzog Harolds im XI. Jh auf dem „Teppich von Bayeux“ waren milites equitant. Die Führer/Herren waren zu Erfolg und Einkommen verpflichtet, um ihre Position zu sichern! Nicht selten ließ sich der hohe Standard nur durch Expansion und kriegerische ruhmreiche Aktionen halten. Hattler (s.o.) überspitzt korrekt und nennt dies „Beschaffungskriminalität“ nach unserer heutigen Rechtsauffassung. Das „Gefolge“ bestand im engen Kern aus der schwer bewaffneten „Haustruppe“ (milites casati), der Leibwache, die sich um den Hausherrn scharte, von scara, auch eine „handvoll“ domesticorum militari manu aus altgedienten „Kämpen“, welche ihre Erfahrung an nachrückende junge Männer (iuvenes) weiter gaben. Eine solche Rangfolge wird bei Tacitus bereits angedeutet. Herrscher bevorzugten nicht selten eine fremdsprachige Leibwache nach röm Muster, um Infiltration zu vermeiden. Die Gefolgschaft mochte eine freiwillige nach dem Muster der spätantiken bucellarii sein, mit einer Entlohnungsform, welche den Nehmer band, bekräftigt durch einen Eid. Trat er aus diesem System aus, konnte der Herr Forderungen stellen, wie z.B. die bereits erwähnte Rückgabe oder Auslösung der Ausrüstung. Zum Gefolge gehörte das wirtschaftliche Gesinde (langobard. gasinde, angelsächs. gesiths) mit unfreien Knechten und Leibeigenen, familia im röm Patronatssinne, ohne direkte Blutsverwandschaft, also Hofdiener für tägliche Abläufe in Haushaltung und Administration. Dazu zählten auch noch nicht volljährige Männer. Erst mit der Verleihung des Waffenrechts gehörten sie offiziell zur Kriegergemeinschaft. Mit höchstem Ansehen fanden sich jene am Hof des Herrschers (milites palatini oder aule regie familiares), aber auch bei Herzögen und Grafen, Bischöfen und Großgrundbesitzern. Im Klosterplan von St. Gallen war ein Gebäude speziell für die Gefolgschaft vornehmer Reisender vorgesehen. Junge Fürstensöhne suchten für Ruhm und Beute Gefolgsherren auf, später wie alle Söldner als „Reisige“ bezeichnet. Sie gehörten zum äusseren Ring des Gefolges mit Vasallen, Lehnsnehmern, Dienstleuten, welche aufgrund ihrer Herkunft oder ihrer Verdienste durch Amtsvergabe in höhere Ränge aufsteigen konnten und per Eid zur Gefolgschaft verpflichtet waren. Die Gefolgschaftsleistung war bei den Söhnen „ausländischer“ Fürsten nicht unbedingt freiwillig, wenn sie als Geiseln an den Hof gelangt waren, ein probates Mittel seit römischer Zeit. Damit war die Gefolgschaft ein komplexes System, eine Zweckgemeinschaft aus unterschiedlichen Abhängigkeiten für eine begrenzte Zeit. Größe und Gliederung war veränderlich und sollte mit Erfolg oder Mißerfolg der Führer zusammen hängen. Als Bindeglieder galten der Eid auf den Anführer, ungekehrt Schutz und Geschenke, bzw Privilegien, welche der Herr vergab. Herrscher setzten Gefolgschaftsführer an strategisch wichtige Punkte, um die Kolonisierung und Urbarmachung von Land oder Errichtung neuer Siedlungen zu leiten. Ein probates Mittel im Verlauf des Mittelalters. Durch jährliche Umritte versicherten sich die Herren der Treue ihrer Untergebenen. Mit Erschließung von Land, das vorher öd und leer als ungenutzter Wald und Wildnis Eigentum der Krone war, (der Forst war urspl. herrenloses Land, das der König durch Bann zum Sondereigentum erklärte), konnte ein geschickter Lehnsherr Eigentümer dessen werden, wie die Babenberger an der Grenze zu den Slawen in Niederösterreich im XII. Jahrhundert. Mit Schlesinger wurde in der Forschung die Gefolgschaft als das Rückgrat der mittelalterlichen Gesellschaft, vor allem in militärischen Belangen, aber auch in der Verwaltung oder Ausweitung von Infrastruktur und Herrschaftsbereich angesehen, obwohl es zu dieser Begriffsdefinition mit H. Kuhn, F. Graus oder R. Wenskus auch eine Reihe Kritiker gibt. Zur Gefolgschaftspflicht waren alle gezwungen, die in einem Abhängigkeitsverhältnis zum Herrn standen, so z.B. unfreie „Meier“, welche auf den Königshöfen saßen und im Bedarfsfall für den Kriegsdienst herangezogen wurden. Im Laufe der Jahrhunderte stieg die Anforderung an das Gefolge bzgl. der Ausrüstung. Ein schwer gerüsteter Panzerreiter konnte nur durch denjenigen gestellt werden, welcher ausreichend Ländereien und Höfe besaß oder Lehen, eine Leihgabe (siehe nachfolgend) erhalten hatte, was die Abhängigkeit vom Lehnsherrn forderte und förderte. Dieser hatte als Oberhaupt für seine Schützlinge Sorge zu tragen, deshalb wird diese Gemeinschaft in Quellen „familia“ im röm Patronats-Sinne genannt, ohne dass wirklich familiäre Bindungen bestehen mussten. Selbst in der Zeit der großen Parteienkämpfe des SMA´s, die das regional und standesmässig begrenzte Fehdewesen des HMAs deutlich überstiegen, wurde mit Livrees, Abzeichen, Wappenfarben und Emblemen die Gefolgschaft zum Ausdruck gebracht. Es galt äusserlich Farbe zu bekennen, nicht nur vom Gefolge selbst, sondern auch von Bürgern, Sympathisanten und Parteianhängern. Bis ins SMA wurden Kriegs- und Soldknechte erwähnt, welche dem berittenen Herrn zu folgen hatten, sich um dessen Ausrüstung, Waffen und Pferde kümmerten. Sie erhielten, je nach Rang ihres Auftraggebers, neben der eigenen Waffenausbildung, gerade mal den „klainen Sold“, wie Oswald von Wolkenstein dies um 1400 bezeichnete. Das war nicht mehr als die Verpflegung, die Ausrüstung und vielleicht mal ein abgelegtes Kleidungsstück des Herrn. Ansonsten galt jeder Raub in kriegerischen Zeiten als „Verdienstmöglichkeit in Naturalien“. Ihr Ansehen konnte nur mit der gesellschaftlichen Position ihres Dienstherrn steigen [siehe auch W. Schlesinger [Herrschaft und Gefolgschaft in der german-dt Verfassungsgeschichte, in: Hist. Zeitschrift 176, 1953, S. 225-275]. Bild: Schwere Kavallerie, durch Lehen finanziert, beherrschte über Jahrhunderte die Schlachtfelder Europas [TW Medieval] Das Lehen war eine Landleihe und ein gegenseitiges Treueverhältnis zwischen Geber und Nehmer auf Lebenszeit. Damit verbunden waren persönliche Leistungen zugunsten des Leihenden (senior = Lehnsherr). Im Gegenzug war der Lehnsnehmer (homo) Nutzniesser der erwirtschafteten Abgaben, der auf dem ursprünglich unteilbaren Landstrich angesiedelten Güter und Höfe in Naturalien und im Verlauf des Mittelalters auch in barer Münze, um sich den Lebensunterhalt zu sichern und kostspieligen Verpflichtungen politischer sowie militärischer Art nachzukommen, dazu zählte vor allem die Instandhaltung seines verliehenen Herrschaftssitzes, der Infrastruktur und der militärischen Ausrüstung, samt nicht unerheblicher Kosten der Pferdehaltung, aber auch Sicherung der Grenzen, Heeresfolge, Zeugenbeurkundungen. Das Ursprungsmoment zur Lehensvergabe lag in der Herausbildung schwerer Kavallerie seit karolingischen Zeiten. Die Pferdehaltung mit Züchtung geeigneter Rassen blieb auch in der Folgezeit eine Herausforderung. Man benötigte ein kräftiges, zugleich wendiges Pferd, um Panzerreiter von bis zu 150 kg Gewicht zu tragen, welches genügend Aggressivität besaß, um sich auf dem Feld gegen seine Artgenossen, unbeeindruckt vom Schlachtenlärm und möglichen Hindernissen durchzusetzen, es gehörte also ein psychologisches Moment dazu. Der Erwerb eines Destriers, eines solchen Kriegsrosses, ein Hengst, war kostspielig, Unterhalt mit gutem Futter und ausreichendem Training nicht minder. Auf Reisen wurden diese Pferde, welche sich schnell erschöpfende Kurzsprinter waren, geschont und man nutzte den Zelter, welcher angenehme Gangarten beherrschte. So konzentrierte sich um jeden Panzerreiter mit schwerem Schlachtroß ein eingespieltes Team von Gehilfen, die Lanze oder Gleve, um allen anfallenden Aufgaben gerecht zu werden mitsamt der notwendigen Ausrüstung, Pack- und Ersatzpferden, welche im richtigen Moment zur Stelle sein mussten. Auch Feldschmiede erfüllten hier wichtige Aufgaben, nicht nur im Beschlagen der Hufe, sondern auch mit rudimentären Veterinärkenntnissen. Ausreichende Futter- und Trinkwasserversorgung war entscheidend bei Feldzügen und gab Marschrouten vor. Im HMA wurden Lanzen zur taktischen Einheit des Banners zusammengefügt, nur so erreichte man mit dem massierten Einsatz einer geschlossenen Front vorstürmender Panzerreiter, welche erst im letzten Moment in einen kurzen Galopp fielen, durchschlagende Erfolge. Wie wichtig für die herrschenden Schichten die Kontrolle über jene war verdeutlicht Bischof Gebhard von Konstanz, welcher bei der Gründung des Konvents Petershausen verlangte, dass die ans Kloster verschenkten „Hintersassen“ ihm nach wie vor jederzeit als Reiter zur Verfügung ständen. Nach den Annales Bertiniani ließ Karl II. (d Kahle) 869 ein Güterverzeichnis aufführen von Bischöfen (episcopi), Äbten (abbates) und Äbtissinnen (abbatissae) mit Auflistung ihrer Lehen (honoribus) und der Anzahl der Hufe (mansa). Die Vasallen (vassalli) sollten die Lehen (beneficii) der herrschaftlichen Grafen (dominici comitum) und jene die Lehen der Vasallen verzeichnen – erkennbar also die schwierige Rechtsstellung der Vasallen, die damit im gewissen Sinn überwacht wurden (!). Lehnsnehmer/-träger besassen das Privileg der Steuerfreiheit. Sie brauchten keine regelmässigen Abgaben zu entrichten, wurden jedoch bei Übertragung oder Erlöschung der Lehnspflicht, bei Mannfall, Herrenfall oder Heimfall zu teilweise recht hohen Gebühren herangezogen.[2] Erblichkeit des Lehens ab 1037 (constitutio de feudis) garantiert durch Konrad II. (reg 1024-39). Angesichts der nur rudimentär entwickelten „staatlichen“ Kontrolle und Verwaltung im Feudalsystem war das personale Geflecht mit Lehenvergabe und Gefolgschaftspflicht von struktureller Bedeutung. Manche wurden in Konflikte getrieben, wenn sie als Lehnsnehmer mehreren Herren gleichzeitig dienstbar waren und bei Entzweiungen eine der beiden Seiten wählen mussten, was erhebliche Konsequenzen nach sich zog. Das war die Kehrseite der Medaille in hoher Position. Nicht selten landete bei Verfehlung der Betreffende im gesellschaftlichen Aus oder der Kopf auf dem Richtblock. Das „Rad der Fortuna“ war für diese Schicht mit Sicherheit ein zutreffendes Bild. Herrschen hieß auch Fallen, glücklich, „wer oben blieb“, das war keineswegs selbstverständlich. Als höchste Form des Lehnsmanns galt der Vasall, sich einem Höheren freiwillig unterstellend, durch Treueeid zu Gehorsam verpflichtet, mit Genuß von Schutz und Recht. Es gab auch den Fall, dass ein Herr den Vasallen bewußt in „Schirm und Frieden“ nahm, um dessen Existenz zu sichern. Wurde das Treueverhältnis durch Abtrünnigkeit verletzt, musste der Verursacher mit erheblichen Konsequenzen für Leib und Leben fürchten, siehe Schauprozesse dieser Zeit, deren abschreckende Wirkung Nachahmer abhalten sollte. Ereilte eine der beiden Seiten ein natürlicher Tod, mussten alle Rechte neu ausgehandelt werden! Während der Kreuzzugsvorbereitungen starb Heinrich VI. 1197 auf Sizilien, hatte aber schon Kontingente voraus geschickt, darunter seinen Reichskanzler Konrad von Querfurt. Jener verlor mit der Todesmeldung sein Amt, da dieses an die Person des Kaisers gebunden war. Deshalb brachen die meisten deutschen Adligen im Hl Land auf, um im Reich ihre Lehnsrechte gegenüber dem Nachfolger Heinrichs zu sichern. Alle Kreuzzugsgedanken waren verflogen. erhielten besondere Rechte und Ämter auf Zeit (ministri pro tempore constituti) mit Aufgaben in der Administration (Verwaltung, Steuern, Recht), im engem persönlichen Treueverhältnis zu ihrem Herrn (König, später auch weltliche und geistliche Fürsten). Sie fungierten als eidmann (Zeuge) bei wichtigen Vorgängen, wie Verkauf, Gütertausch, Schiedsgericht und div Rechtshandlungen, durch Urkunden und Verträge dokumentiert. Diese gelten mithin als wichtige Quellen für die namentliche Erwähnung von Ministerialen. Eine Entwicklung, die sich im West- wie Ostfrankenreich gleichermassen vollzog. Durch das verliehene Amt (ministerium) ragten sie aus der Masse heraus, war unverzichtbares Bindeglied zwischen der breiten Masse und dem Grundherrn. Damit verbunden waren zunehmend Privilegien mit vererbbarem Rechtsstatus und eigenem Gerichtsstand oder Steuerfreiheit, obwohl an ihnen der Makel des „Unfreien“ haften blieb, auf das Wohlwollen seines Herren angewiesen. In schriftlichen Quellen sind Ministeriale durch ihr Amt oder durch ein „von“ gekennzeichnet, wie Hademar von Kuenring in der Anwesenheitsliste auf dem Hoftag zu Speyer im März 1193. Es soll Ministerialen nachgegangen werden, um sie nicht nur in Textquellen, sondern auch im archäologischen Fundgut, auf Abbildungen und in der Bildhauerkunst zu erkennen. Sie werden von aussen betrachtet vereinfachend als servientes/servitores bezeichnet (servus meinte schlichtweg „unfrei“ und damit weniger den leibeigenen Sklaven, sondern „den Dienenden“). Oder es findet sich der Begriff vassalli inferioris condicionis, abgegrenzt zu nobiliores milites, also „Edelfreien“. Der miles meinte den Soldaten und militia den Kriegsdienst. Demnach wurden alle Streiter als milites bezeichnet mit weiterer Spezifizierung, siehe im XI. Jh das Gefolge Herzog Harolds auf dem „Teppich von Bayeux“ als milites equitant. Lehnsnehmer auf Grund und Boden waren milites agrarii nach Widukind von Corvey im X. Jh oder Leibwachen des Kaisers milites praesidiis, nach Liudprand von Cremona, speziell Bewaffnete milites armati. Eine Differenzierung zeigte sich zu den pedites (Fußsoldaten) oder zum heriban, Aufgebot aller Freien. Der exercitus (lat. „geschult“) meinte nur einen Teil des Aufgebots, die eingeübte Mannschaft, sie kann mit Spezialaufgaben betreut worden sein wie das exercitum castris, also die Burgbesatzung. Reichsministeriale auf Königsland oder königseigenen Rodungen waren ausschließlich dem Herrscher gegenüber verpflichtet, in Urkunden als ministerialis imperatoris, ministerialis aulae imperialis, ministerialis regis oder ministerialis imperii bezeichnet. Untereinander schienen sie es oft bei einem miles zu belassen, sofern eine Rangfolge nicht deutlich herausgestellt werden sollte. Sie waren reichsunmittelbar und dienten der Unterstützung königlicher Politik gegen die Interessen des Adels. Im Ursprung wirtschafteten sie auf den Königshöfen des FMAs für die Schatulle des Herrschers und sprachen Recht. Ein Quartier war dem Hofstaat, Boten oder Diplomaten jederzeit zu bieten. In Grünz (Nähe St. Pölten/NÖ) wurde Heimo, Mundschenk Königs Arnulfs von Kärnten 888 für seinen Besitz die Immunität und damit die Befreiung von der Amtsgewalt des regionalen bayerischen Markgrafen zugesprochen. Heimo durfte seinen Sitz befestigen und die niedere Gerichtsbarkeit über seine bäuerlichen Eigenleute und zuziehende Mährer ausüben. Durch Bevölkerungswachstum und Ausbreitung der Grundherrschaften, war es nötig Regionen stärker administrativ zu durchdringen und es wuchs der Bedarf an zuverlässigem bewaffnetem Gefolge. Unfreien Dienstmannen wurde Lehen (beneficium) vergeben, um im Gegenzug als (Panzer)-Reiter zur Verfügung zu stehen. Der Unterhalt von Pferden und Waffenausrüstung verlangte eine angemessene Güterausstattung. Wurde Land im HMA verliehen, musste es oft erst gerodet und urbar gemacht werden, so dass Ministeriale Land für ihren Grundherren erschlossen, mit Aufsicht über die bäuerliche Bevölkerung (vermutlich die milites agrarii bei Widukind v Corvey). Diese Dienstmannen galten als Träger der Kolonisierung mit Errichtung von Siedelstellen. Sie sicherten strategisch und wirtschaftlich wichtige Punkte (Straßen, Brücken, Furten, Orte, Pässe, Wälder, Bergwerke, etc). Zunächst waren ihre Höfe meist unbefestigt, im Gegensatz zu Adelssitzen [FarD28, S. 95]. Holz war lange Zeit bevorzugtes Baumaterial zur Befestigung der Wirtschaftshöfe oder Stadtburgen, erst später Stein. Konrad III. (1138-52) schuf mit „Burggrafschaften“ eine neue Institution. Zunächst wurden Burggrafen in Reichsburgen des Ostens, in Altenburg, Leisnig, Meißen, Dohna und Brandenburg in ihr Amt gesetzt. Im Gegensatz zu Reichsministerialen waren sie nicht unfrei, sondern von edelfreiem Stand und neben der Verwaltung der städtischen Reichsburg häufig mit in der Nähe gelegenem Burggut ausgestattet [Die Zeit der Staufer 1977 Bd III, S. 41]. In den Zeiten äusserer Bedrohung griff man auf die Errichtung von Befestigungen zurück, um gegnerische Operationen auszubremsen. Bereits zu Zeiten Karls I. (d Gr) begann man die Küsten zu sichern gegen Nordmannen und Sarazenen. Die schützende Einfriedung in der Form von Graben-Wallanlage mit Palisade wurden lat plexitium genannt, weshalb viele Ortschaften im Westfrankenreich heutzutage den Namen „Plessis“ führen oder „Haye“ von der Umhegung. Im Ostfrankenreich erforderten die Magyarenüberfälle des X. Jhs ähnliche gesteigerte Maßnahmen. Lange besaßen nur Könige das Burgenregal, nur sie konnten die Neuanlage einer Befestigung gewähren, siehe Heinrichs I. Burgenbauordnung. Unter Friedrich II., der sich in Dtld Ruhe erkaufen wollte für seine Italienpläne, wurde dieses Recht 1232 auf den Hochadel ausgedehnt. Fürsten ließen ihre Burgen durch unfreie Ministeriale besetzen („Ritter“). Schlußendlich waren auch Ministeriale zum Bau berechtigt. Burgen wechselten häufig den Besitzer und spielten eine wichtige Rolle in Dynasten-Kämpfen. Mächtige Familien, wie die Wittelsbacher oder die Markgrafen von Baden, die selber in Stein bauten, zwangen ihre Amtsleute vorwiegend in unbefestigten Behausungen zu leben. In England waren dies die manor-houses, ohne Turm und Mauer. Als Grundrecht des Adels galt es mit Rodung die Eigendomäne auszuweiten, auch wenn dem König so Land entzogen wurde, denn ihm gehörte ungenutztes Land. Herrscher versuchten ihr Eigentum, als „Flickenteppich“ über das gesamte Reichsgebiet gestreut und durch reichsunmittelbare Amtsleute verwaltet, mit Tausch, Kauf und Zwang zu konzentrieren, wie Staufer mit ihren „Osterweiterungen“ im Altenburger Land an der Pleiße, im Vogt- und Egerland oder im Nürnberger Raum und boten so dem regionalen Adel Paroli. Ministeriale konnten in entscheidenden Situationen enorme politische Bedeutung gewinnen, wie es das prunkvolle Grab Wiprechts II. v Groitzsch (heute in Pegau) vermuten läßt, wobei allerdings Aufstieg und Fall nicht weit voneinander entfernt waren, wie eben derselbe durch seine Haft auf dem Trifels beweist. Durch geschicktes Taktieren in politischen Auseinandersetzungen und Bürgerkriegen, durch Gunst ihres Herren oder durch clevere Heirat wurden Besitztum und Wohlstand angehäuft. Als Stifter traten sie auf, wie Rudolf, Herr v Marling, 1142 Ministeriale des Bischofs von Brixen mit dem Bau der St. Jakobs-Kirche in Grissian/Südtirol. Hofämter-Postionen waren möglich, wie Markward v Annweiler als Truchsess und Heinrich v Kalden als Marschall, die dem Stauferkönig Friedrich I. auf dem Kreuzzug halfen und auch seinem Sohn Heinrich VI. unverzichtbare Gehilfen in der Italienpolitik waren. Sie wurden dafür reich belohnt, mit Titeln versehen und Ländereien belehnt. Markward konnte durch Königsspruch seine Unfreiheit überwinden. Alles stand und fiel mit den jeweiligen Gönnern. Denn Spötter, Neider und Feinde hatten sie aus dem Kreis des Adels genug. Nach Heinrichs VI. Tod 1197 gelang es Markward nicht mehr lange seine Position in Italien zu behaupten - das war immer schwieriges Terrain für Deutsche, zumal der Papst mit territorialen Ansprüchen einen Keil zwischen die stauf. Besitzungen in Nord- und Süditalien trieb. Glückhafter wirtschafteten die Nachfahren Heinrichs von Kalden, ihnen gelang als Marschälle v Pappenheim die Aufnahme in den Reichsgrafenstand. Einen kometenhaften Aufstieg erlebte der Ministeriale Diepold v Schweinspeunt, welcher zur Zeit der Thronwirren in Dtld nach 1200 in Süditalien Reichsinteressen in Abwesenheit des Oberhaupts vertrat, allerdings opportun mehrfach die Seiten wechselte, zum Grafen aufstieg und durch Kg Otto IV. kurzzeitig mit dem Herzogtum Spoleto, einer strategisch wichtigen Region in Mittelitalien - Bindeglied zwischen dem Norden und Königreich Sizilien, belehnt wurde [Buttinger-Keupp, Die Ritter, S. 66/67 u KC VII, S. 57]. Fehlte dem Königshaus der starke Herrscher, war mit dem Verlust von Königsland zu rechnen, wenn der Lehnsmann abtrünnig wurde, ohne Konsequenzen befürchten zu müssen. Viele Ministeriale gewannen durch die Wahl der „richtigen Seite“ im XIII./XIV. Jh ihre Freiheit, da sie unverzichtbar in der staufischen Reichspolitik geworden waren und nach dem Fall der Staufer unkontrollierbar, als das Netz persönlicher Bindungen im Interregnum zerfiel. Nur starken Landesherren konnte es gelingen widerspenstige Ministeriale durch Belagerung und Zerstörung ihrer Amtssitze zur Raison zu bringen, wie 1265 Bertho II. v Leibolz, Abt zu Fulda in der „Fuldaer Fehde“, in der er gegen Abtrünninge mit Hilfe seines Abteivogts Graf v Ziegenhain vorging. Kg Rudolf v Habsburg versuchte mit Amtsleuten, den Landvögten, unberechtigt angeeignete Reichsgüter zu finden und sie wieder als Königsgut dienstbar zu machen. Höchste Positionen wurden vergeben in der königlichen und fürstlichen Hofhaltung, Erzämter, welche später in den Händen von Reichs- und Kurfürsten lagen, mit bestimmten Territorien verbunden. Nach dem Vorbild der Höfe röm Kaiser hatten einst merowingische Könige diese Posten an verdiente Untergebene vergeben. Aus ihrer Gefolgschaft ernannten sie den Marschall als Aufseher der Pferdehaltung, den Seneschall für die Haushaltung („schalk“ als Begriff für unfrei), den Buticularius für Keller und Vorräte, den Majordomus (Hausmeier) zum Oberaufseher der Dienerschaft und den Referendarius an der Spitze der Schreiber. Daraus wurden im HMA an Fürstenhöfen der Drost als Haushaltsvorstand, der Marschall als Oberstallmeister und Richter, der Kämmerer Finanzherr, Schenk Mundschenk oder Cellarius mit Keller- und Weinaufsicht, auch das Amt eines Coquinarius, Reichsküchenmeisters wurde unter den Staufern geschaffen. Zur Hofhaltung gehörten aristokratische Jünglinge (junge Herren=Junker) des Hochadels – auf Abb. auffallend gut gekleidet, später auch des Niederadels und vereinzelt Bürgersöhne, welche in der Ausbildung oder Wartestellung für ein Amt, eine „Landeswürde“ waren. Es wurden universell gebildete oder erfahrene Spezialisten im Bereich der Kanzleien, auf dem breiten Feld der Diplomatie, als Übersetzer oder für gehobene Boten- und Eskortdienste benötigt, siehe nachfolgend „Oswald von Wolkenstein“. „Herolde“ waren befugt neue Gesetze und Verordnungen der Obrigkeit durch Ausrufen bekannt zu machen, eine schriftliche Fixierung erfolgte erst später, „Feldhüter“ übernahmen diese Rolle in kleineren Regionen. Ein höherer Dienstmann war der Stellvertreter der Erzbischofs von Mainz, der vice dominus („Viztum“) im Rheingau zwischen Taunus, Wisper und Rhein, nicht zu verwechseln mit der Pfalzgrafschaft bei Rhein weiter südlich. Dieses Amt mit Richterfunktion wurde von einer ansässigen Familie bekleidet, als „Ritter“ bezeichnet. Eine der Aufgaben war die Landwehr, das „Rheingauer Gebück“ instand zu halten, dazu wurden bestimmte Streckenabschnitte begüterten Familien zugeteilt. Der Rheingau besaß eine Eigenverwaltung mit vielen Freiheiten, u.a. kannte man hier die Leibeigenschaft nicht (!) [siehe C. Grubert in Karfunkel 37, S. 15-17]. Auch Mainz hatte nach der Stiftsfehde 1463 einen erzbischöflichen Vizedom als Stadtherrn, der Bürgerschaft wurden Freiheits-Rechte aberkannt. Im ähnlichen Rang war ein (Land-)“Pfleger“ oder „Vogt“ (advocatus=Schutzbeauftragter), oft mit Vasallenstatus (Edelfreier), welcher zum Vertreter des Landesherrn ernannt die Gerichtsbarkeit repräsentierte, im Kriegsfall die Landesverteidigung übernahm oder als Laie die Geistlichkeit, Kirche und Kloster in weltlichen Angelegenheiten vor Gericht zu vertreten und als Schirmvogt zu schützen hatte [ganz interessant ist der Gürtel auf der Grabplatte des 1313 gestorbenen Herzogs Hermann v Teck als Klostervogt von Alpirsbach. Wer also dorthin wegen der „berühmten Kleidung“ des XVI. Jhs fährt, nehme sich auch dafür kurz Zeit !]. Von den Geistlichen ernannte Vögte übernahmen die weltliche niedere und hohe Gerichtsbarkeit in den Immunitätsbezirken. Oft musste die Kirche hinnehmen, dass solche verliehenen Ämter zu erbliche Lehen deklariert wurden, ohne dagegen einschreiten zu können. Oberster Vogt war der König selbst als Schirm des Reiches und gewährte Klöstern generellen Schutz, wobei das Recht auf hohe Amtsträger übertragen werden konnte. Vogtei-Rechte wurden aber auch auf viel niederer Ebene vergeben. 1281 überließ der Ritter Bernhard von Hörde seinem Freigelassenen Hermann, genannt Unversagede, Güter in Berghofen als Lehen. Wegen der Freilassung und Einsetzung „als Vogt“ über das Lehen sollte Hermann dem Hl. Reinoldi zu Dortmund einen jährlichen Zins zahlen [Der Berswordt-Meister u d Dmunder Malerei um 1400, S. 18]. Schultheiße (langobard. sculdahis) mit unterer Richterfunktion für geringere Tatbestände oder Grundstücksübertragungen gab es unterschiedlichen Ranges in Ortschaften oder in ländlichen Regionen. Die hohe Gerichtsbarkeit in Kriminalfällen übernahm das Grafengericht. Aufgrund dezentralisierter Herrschaft mussten Schultheiße vertrauensvolle und tatkräftige Personen sein, eigenständig wirkend. Das ehrenvolle Amt wurde nicht selten von Freien angenommen, die um persönlicher Vorteile Willen „in den Dienst“ traten. Einflussreiche Aufgabenfelder gab es bsplw im städtischen Umfeld, vom Landesherrn an die Position des Stadtoberhaupts gesetzt, mit Sitz im Stadtrat, nicht selten mit den Bürgern im Konflikt [Organisation der Städte siehe Bürger-Stadteinwohner]. Ein solcher Dienstmann agierte in Rottweil in Vertretung des Königs, bis in der 2. Hälfte des XIII. Jhs zusätzlich ein burgermaister der Gemeinde nachweisbar ist. In Xanten hatte der Erzbischof von Köln einen schulthaisse eingesetzt, der zunächst mit den halbfreien Laten als Schöffen vom Hof des Erzbischofs Recht sprach und seit der Stadterhebung Xantens 1228 als Vorstand des Schöffengerichts fungierte. Diese Insassen des Niedergerichts fungierten als Exekutive, mangels Fehlens einer modernen Polizei und wurden mit der Kirchenglocke zusammen gerufen. Der Schultheiß von Erfurt Wolfram, als höherer Dienstmanns des Erzbischofs von Mainz, stifteten mit seiner Ehefrau Hiltiburc die wertvolle lebensgrosse figürliche Bronzeplastik des „menschlichen Leuchters“ (mit Bindegurt) um 1157, heute Dom Erfurt. Der Hintergrund war nicht selten die Ableistung einer Buße und keine großzügige Gefälligkeit! Die niedere Gerichtsbarkeit vertraten Schultheiße auch als „Dorfschulzen“. Diese sculteti werden explizit an bäuerlichen Oberhöfen der Grundherrschaft im Stift Essen genannt, an denen Abgaben der Unterhöfe/Hufen/Mansen gesammelt und mit zu erbringenden Dienstleistungen (Hand- und Spanndienste) als servitium verlangt wurden. Die Einteilung nahm der magister culturae, der „Baumeister“, als Verantwortlicher der Wirtschaftsführung vor. Dazu zog er Hörige der Unterhöfe, halbfreie Hörige (Laten) und Handwerker des Oberhofes heran [Küppers-Braun, U.: Macht in Frauenhand. 1000 Jahre Herrschaft adeliger Frauen in Essen, S. 25ff]. Im Wolfenbütteler „Sachsenspiegel“ wird ein Schulte abgebildet, der sich durch eine leicht vergrösserte Darstellung, den Strohhut und seine Positionierung neben dem Hut auf der Säule von höherem Rang zu erkennen gibt. Ihm gegenüber oder dem Hut wird von den ähnlich einfarbig grau gekleideten Untergebenen der Schwur geleistet. In verschiedenen Quellen wird ein „Schulzenstab“ erwähnt, wohl der frühneuzeitliche Begriff für ein Amtszeichen. Vorläufer sind bei röm Machtsymbolen zu suchen, wie die virga, der Stab, abgebildet in der Hand eines röm Gutsherrn auf dem Sarkophag von Lamta (Leptis Minor) nördl von Bekalta in Nordafrika aus dem IV. JhAD. Auch aus karoling-ottonischer Zeit sind Abbildungen bekannt, welche Könige und höchste Amtsträger (Herzöge) mit einem langen Stab darstellen, siehe Hz Lantfried im lex alamannorum von 720c. Bischofsstäbe („Hirtenstäbe“) waren das geistliche Pendant. Grafen ernannten erfahrene Dienstmannen zu „Schöffen“ für den Ausschuss in Form eines Schöffenkollegiums, meist von sieben Gerichtsmitgliedern, die zur Urteilsfindung in Rechtssachen beitragen sollten. Als Vorsteher großer Höfe wirtschafteten „Mayer/Meier/Meyer“ auf ihren Siedelstellen/Höfen und waren verpflichtet ihrem Herrn jederzeit zur Verfügung zu stehen. So mussten die 50 „Sattelmeyer“ des Amts Sparrenbergs noch im XVII. Jh ein gesatteltes Pferd, Pistolen (übliche dt Reiterwaffe im XVI./XVII. Jh) und Reiter für Kriegs-, Geleit- und Botendienste oder eine entsprechende Summe Geldes als Ersatz stellen. Des Bischofs von Brixen „küchenmair“ bewirtschaftete den Haupthof, der unmittelbar für den Tisch des Geistlichen Lebensmittel und Heizmaterial lieferte. Durch die dezentralisierte Siedel- und Wirtschaftsweise des Mittelalters mit Streubesitz weltlicher oder geistlicher Herren über große Flächen des Reiches verteilt, war es notwendig als Leiter der Oberhöfe tatkräftige und vertrauensvolle Personen einzusetzen, die eigenständig zu wirtschaften und abgabepflichtige abhängige Hofwirtschaften zu kontrollieren verstanden. Als einfache Dienstmannen galten z.B. „Scheffler“, die u.a. die Vorratshaltung, Mühlen und Brauereien überwachten und „Fisch- oder Jagdmeister“, welche für Reviere und Honiggewinnung zuständig waren.
Ein Dienstverhältnis als „haubtman des Erwirdigen Gotshaws ze Brichsen“ zwischen dem Bischof von Brixen und dem niederadeligen Oswald von Wolkenstein (1377-1445), auf 10 Jahre befristet und mit 100 Gulden im Jahr dotiert, scheiterte 1410/11 am gegenseitigen Zerwürfnis, das nur durch den Tiroler Landesherrn Hz Friedrich IV. von Österreich geschlichtet werden konnte. Oswald suchte daraufhin ausgerechnet die Nähe zu dessen Widersacher König Sigismund, um als „diener“ ins „hofgesinde ufgenomen“ zu werden gegen einen „Jarsold“ von „drey hundert hungrischer Roter gulden“, durch einen „dinst brieff“ garantiert. Dienstverhältnisse wurde also im SMA schriftlich bestätigt, in barer Münze entlohnt. Allerdings blieben in beiden Fällen die Dienstherren den Lohn gänzlich, bzw teilweise schuldig und Oswald musste seine Aufgabe als Sonderbeauftragter des Königs verrichten, um sich danach immer wieder in der Schlange der Bittsteller des Hofgesindes einzureihen. Hinzu hatte es sich Oswald durch den Seitenwechsel mit seinem Tiroler Landesherrn gründlich verdorben, erst recht da er Fehden führte, so dass seine Position „zwischen den Stühlen“ unhaltbar wurde. Um dem wirtschaftlichen Ruin zu entgehen, strengte er ungewöhnliche Rechtsmittel an. So ist seine Biographie ein interessantes Kapitel der Rechtsgeschichte. Auch wenn der König den Nobilis Oswaldus de volkenstein [als] Imperalis aule nostre familiaris fidelis dilectus [Vasall im Gefolge des kaiserlichen Hofes] auszeichnete, blieb jenem ein standesgemässes niederadeliges Leben, als Zweitgeborenen und Nichterben der väterlichen Lehens, die längste Zeit unvergönnt. Immerhin war er in der Lage im Dom zu Brixen eine Kapelle aus der Einnahme von Höfen und eines Weingartens zu stiften. Und gegen Ende seiner Laufbahn, nach fast 20 Jahren Königsdienst, wurde er als kaiserlicher Rat zum Reichsritter ernannt, was ihn nicht davon abhielt als renitenter Zeitgenosse nach dem Thronwechsel gegen den neuen König und Landesherrn von Tirol Friedrich III. zu opponieren und zu revoltieren. In den 1430er/40er Jahren hatten sich seine wirtschaftlichen Verhältnisse gebessert. Es wird hier im Auszug eine Auflistung der bewegliche Habe von 1445 auf Burg Hauenstein nach Oswalds Tod angefügt, um zu verdeutlichen, was einem niederen Adeligen möglich war: Neben seidenen Kissen, türkischem Messer, zwei Silberschalen und zwei Orientteppichen wird die Anzahl der Betten samt Bettzeug, Leinentüchern, Wolldecken, Fellen, etc aufgelistet. Es folgt das Kücheninventar mit Rost, Pfannen, Kannen, Zinngerät und diversen Vorräten, darunter Fässer mit Wein und Essig, 41 Pf. Talg und 400 Talgkerzen oder Vieh, nämlich 6 Kühe. Werkzeug war einiges vorhanden zum Brunnen bohren und Instandsetzen der Gebäude und Ausrüstung, wie Zimmermanns-, Schmiede- oder Schusterwerkzeug. Bemerkenswert ist die Waffenkammer: 6 Brustpanzer, 4 Harnisch-Schurze, 2 Panzer-Kragen, darunter ein Eisenkragen aus Lamellen, eine Mailänder Harnisch-Brustplatte und diverse Harnischteile wie Beinschutz, zwei fischbeinverstärkte Kampfhosen, Schulterharnische, 14 Paar Armröhren, Ellbogenschützer, 6 Paar eiserne Handschuhe, diverse Kampfschuhe, darunter „türkische“ und eine „türkische Kampfjoppe“, vermutlich mit Lamellen, etc. Es waren vorhanden ein „englischer Helm“, ein „türkischer Helm“, zwei kleine Helme, ein Helm mit Visier, 6 Hundsgugeln, 7 Helme mit Nackenschutz, 5 Eisenhüte, 5 Eisenhauben. An Schilden fanden sich zwei, neben 5 weiteren aus Leder und zwei ungarische Schilde. Es folgten 5 Bärenspieße und 8 Stangenwaffen, ein türkischer und ein ungarischer Streitkolben und „türkische Sporen“. Für die 30 Armbrüste gab es 1000 eiserne Bolzenspitzen, eine Winde und mehrere Haken zum Spannen. Zu den schweren Waffen zählten 2 Schirmbüchsen mit klappbaren Schutzschilden, 7 „Steinbüchsen“, eine Hakenbüchse, 9 alte und 10 neue Handbüchsen, ein Bottich mit Schwefel, ein Ledersack mit Salpeter, zweieinviertel Bleiplatten zum Gießen der Geschosse und 11 „Wurfkegel“, vermutlich Handgranaten, die damals durchaus bekannt waren. Die Schlösser zu Bludenz und Bregenz wiesen in den 1480er Jahren kaum eine höhere Anzahl an Schwarzpulverwaffen auf. Das waren beachtliche Arsenale. Die „Auflistung Oswald“ beinhaltete also das Notwendigste, um militärischen Pflichten nachzukommen und das persönliche Gefolge auszurüsten, aber von Luxus keine Spur. Es wird kein Geschmeide, kein Bargeld erwähnt, keine Kleidung, keinerlei Tand. Das macht schon ein wenig stutzig [Angaben nach Dieter Kühn, Ich Wolkenstein. Eine Biographie, Ausgabe Insel Verlag, Frkft 1981, S. 439-41]. Er fügt als Kontrast eine Auflistung von Oswalds Verwandten Veit an, da „klimpert“ es ganz ordentlich.
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Exkurs 7: Verwendete Ledersorten nach Fundkomplex aus Schleswig XI.-XIV. Jh In den 1970er Jahren wurde im mittelalterlichen Stadtzentrum von Schleswig an der Schlei auf einem Areal von ca. 20 x 30 m die Werkstätten von Lederhandwerkern ergraben. Die fast 5 m tiefe Schicht barg Funde vom XI. bis zur Mitte des XIV. Jhs. Über 90% der Funde waren Schuhe, der Rest Lederscheiden für Messer und Schwerter, Gurte, Riemen und Gürtel, Beutel, Taschen und undefinierbare Fragmente. Die Handwerker hatten die Stücke entsorgt, umgearbeitet oder zur weiteren Verwendung gesammelt. Die für unsere Betrachtung in Frage kommenden Gurt- und Riemenstücke (sortiert in 5 Formen-Kategorien) fanden sich ungefähr im Zentrum der Grabungsfläche, zur Peripherie hin zahlenmässig ausdünnend. Von den rd 200 Fragmenten konnte nur ein geringer Teil eindeutig Gürteln zugerechnet werden. Es gibt Überschneidungen mit aufgeklappten Schwertscheidenstücken, die ihre urspl Form verloren hatten. Stabile und breite Gurte stammen hptsl aus dem Bereich des Reitzubehörs, schmale Riemen konnten ebenso für Zaumzeug und Sporen, Knieriemen, aber auch für Schuhe, Taschen und diverse Ausrüstungsteile genutzt werden. Nur vier von diesen Riemen wiesen kleine Schnallen auf und 10 % der Fragmente zeigen deutliche Schnittkanten, so dass Metalle mglw vor der Entsorgung entfernt wurden. Einige Formen (Kategorie Nr. 4) waren aus zwei Lagen zusammengefügt und an der Kanten vernäht mit Breiten zwischen 1,2 bis 8 cm! Die hohe Anzahl dieser Funde erklärt sich dadurch, dass jede einzelne Lage getrennt gezählt worden ist (127 Stücke), die normalerweise zusammen hätten erfasst werden müssen. Breite Formen mit bis zu 5 cm sind wohl dem Reitzubehör zuzurechnen aus doppelt vernähtem Rindsleder. Archäologisch sind breite Eisen- und Rollschnallen meist dem Pferdegeschirr zuzuordnen. Die Eisenschnallen von den Isenburgen in Hattingen und Essen im XIII. Jh weisen im Schnitt Durchlaßbreiten zwischen 4 und etwas über 5 cm auf, was einigen Lederbreiten in Schleswig entspricht. Die Anzahl der einlagigen Streifen der Kategorie Nr. 1 lag bei 39 Stücken, plus sieben schmalen nietbesetzten einlagigen Streifen der Formenkategorie Nr. 3. Auch dünne Lederriemen wurden in Lagen vernäht, teilweise gefaltet, siehe 12 Stücke der Kategorie Nr. 2, wobei zwischen die Faltung gestückelte Lederstücke zur Stabilisierung eingenäht werden konnten, vor allem bei der Verwendung von Schaf- oder Ziegenleder. Auch diese Riemenformen müssen nicht unbedingt auf Gürtel verweisen, denn es gibt Überschneidungen mit Messer- und Schwertscheiden, wenn ein Hinweis auf Dornlöcher, -schlitze oder Nietpunkte für das Schnallenblech fehlen. Hinzu rechnet man allgemein für Gürtel eher mit Kalbs- und Rindsleder, es sei denn textilen Gurtformen wurden zur Stabilisierung durch dünneres Leder ge- oder unterfüttert, so dass sich Stiche an die Seitenkanten abzeichneten. Fingerlin beobachtete 1971 bei ihren untersuchten Grabfunden eine seltenes Auftauchen gedoppelter Riemen und vorzugsweise einlagige Formen. Gestückelte Riemen seien den Zunftordnungen nach als Gürtel nicht üblich und erlaubt gewesen. 1998 besprach sie den Fund eines Bundschuhs aus Rindsleder vom Dominikanerkloster in Rottweil und spekulierte über die Verschlussmöglichkeit einer kleinen Metallschnalle [so, so...]. Punzierung und Stempeldekor findet sich auf Messerscheiden und ist bei Gürtelfragmenten kaum nachweisbar. Die Stempel wurden erhitzt in angefeuchtetes Leder gepresst. Das Anfeuchten war für das enge Anpassen an die Messerklinge, bzw an den Holzkorpus der Schwertscheide notwendig, aber nicht zur Fertigung eines Gürtels. Als Gürtelzieren sind ornamentaler Lederschnitt und Steppereien mit Ziermotiv oder schlichte Längsritzungen mit Relieflinien und eingeschlitzte Bereiche, durch die lederne oder textile Flechtbänder geführt wurden, mglw farblich kontrastierend zum Lederuntergrund wahrscheinlicher. Beim Steppen des Leders konnten die Ziernähte kunstvoll ausgeführt sein, siehe die Objekte im Fundkomplex Schleswig mit floralen Ornamenten und überkreuzenden Wellenbändern. Bei dieser aufwändigen Zier scheint die Nutzung als qualitätvolle Leibgurte gegeben, denn auch goldene Farbreste wurden bei einem Exemplar fest gestellt. Als reine Flechtriemen aus stabilem Rindsleder für hohe Beanspruchungen tauchten in Schleswig vier Stücke mit 2,5 bis 4 cm Breite, kategorisiert mit der Form Nr. 5 auf. Abbildungen gemäß sind sie der Reitausrüstung zuzuordnen (z.B. in Gaston Phoebus Jagdbuch Anf des XV. Jhs) und werden auch in Zunftordnungen erwähnt. Die wenigen mit Beschlägen versehene Riemen (7 Stücke der Kategorie Nr. 3) sind in Schleswig mit 1 bis 1,8 cm recht schmal und werden auf Zaumzeug oder eher auf Sporenriemen verweisen, wie die Masse der schmalen Riemchen mit Beschlägen aus London. Damit stammt ein Gutteil der dort aufgeführten mounts – Beschläge leider nicht aus dem Kleidungsbereich, sondern vom Reitzubehör! Die Funde Schleswigs, welche Rückschlüße auf Taschen und Beutel erlauben waren überwiegend aus Ziegen- und Schafleder und zu einem geringen Teil aus Rindsleder gefertigt. Messerscheiden sind dort zu gleichen Anteilen aus Rind/Kalb und Schaf/Ziege gefertigt worden, wobei die älteren Formen des XI. Jhs aus Ziege bestanden. Nach einer Zunftordnung aus London war im XIII./XIV. Jh dafür Kalbsleder vorgeschrieben. Punzierungen, bzw Stempelverzierungen sind, wie bereits erwähnt, bei Messer- und Schwertscheiden wahrzunehmen. Im FMA und HMA konnten die Scheiden mit Steppereien, Ausstanzungen oder Relief- und Ritzverzierungen versehen sein, seit ca 1200 wurden die Messerscheidenkanten in Schleswig gefranst oder zipfelig gestaltet, bis zum XI. Jh zuweilen mit Metallbeschlägen meist aus Eisen versehen und vernietet (im slaw Kulturraum auch Funde aus Bronze, was durchaus Rückschlüsse auf das Reichsgebiet erlaubt), Lederschnitt und Punzierungen waren im HMA möglich. Der Lederschnitt ist dann vermehrt im SMA nachzuweisen [Schnack, C.: Mittelalterliche Lederfunde aus Schleswig - Futterale, Riemen, Taschen und andere Objekte, Neumünster 1998, S. 44-58].
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Exkurs 10: Heer- und Handelswege im Mittelalter {im Aufbau} „...unde des koninges straten in watere unde in velde, de scolen stede vrede hebben...Des koninges strate scal sin also breit, dat en wagen deme anderen rumen moge...Swelk wagen erst op de brugge kumt, de scal erst over gan, he si idel oder geladen...Papen unde riddere unde er gesinde scolen wesen toln vri...swar he scepes oder bruggen nicht ne bedarf...“ ...und des Königs Straßen zu Wasser und zu Felde, diese sollen beständig Frieden haben...Des Königs Straßen sollen so breit sein, dass ein Wagen dem anderen auszuweichen vermag...Der Wagen als erstes auf eine Brücke kommt, soll sie auch als erstes überqueren, ungeachtet seines Ladezustands ...Pfaffen und Ritter samt ihrem Gefolge sollen zollfrei bleiben...wenn man Schiffe oder Brücken nicht nutzt... (Sachsenspiegel Landrecht 1220n), weitere Quellen und Literaturhinweise zu Heer- und Handelswegen:[3] Überlegungen zu den Verkehrsverbindungen ergänzen die Exkurse zu den Buntmetallen [6a und 6b], denn die Rohstoffversorgung oder der Transport von Halbzeugen und Fertigprodukten zum Abnehmer konnte nur über diese Wege erfolgen. Auch für Nachrichten und Kommunikation gab es kaum andere Möglichkeiten. Handel beschränkt sich keineswegs auf die Sachkultur, sondern war immer zugleich Träger wichtiger Impulse und Ideen. Fernhändler übernahmen ganz praktisch den Brief- und Dokumententransport oder führten Gesandtschaften. Eigene Kurierdienste unterhielten die Orden. Da es wohl kaum Wegweiser und keine Ortsschilder gab, war die Kommunikation unterwegs enorm wichtig, um Infos über Streckenführungen und Ziele zu erhalten, sofern man sie nicht aus eigener Anschauung kannte. Wege galten als Grundlage zur Schaffung von Kulturräumen. „Vernetzen“ ist das Stichwort der aktuellen Forschung – was sicher niemanden erstaunt. So war bsplw der Schwarzwald keine trennende Barriere, da bereits die Römer für eine gut ausgebaute Infrastruktur gesorgt hatten, um die Regionen von den Vogesen über Elsaß, Breisgau, Kraichgau bis zum oberen Neckar miteinander zu verbinden als Bestandteile der Provinz Obergermanien. Das war prägend für die weitere Entwicklung von alamannisch-fränkischer Herrschaft im FMA hin zum Herzogtum Schwaben im HMA und erklärt u.a. warum Staufer, aus der Rems-Fils-Gegend stammend, Besitzungen bis ins Elsaß hatten, eine Region wo auch die Habsburger durch Heirat zu Grundbesitz kamen, deren Stammsitz eigentlich in der Aare-Region zwischen Basel und Zürich lag. Manche Namen der nachfolgend aufgelisteten Ortschaften geben Hinweise, worin sich ihr Aufstieg im Mittelalter begründete, wobei sich deren Benennung im Laufe der Zeiten änderte, alleine für das Kloster Lorsch sind vom IX. bis XII. Jh 18 Namen (!) überliefert. Nicht nur Handel, Verkehrswege oder Befestigungsanlagen waren begünstigende Faktoren der Stadtentwicklung, sondern auch Änderungen in religiös-geistlicher Sphäre mit Verehrung von Heiligen und Ausbildung von Pilgerzielen, was meist einen Ausbau der Basiliken und kirchl. Strukturen nach sich zog. Das förderte Handwerk und Zulieferer, nicht weniger die Bistums-Zentralisierung mit Kathedralbau, letztlich auch die Anlegung einer Domschule als Keimzelle späterer Universitäten. Flüße spielten für den Transport von Schwerlasten eine nicht unerhebliche Rolle, demnach waren Flußübergänge (Brücken, Furten, Fähren) und Umladestationen wichtig, problematisch konnten versumpfte Niederauen sein, ähnlich wie im Gebirge verengende Paßsituationen, dem gegenüber galten gewässerarme Höhenrücken als hindernisfreie Wege (Hohe Straßen), die Bezeichnung galt nicht selten für ehemalige röm Strecken, da sie auf erhöhten Dämmen liefen. „Rennsteige“, abgeleitet von rain, markierten als schmale Gebirgshöhenpfade Grenzen. Wie Flüße konnten solch steile Wegführungen Gebiete voneinander scheiden. Flüße sind überhaupt in unserer Betrachtung von zentraler Bedeutung, heutzutage auf den Wert als Verkehrsweg reduziert, galten sie doch in vergangenen Zeiten einst als belebte Wesen, als Götter, denen zu huldigen war, wovon zahlreiche Weiheopfer künden. Zu den Furten sei kurz angemerkt, dass sie in der Regel durch Sediment- und Gerölleinspülungen von zutragenden Fluß- und Bachläufen quer zum Hauptstrom entstehen. Das heißt man folgte nach Überschreitung der Furt meist diesen kleineren Gewässern talaufwärts, versuchte sicherlich alsbald hindernisfreie Höhenrücken zu erreichen. Ein Fluß konnte allerdings nicht nur mit Furten und Brücken überwunden werden. Viele Flußorte tragen ein „ver-“ im Namen, der Hinweis auf recht flexibel agierende Fähren. Es ist bekannt, dass in der frühen Neuzeit Postreiter auf dem Weg von Frankfurt nach Köln lieber die Fähre bei Dietkirchen nutzten, um die Lahn zu überqueren, als sich durch die engen Gassen Limburgs mit seiner steinernen Brücke samt Wartezeit bei Erhebung des Brückenzolls zu quälen. Ein Augenmerk richtet sich auf Wallanlagen und Festungen, eng mit dem Wegesystem verknüpft. Sie waren keineswegs nur entlegene Rückzugsorte, sondern erfüllten mit Sperrung, Kontrolle und Überwachung von Straßen, als sichere Rast sowie Wirtschafts- und Verwaltungsmittelpunkte oder Versammlungsorte für politische und religiöse Handlungen wichtige Funktionen. So galt die Pfalz Werla Heinrichs I. südlich von Braunschweig bereits vor ihm als ostsächs. Versammlungsplatz. Kirchen wurden gezielt an solchen Stätten errichtet. Kleine Anlagen konnten immerhin der Fernsicht dienen, auch die Signalgebung war ein wichtiger Punkt. Sperrfunktionen werden deutlich bei den Landwehren des SMAs. Sie hatten kaum fortifikatorischen Wert, da sie oft breite Lücken ließen, wie in unzugänglichen Waldgebieten, für Fuhrwerke unpassierbar, so dass sich der Warenverkehr auf bestimmte Zugänge konzentrierte. Mit Ausbildung der Landesherrschaften hatten jene für Sicherheit und Unterhaltung der Strassen zu sorgen durch Einforderung entsprechender Gebühren von den Nutzern. Jegliches „Raubgesindel“ fern zu halten war gar nicht unbedingt im Interesse der Obrigkeit, denn sichere Wege bedeuteten keine Einkünfte durch Schutzgelder. Eine allzu exponierte Lage konnte bei Festungen die Entwicklung zur Ortschaft verhindern. Für das FMA verweisen sie im Kontext mit „reichen Bestattungen“ auf die Sozialstrukturen. Viele Wallanlagen hatten ihre Ursprünge in der Urnenfelderzeit [UFZ=jüngere Bz-Zeit gegen Ende des 2. JtsdvC], sowohl Brandbestattungen, als auch das erkennbare Sicherheitsbedürfnis mag auf unruhige Zeiten hinweisen. Auch Hallstatt- und Latenezeit [1. JtsdvC] weisen ein charakteristisches Befestigungswesen auf. Solche Schutzorte mussten erreicht und versorgt werden, erhielten Umbauten und Neubestimmungen. Es ist denkbar, dass auch der Rest eines röm Marschlagers die Keimzelle bilden konnte, andere Befestigungen erhielten erst im Zuge des fränkisch-ottonischen Landesausbaus in der kritischen Phase der Ungarneinfälle des X. Jhs durch die Maßnahmen der Kge Heinrich (919-36) und Otto (936-73) ihre Form oder später als Motte, Burgstätte und Schanze der Neuzeit. Die Anzahl solcher Erdwerke ist in Dltd nahezu unüberschaubar. Wie sehr Festungswesen und Straßensystem miteinander verknüpft sind, wird im folgenden beispielhaft am Raum Weser-Leine-Harz verdeutlicht, wäre aber auf viele andere Regionen übertragbar. Zahlreiche Wallanlagen zeugen davon, dass das heute friedliche Leinetal strategische Bedeutung besaß und seit dem X. Jh zur Machtbasis der Könige aus sächs. Haus zählte. Eine besondere Form des Festungswesens waren Wehrkirchen. Dörfer und Kirchen benötigten Umwehrungen, wenn sie aufgrund ihrer verkehrsgünstigen Lage Angriffen ausgesetzt waren. Die Umfriedung von geistlichem Besitz stellte grundsätzlich einen besonderen Rechtsraum dar mit Einschränkung weltlicher Macht durch Erweiterung der Unantastbarkeit. Auf Zeitgenossen sollte die Nichtbeachtung als Sakrileg abschreckende Wirkung haben. Aus dem Bereich von Recht und Glauben, im MA eng verknüpft, stammen weitere Hinweise zur Streckenführung, falls in situ, nämlich Stein- und Wegekreuze sowie Gedenksteine des SMAs, die nicht selten auf Unglücksstellen verwiesen, oft im Zusammenhang mit Tötung, Überfall auf Reisende und der Rechtssühne an den Opfern verbunden [FarD28, S. 204f]. Pilger- und Bildstöcke („Docken“) weisen Trassen als Pilgerwege aus, wichtige Fernrouten. Das Klosterwesen und die Anlage von Ordenskommenden war eng daran geknüpft, gewährten diese Einrichtungen doch allen Reisenden, nicht nur Ordensbrüdern, Schutz und Unterkunft. Das Nachrichtenwesen der Orden galt als vorzüglich, was nicht selten auf die verkehrstechnisch günstige Lage zurückzuführen war, dazu gab man nicht selten Briefe Fernreisenden und Händlern mit. Viele Wegzeugen haben tiefreichende Wurzeln in der Vergangenheit, siehe die Bohlenwege Norddtlds, Hohlwege als Spuren häufig genutzter Streckenabschnitte, tief eingespurte Geleisepässe oder man denke nur an „Ötzi“ als Alpenquerer. Intensive Forschung der letzten Jahre hat deutlich gezeigt, dass nicht von einzelnen Wegen auf Strecke Punkt A nach B, sondern von einem Streckennetz, ganzen „Trassenbündeln“ gesprochen werden muß. Diese Wege wurden nicht alle zur gleichen Zeit genutzt, aber die Festlegung auf immer die gleichen Routen scheint obsolet. Von daher beziehen sich nachfolgende Angaben auf „Schlüsselpunkte“, die man unterschiedlich erreichen, aber kaum umgehen konnte. Routenänderungen sind auf natürliche Begebenheiten zurückzuführen, wenn die unregulierten Flüße ihren Lauf änderten und, wie in Chroniken oft geschildert, über die Ufer traten, was von Bootsführern besondere Aufmerksamkeit erforderte, Auen konnten je nach Jahreszeit für Gespanne unpassierbar sein. Eine Routenverlegung mag auch durch politische Situationen, Zollerhebung und -umgehung oder mögliche Konkurrenz-Ausschaltungen verursacht worden sein. Denn auf der Wegstrecke liegende Orte profitierten unweigerlich von der jeweilig transportierten Warengattung. Die Aussagen zur Streckenführung in linksrheinischen Gebieten und vom Donauraum bis zu den Alpen basieren hptsl. auf ehemaligen Römerstraßen, denen man über lange Zeit zu folgen vermochte, wie dies Pilgerfahrer schildern. Sie zielten auf wichtige Paßübergänge, um Norditalien oder den Balkan zu erreichen. An ehem. röm Strassenstationen und Befestigungen bei Flußübergängen finden sich, archäologisch nachweisbar, reich ausgestattete „Herren-Gräber“ des FMAs zur Sicherung der strategisch bedeutsamen Punkte [AlaSND, S. 52]. Nicht selten liegen hier die Keimzellen heutiger Ortschaften, wie auf der Perlenkette gereiht. Egal ob man von Köln in westliche Richtung an den Ärmelkanal gelangen wollte oder von Augsburg nach Venedig, man nutzte vornehmlich die Reste römischer Infrastruktur, trotz aller Zerfallserscheinungen. Röm Quellen berichten von enormen Kosten des Straßen-Unterhalts, zu dem Anlieger herangezogen wurden. All das war nach der germanischen Eroberung zunächst weggefallen. Auf der anderen Seite ist bekannt, dass mittelalterliche Städte z.B. den Brückenbau forcierten , da sich mit dem Transit gutes Geld verdienen ließ. 1316 verständigte sich die Stadt Rottweil mit der Abtei Rottenmünster über Bau und Unterhalt der Straße im Prim-Tal [Rottw, S. 110]. Das Mindeste zum Wegeerhalt wurde mit Kiesauffüllungen bis in die Neuzeit geleistet, siehe das Ergebnis der Grabung in „Zwischen zwei Rittergütern eine hma Hofstelle in Mladbach-Wanlo“, S. 32. Von der guten baulichen Struktur röm Strecken wird wohl ohne Reparaturen wenig übrig geblieben sein, aber sie könnten noch erkenn- bzw gangbar gewesen sein. Es ist nicht ausgeschlossen, dass man sich auch neben der ehemaligen Trasse bewegte, sofern keine bestellten Felder in Mitleidenschaft gezogen wurden, um der groben Richtung zu folgen sowie Wechselstationen und Herbergen zu nutzen, das könnte den Quellen nach immer noch lauten „auf der via Egnatia“. Entweder handhabten das bereits die Römer so oder es ist der Nachweis für Verkehr späterer Zeiten, denn südlich von Mainz wurde bei Weisenau die steinerne Fernstraße nach Worms-Speyer ergraben, daneben lag angeblich eine „Sommerfahrbahn“. Aufschluß darüber könnten die Spurbreiten geben, denn in der Antike nutzte man hptsl zweirädige Karren mit geringerer Spurbreite als vierrädige Gespanne späterer Zeiten. Beschädigte Römerstraßen könnten nach Regenfällen besser nutzbar gewesen sein als grundlose morastige Sandwege, vielleicht waren steinige und harte Streckenabschnitte aber auch schwierig, da Räder nicht in allen Fällen mit eisernen Radreifen beschlagen waren und an Pässen bereiteten unterschiedliche Spurbreiten Probleme.[4] Deshalb waren Paßsituationen nicht selten verantwortlich für die Belebung des Transportgewerbes durch Spanndienste aller Art in den Fuhrmannsdörfern. Nachfolgende Betrachtungen richten sich zunächst auf bekannte Heerwege in den unendlichen Waldgebieten rechts des Rheins mit befestigten Orten und Sperreinrichtungen, wobei zur Versorgung der Truppe sowie Errichtung von Infrastruktur, wie bereits erwähnt, Flüße von enormer Bedeutung waren. Beides ist wohl als kongruent mit Handelsrouten anzusehen, wenn es galt schwere Lasten zu befördern. Daneben gab es natürlich zahlreiche kleine Regionalstrecken, Fuß- und Saumtierpfade. Nach dem Sachsenspiegel 1220-35, als eine Art früher Verkehrsordnung, sorgte ein Straßenzwang dafür, dass man sich für den Fernverkehr an den Hauptstreckenverlauf hielt und keinen Flurschaden anrichtete, was grossen Ärger einbringen konnte (siehe dazu „Ruodlieb“ Ende XI. Jh). Eine Transport-Versicherung gab es mit dem vermutlich nicht ganz günstigen Geleitbrief, in welchem sich der Aussteller dem Nehmer gegenüber verpflichtete bei Mißlingen der Schutzaufsicht Ersatz für die verlorene Ladung zu stellen! Die Straßen waren unsicher, so reiste man gemeinsam und schloß sich, wenn möglich zu Geleitzügen zusammen, suchte Deckung durch Bewaffnete, übernachtete möglichst nicht auf freier Strecke, sondern in oder unmittelbar nahe zu befestigten Höfen, Pfalzen, grösseren Wallanlagen, Klöstern, Kommenden, Ortschaften und im zunehmenden Maß in Herbergen. [Für die folgenden Ausführungen die in einer Art „Rundreise“ angelegt sind, nehme man vielleicht eine Karte zur Hand, sonst mag es ein wenig schwierig werden...] Hauptrouten vom FMA bis ins HMA (Zeit der Merowinger, Karolinger bis Ottonen) mit Hinweisen zu histor. Ereignissen, Orten sowie Gräberfeldern: Wege 01 Vom Main zur Werra: Auf der Seite „V-VIII 500-800“ wurden bereits Heerstraßen der fränk. Expansion skizziert. Dabei spielte der Raum Ingelheim (Pfalzort) - Mainz (alter röm Verwaltungsort, Bischof-Sitz) - Frankfurt (Pfalzort) eine nicht unerhebliche Rolle. Zur Überquerung des Rheins musste man Fähren nutzen, da die alte röm Rheinbrücke bei Mainz nicht mehr stand, ein spätkaroling. Brückenbau mißlang; ähnlich die Situation in Frankfurt, nur nutzte man dort die namensgebende Mainfurt. Wie zu röm Zeiten wurde die Wetterau, die Ebene zwischen dem westlichen Taunus-Kamm und dem Mittelgebirgsring von Vogelsberg und Spessart für Vorstöße nach Norden und Osten genutzt. Dazu bot sich vornehmlich das Kinzigtal an über Hanau Richtung Vuldo monasterio/Fulda (Klostergründung 744). Da aber das Tal häufig versumpfte, denn erst der Ausbau im XVIII. Jh machte diese Route wirklich zu jeder Jahreszeit gangbar, nutzte man die hoha strazza (Hohe Straße) oder Antsan-Via über die Südhänge des Vogelsbergs auf das Kloster Fulda zu. Der Bestattungsort von Bonifatius (gest 754) und Kg Konrad I. (gest 918) besaß seit dem IX. Jh eine Holzbrücke über den gleichnamigen Fluß, ein kleines Stück flußab gab es bei Lüdermünd (nördl Kämmerzell) eine seit ewigen Zeiten genutzte Furt für die Fernverbindung, welche über Hünfeld weiter bis zur Werrafurt bei Vacha führte (später Brückenort). Für die Bonifatius-Leichnams-Prozession von Mainz nach Fulda nutzte man 754 eine Route durch die Wetterau am Glauberg vorbei, die alte Höhenfestung, welche selbstverständlich auch im MA militärisch gesichert war, mit steilem Anstieg bei Gedern, südlich am Vogelsberggipfel entlang über Grebenhain auf Fulda. Alternativ gab es die Route der Kurzen Hessen (Namen wohl eher HMA/SMA) von Frankfurt über Friedberg, nördlich um den Vogelsberg herum nach Grünberg und Alsfeld, an der späteren Burg Herzberg vorbei in die Fuldaauen von Herolvesfelt/Hersfeld. Dieser Ort hat keinen militärischen Bezug im Namen, sondern wurde 769 als Kloster auf dem Haerulfisfeld genannten Grundstück errichtet. Wobei sich hier vermutlich eine weitere Fuldafurt befand, um an die Werra zu gelangen, dort erreichte man in direkter Linie Heringen. Gregor von Tours nennt einen Sammelpunkt der fränk./sächs. Streitkräfte 531 nördlich der Buchonia - wohl die Rhön, er könnte grob den mittleren Werra-Raum gemeint haben, in dem der Fluß einen großen Bogen nach Westen beschreibt. Dort bildet das Werratal ein „strategisches Nadelöhr“ in Richtung auf Eisenach-Gotha-Erfurt, das man über das weiter flußaufwärts gelegene Vacha umgehen konnte, in Quellen 768 als Grenze der Abteien Fulda und Hersfeld erwähnt, Brücke dort spätestens seit 1186. Dieser Werraübergang wurde seit kelt. Zeiten durch nah gelegene Wallanlagen, wie auf dem Kegelberg Öchsen (Uhsineberg) und im HMA durch die Burg „Wendelstein“ gesichert. Latenezeitliche Ursprünge der Wegführung vom Rhein-Main über den Raum Fulda und Hünfeld der eingangs erwähnten Antsan-Via sind wahrscheinlich. Die alte Route nutzte im Verlauf den Paß bei Marksuhl über den Thüringer Wald auf Eisenach zu [FarD28, S. 159]. Im HMA/SMA konnte man auch weit ausholend und weniger beschwerlich auf der Nordroute über die Langen Hessen aus dem Raum Amöneburg-Marburg über Treysa, Homberg/Efze, mit Fähre über die Fulda südlich Melsungen nach Spangenberg, Waldkappel, an der „Boyneburg“ vorbei und mit der Creuzburg-Brücke (1223 wurde die hölzerne durch eine steinerne ersetzt) über die Werra gelangen. Im Mittelabschnitt der Werra konzentrierte sich zu diesem Zeitpunkt der Großteil des Ost-West-Fernverkehrs per Fuhrwerk von Frankfurt nach Erfurt auf die drei Brückenorte Creuzburg, Berka und Vacha. Im SMA gab die Stadt Frankfurt auf der Nordtrasse Geleit. Auf der Antsan Via waren in der Neuzeit der Kurfürst von Sachsen und der Landgraf zu Hessen die Geleitherren. Schließlich nutzten Mönche vom Kloster Amöneburg aus mit dem Ortesweg eine direkte Verbindung über den Vogelsberg zum Kloster Fulda, die Streckenführung ist nicht genau bekannt, wird für Fuhrwerke vermutlich weniger geeignet gewesen sein. Auch dieser Weg war alt, die Fortführung reichte bis zu karoling. Pfalz Salz an der fränk. Saale [Bub]. Der Hausmeier Karl Martell (gest 741) ließ an den Heerstraßen von Mainz und Frankfurt zu den Grenzen befestigte Königshöfe ausbauen. Sie dienten an strategischen Punkten als Residenzen und Etappenstationen auf Reisen des Hofes und Heeres, waren zugleich wirtschaftlicher Rückhalt der merowingischen Könige. Die christlichen Missionszüge, die teilweise dem „Weg des Schwertes“ folgten, dokumentieren dies anhand von Kirchen- und Klostergründungen, siehe bereits erwähntes Amanaburch/Amöneburg, welches 721/22 durch den Angelsachsen Bonifatius gegründet wurde. Mit seiner Ernennung zum Bischof 746/47 gewann das Bistum Mainz zunehmend grössere Bedeutung. Magontia/Mainz sollte bald als Bollwerk der fränk. Reichskirche am Rhein gelten, Patron des Bistums war der Hl. Martin von Tours, der oberste fränk. Militärheilige! Mit dem Vordringen des fränk. Heeres ist eine Ausdehnung der Diözese bis an die thüringische Saale zu beobachten. Nach der Ernennung zum Erzbistum und Unterstellung von Suffraganbistümern sollte der Mainzer Einfluß im HMA von Verden a d Aller im Norden, östlich bis zum Raum Elbe-Moldau und im Süden bis in den Donauraum reichen, ein riesiger Zuständigkeitsbereich für diese Kirchenprovinz, was sich auch politisch ausdrückte, denn der Erzbischof wurde zugleich Erzkanzler des Reiches! Eine wichtige Route der fränkischen Expansion mit Anlage von Missionszentren verlief mainaufwärts, per Schiff oder bis Miltenberg parallel auf der röm Süduferstraße auf Würzburg zu (castellum virteburch, frühes iro-schott. Missionskloster, durch Bonifatius ab 742c Bistum, Mainfurt und -fähre, steinerne Mainbrücke seit 1130c). An der Mündung der Fränk. Saale in den Main bei Gemünden zweigte vorher eine Route ab, welche sich entlang der Fränk. Saale und schließlich an der Furt in hamulo castellum/Hammelburg nach Norden wandte, um über Brückenau an der Sinn das Kloster Fulda zu erreichen. Ostwärts besagter befestigter Saalefurt ging es über Kissingen zum Königshof, bzw zur Pfalz Salz in Neustadt a d Saale im Grabfeld (später Grafschaft Henneberg). Wallanlagen im südl. Vorland des Thüringer Waldes, wie bei Wechterswinkel südl. Mellrichstadt, der „Gangolfsberg“ bei Oberelsbach oder „Judenhügel“ bei Kleinbardorf sowie die „Steinsburg“ bei Römhild und diverse Königshöfe (dort heute noch ein Ort mit eben demselben Namen) oder der Hof in Rohr ab 975 nordöstl der Werra schützten Fernverbindungen, wie die Weinstraße und Übergänge am Oberlauf der Werra im Raum Meinigen-Henfstädt (Furt) und Kloster Veßra [weitere Furten siehe FarD28, S. 244]. Bei Henfstädt schützte die Osterburg auf dem Hainberg, heute eine Ruine des SMAs. Dieser Abschnitt des oberen Werralaufs ist durch eine hohe Zahl Wehrkirchen gekennzeichnet, was die strategische Lage verdeutlicht. Die Gleichberge waren seit der UFZ u.a. mit der „Steinsburg“ befestigt, für das FMA fehlen Nachweise, da bisher keine Grabungen stattfanden. Doch bieten beide Kegelberge in ihrer exponierten Lage unmittelbar an der Weinstraße hervorragende Fernsicht, so dass eine milit. Sicherung auch später noch zu vermuten ist [siehe unten Fußnote „Spurbreiten“]. Die Befestigungen und das Wegesystem zeigen, dass der Thüringer Wald keine Sperre, sondern auf mehreren Päßen zu überwinden war. Bereits zur Hallstatt-Zeit (siehe Funde von der „Steinsburg“ oder den Eisenbarren vom Paß Oberhof VI./V. JhvC) und zur Latene-Zeit mit auffälligen Ähnlichkeiten von Graphitkeramik, Münzen und Glasarmreifen nördlich und südlich des Thüringer Waldes ist der Raum zwischen Werraoberlauf und thüring. Saale/Orla als ein gleichförmiger Fundraum anzusehen. Zur röm Kaiserzeit (RKZ) verdeutlichen germanische Fundplätze enge Beziehungen zwischen dem Thüringer Becken und dem Gebiet von Fränk. Saale bis ins Main-Taubertal, auffallend die trichterförmige Situlenkeramik, welche den historisch belegten Hermunduren (Großromstedter Kultur) zugesprochen werden [Franken Bd. I, S. 284 u 295, FrBa, S. 15f, UFTh, S. 115 u Funde im MFMus. Würzburg]. Der Thüringer Wald war wichtige Rohstoffquelle für Eisen und Kupfer, selbst Gold sollte schließlich im SMA gewonnen werden und die Holzressource ermöglichte die Ansiedlung spezieller Gewerbe wie Keramik-, Glas- oder Teer-Produktion. Durch die fränkische Expansion seit Wende V./VI. Jh den Main aufwärts wurde die nordalammanische Einflußsphäre im Main-Raum von der thüringischen abgeschnitten. Franken sicherten nun ihre Gebiete über Schweinfurt bis nach Hallstadt, mit seinen später erschlossenen Salzvorkommen, unweit südlich davon wurde zu karoling. Zeiten auf einem Hügel über der Regnitz-Furt die Feste Babenberh/Bamberg angelegt. Der Main-Verkehrsweg zielte „als südliche Zange“ nicht nur auf das Thüringerreich, sondern schon bald gegen neue mögliche Bedrohungen. Zu Zeiten Karls I. (d Gr) waren Hallstadt und Foracheim/Forchheim (Pfalz und später Kürungsort mehrerer ostfränk. Könige) Grenzstationen zu den wendischen Slawen, die sich im Vorfeld niedergelassen hatten. Die Flüße, welche hier auf „-nitz“ enden sind beredte Zeugen, siehe unten Karls I. (d Gr) Kanalbauprojekt. Es gab aber wohl ein recht einträgliches Miteinander, so dass im Laufe der nächsten Jahrhunderte Slawen gezielt auch im fränk.-thüringischen Raum angesiedelt wurden und maßgeblich am Landesausbau beteiligt waren, nach Urkunden aus Fulda und Hersfeld bis in die Rhön. Ihre Siedlungen sollen an den „-winden“ Ortsnamen noch heute erkennbar sein.
Wege 02 Von Lahn zu Lippe und Weser: In den Auseinandersetzungen mit den Sachsen wurden vornehmlich zwei Vormarschwege erwähnt, neben dem altbekannten westfälischen „Hellweg“, dessen Bedeutung zu karolingischen Zeiten ab 772 zunahm, desweiteren die Route aus der Wetterau Lahnaufwärts nach Norden. Die Lahn als Verkehrsweg nutzten bereits röm Flachbodenschiffe von der Mündung in Koblenz am Rhein bis nach Waldgirmes bei Wetzlar, auch im Mittelalter eine sichere Verbindung der Orte Nassau, Lintburc/Limburg (Lahnbrücke seit 1160c), Dietkirchen (Furt u Fähre), Runkel (stein. Brücke seit 1448), Königshof Vilimar/Villmar, Pfalz Wilinaburg/Weilburg (918 Sterbeort Konrads I.), Kloster Altenberg und Wetzlar (Brücke). Im strategisch wichtigen Lahngau liegen die Orte beiderseits des Flußes teilweise spektakulär auf hohen Felsen oder Höhen in Lahnschleifen, was deren Verteidigungswert erhöhte. Bei Wetzlar wurde eine Eisenerzgrube im Lorscher Codex von 780 vermerkt und der Raum zwischen Lahn/Dill bis zum Vogelsberg war wohl bereits seit keltischer Zeit bis ins frühe XX. Jh Eisenerzabbaugebiet. Die Gegend verdankt diesen Reichtum dem Vogelsberg als einem der höchsten erloschenen Vulkane Mitteleuropas. Der Weg nordwärts über Gießen und Marburg, nach Überschreiten der Lahnfurt am Weißen Stein bei Cölbe, wurde gedeckt durch Wallanlagen, wie dem „Christenberg“ bei Münchhauen oder Frankenberg am Ederübergang und führte in das rohstoffreiche Umland des Knotenpunkts Korbach. Es bot sich an der Eder ein Abzweig nach Osten auf Fricdislar/Fridisleri/Fritzlar an (dort 919 Heinrich I. zum König ausgerufen, nahe der karoling. Festung Buriaburg/Büraburg). Man folgte der Fulda abwärts in den Kasseler Raum und gelangte so weiter zur Weser oder hielt sich ostwärts auf Eschwege an der Werra. Von Korbach nach Nordost ging es über Arolsen und Warburg, mit dem „Gaulskopf“ strategisch gesichert, an der unteren Diemel abwärts, am Kloster Helmarshausen (Wirkstätte des Theophilus Presbyter) vorbei nach Karlshafen und Herstelle an der Weser, wo sich 797 das Winterlager Karls I. (d Gr) befand. Von Korbach nach Norden galt es das obere Diemeltal und die Höhen durch das Nadelöhr Herisburc/Eresburg, heute Marsberg, oder die Päße bei Brilon zu überwinden, um in die Börde auf Soest und Paderborn vorzustossen. Der strategisch wichtiger Ort Eresburg fiel den Franken 772 in die Hände. Karl I. (d Gr) ließ das nahe Heiligtum der Irminsul zerstören und raubte die Tempelschätze. Aus dem Raum Siegen führte parallel der vielsagende Kriegerweg über die Lenne nach Norden in die Soester Börde. Man vermutet, dass dortige Salzvorkommen (Hall) mglw Namengeber für den Hellweg waren, wahrscheinlicher ist aber wohl die Helle = Erhebung. An dem leicht ansteigenden hochwasserfreien Weg von Duisburg kommenden, ein gutes Stück nördlich der windenden Ruhr, wurden zahlreiche Königshöfe zur Versorgung von Heer und Hofstaat angelegt, jeweils einen Tagesmarsch voneinander entfernt. Er führte zu den Pässen des Teutoburger Waldes und den Weserübergängen. Dazu ließ Karl I. (d Gr) nahe der Lippequelle, wie es in den Annalen zu den Sachsenkriegen heißt, die Pfalz (Patrisbrunam/Paderborn) anlegen. Von dort nutzte man gen Ost den Paß bei der Iburg (Driburg) zur „Brunsburg“ auf Höxter zu (in der Nähe seit 822 Kloster Corbeia Nova/Corvey) oder Richtung Nordost bei Horn (unweit Externsteine) über die Skidroburg den Weg auf Hameln oder durch die Börde auf der Nordroute über Bielefeld, die Werre bei Herford (Name eindeutig) überschreitend, auf Minden zu.
Wege 03 Höhenwege vom Rhein durch das südl. Westfalen: Vom Rheinland ins Westfalen-Land war der Hellweg keineswegs die einzige große rechtsrheinische West-Ost-Route, denn ab Köln führten viele Wege durch die Mittelgebirgszone, was umgekehrt - die Stadt als „Spinne im Verkehrsnetz“ gesehen – später die überregionale Stellung durch die berühmten Handelsmessen widerspiegeln sollte. Bereits zu vorchristlichen Zeiten nutzten Kelten diverse Strecken aus dem erzreichen Siegerland nach West und Süd in den Kölner-, Neuwieder-, Mainzer- sowie Wetterau-Raum für ihre Eisentransporte. Nach dem Vordringen germanischer Stämme und deren Deportierung in den Auseinandersetzungen mit den Römern wurde die Siedlungsdichte im unmittelbar rechtsrheinischen Mittelgebirge gründlich gestört, so dass die Besiedlung über Jahrhunderte recht dünn war. Erst im FMA nahm sie durch das Bestreben der Kölner Erzbischöfe wieder zu. Man nutzte in nordöstliche Richtung den Höhenweg [heute B51] von Deutz an der Alteburg/Altenberg vorbei über Lennep, zur Wupperfurt in Beyenburg - lange Zeit der Grenzraum fränk. und sächs. Interessensphäre - über Gevelsberg, wo 1225 Erzbf Engelbert II. ermordet wurde, nach Hagen zum Ruhrübergang, gesichert durch die Festung Sigiburgum/Syburg auf dem Höhenrücken. Karl I. (d Gr) nahm den Sachsen 775 diesen strategisch wichtigen Punkt. Weiter ging es nach Nord in den Raum Hamm oder nach Ost die Lenne querend über Elsey und Hohenlimburg am Burgberg von Oestrich vorbei auf Hemer und Arnsberg zu, auch später noch als Franken- oder Königsweg bezeichnet. Weiter südlich verlief eine etwas beschwerlichere Parallelroute zum Hellweg mit dem Haarweg (verwandt mit „Hardt“ meint Haar = bewaldete Höhe), sein Zubringer mit unbekannten Namen kam aus der Rheinebene Raum Pfalz Kaiserswerth [Düsseldorf gab es damals noch nicht], lief parallel zur Wupper (hier gab es Ortsbezeichnungen wie Haarhausen und Hardt) und traf auf den oben erwähnten Kölner Höhenweg bei Gevelsberg, bzw Schwelm zur Syburg, blieb parallel zur Ruhr auf dem Haarstrang-Höhenzug am Rande der Westfälischen Bucht, die versumpfte Möhne meidend. Eine dritte große West-Ost-Verbindung, die Heidenstraße zog sich von Köln weiter südlich durch das Bergische Land über Wipperfürth nach Meinerzhagen und Attendorn (hier Kölner Straße), entlang des Oberlaufs der Lenne und nördlich des Rothaargebirges verlaufend, angeblich über das hoch gelegene Winterberg (Kahler Asten) - die Route über Meschede/Brilon war die Alternative - nach Korbach, um als Fernverbindung weiter über Kassel Richtung Ost zu führen, von Köln nach Leipzig auf ziemlich direkter Linie über rd 500 km. Sicher war diese Route beschwerlich, aber frei von missliebiger Konkurrenz auf dem Hellweg, welche dann die Waren nicht zu Gesicht bekam. Zwei südliche Routen durch das Siegerland auf Marburg zu werden ebenfalls als Fernverbindungen mit den üblichen Streckenverlagerungen im Lauf der Zeiten angesehen. Eine davon führte als spätere Cölnische Hohe Heer- und Geleitstraße zur Lahn, querte zwischen Limburg und Wetzlar das Gebiet der Grafen von Solms, um die Wetterau und Frankfurt zu erreichen.
Wege 04 Von der Weser nördl. um den Harz zur Elbe und an die Küsten: Damit setzen wir an der Weser die unter „Wege 02“ beschriebene Route nach Osten fort. Die Franken nutzten zur Niederschlagung des sächs. Aufstand 782 wohl eine Übergangsstelle bei Hameln. Linker Hand gen Norden liegt der Süntel Bergkamm, an dessen Nordhang sich Sachsen verschanzt hatten, vermutlich sperrten sie taktisch geschickt die Deister Pforte zwischen den Bergzügen des Süntel und Deister. Die Sachsen hatten den Franken den Weserübertritt nicht verwehrt, so dass jene ungestüm in Erwartung „leichten Spiels“ ungeordnet gegen die Sachsen vorstürmten, was sich aber als schwerer Fehler erwies. Denn jene standen in Schlachtordnung vor ihrem eigenen Lager und brachten den Legaten Karls eine Niederlage bei. Karl I. (d Gr), der nicht vor Ort anwesend war, unternahm später eine Strafaktion und ließ Tausende von angeblichen Aufrührern an der Mündung der Aller in die Weser hinrichten. Weiter führt der Weg an der „Kukesburg“ bei Altenhagen vorbei in den Raum Elze und Nordstemmen mit der hoch aufragenden Bergkuppe und Wallanlage „Marienberg“, über die Leine auf Hildesheim und Braunschweig zu. Weiter südlich schreitet man von Höxter (Weserbrücke 1115 erstmalig erwähnt) über Einbeck zur Leinefurt bei Freden auf dem Königsweg an der „Hohen Schanze“ (Winzenburg mit Missionskeimzelle) vorbei auf Goslar (Pfalzort und Metallabbau im Rammelsberg seit der Zeit Heinrichs I.), rechter Hand Gandersheim und Seesen. Ähnlich wie in Hessen waren auch im verkehrsgünstigen und breiten Leinetal, das ganz andere Möglichkeiten der Aufsiedlung bot als die engen Weserufer, nach der fränk. Eroberung Königshöfe errichtet worden, siehe Brüggen oder Göttingen. Dieser südwärts gestreckte Siedlungsraum zwischen Solling und Harz hatte hohe strategische Bedeutung, nur ein Bruchteil der Festungen kann im weiteren Verlauf der Ausführungen erwähnt werden. Ihn nach Ost durchquerend gab es auf der „Nordharz-Goslarer Route“ einen Abzweig auf Braunschweig mit der bedeutenden ottonischen Pfalz Werla am Okerufer, zu Lande weiter nach Lüneburg oder nach Bremen, per Schiff über Oker und Aller. Die Hauptroute lief weiter entlang an den Harznordhängen nach Osten über Halberstadt und Quidilingaburch/Quedlinburg (Pfalzort), von dort ging es mit Bodeübergang in Stassfurt auf Magadoburg/Magathaburg/Magdeburg. Im HMA gelangte man über die kupferreiche Mansfelder Mulde im Ostharz nach Halle-Merseburg-Leipzig in den urspl. sorbischen Siedlungsraum. Im XV. Jh wurde Mansfelder Kupfer, das sich gut für die Messingproduktion eignete, auf bemerkenswerten Routen in die Maas-Region transportiert, nach einer Variante (vermutlich über Helme und Unstrut ab-, dann saaleaufwärts) über die Päße des Thüringer Waldes (vielleicht über Saalfeld und Kronach) zum Main und von dort per Schiff nach Köln. Eine „Nieder-Route“ lief saaleabwärts zur Elbe, nach Hamburg, von dort bis nach Antwerpen [Krabath, S. 310]. Scheinbar versuchte man die bislang genutzte mittlere Route über den Hellweg zu meiden, wegen des umständlichen Landtransports oder vielleicht um missliebige Konkurrenz auszuschalten, die bisher von den Überland-Routen profitiert hatte. Braunschweig bezog umgekehrt Galmeierz - das mit hoher Wahrscheinlichkeit aus der Maasregion stammte - ebenfalls nicht mehr über den Hellweg, sondern aus Lüneburg. Im FMA lag elbenah der Handelsort Bardowik im Bardengau. Der Raum nördlich der Elbe bis rauf zum Dänenland war gleichsam von Sachsen und Slawen besiedelt, ein häufig umstrittenes Grenzgebiet, in dem um 800 Franken die Herrschaft übernahmen. Viele Wallanlagen zeugen von der konfliktreichen Zone, die sich vornehmlich am Heerweg nach Norden und an den Gewässern orientierten mit Anlage auf den trockenen Geestrücken. Die Franken besetzten ältere sächs-slaw Anlagen, bauten sie um und zeigten Präsenz z.B. küstennah mit Esesfelth bei Itzehoe an der Stör oder Hammaburg/Hamburg in der Alsterniederung, ab 831 Bistum. Weiter im Norden begann hinter der Eider das Dänenland. Unweit des Heerweges nach Jütland, der vom langgestreckten Palisaden-Erdwall des „Danewerks“ gesperrt und kontrolliert wurde, erfuhr Haithabu seinen Aufschwung seit 808 nach gewaltsamer Umsiedlung von Kaufleuten aus Rerik durch den dän. König Godofried. In den zahlreichen Auseinandersetzungen fiel der Ort 934 an Kg Heinrich I. und wurde bis 983 von einem sächsischen Markgrafen verwaltet. Die Bedeutung Haithabus und später Schleswigs ist zu ermessen an der enormen Verkürzung des Transportwegs zwischen Nord- und Ostsee als eine frühe Vorform des berühmten Kanals, der immerhin rd 250 sm Wegstrecke um Dänemark herum einspart. Machte man die Reise von West nach Ost konnte man aus der Nordsee in die Eidermündung laufen und holte sich beim Elisenhof einen Lotsen an Bord. Mit der Flutwelle ging es die Eider hoch in die Treene. Durch die stark versumpften Auen war das Fahrwasser des mäandernden Flusses nur von erfahrenen Bootsleuten zu erkennen. In Hollingstedt an der Mündung von Rheider Au in die Treene war sozusagen der „Westhafen“ von Haithabu erreicht und man musste auf Karren umladen, um den letzten halben Tagesmarsch bis zum Handelsort an der Schlei im Schutz des Danewerks zurück zu legen [im XIX. Jh wurde der „Eider-Kanal“ gebaut. Größere Schiffe veranlassten den Bau des weiter südlich gelegenen „Kaiser-Wilhelms-Kanal“ ab 1887, heute „Nord-Ostsee-Kanal“]. Die Nordseeküste war das Land der Friesen. In mehreren Anläufen gelang es den Franken die Region in den fränk. Reichsverbund zu zwingen. Bei den Auseinandersetzungen Karls d Gr mit dem dänischen Herrscher Godofriedus spielte der Raum eine Rolle und galt als verwundbar gegenüber Angriffen von der Seeseite. Deshalb erhielten seine Bewohner der Legende nach einen Sonderstatus. Sie wurden zu keinen weit entfernten Heerzügen verpflichtet, ihnen jedoch künftig die Verteidigung des Küstensaums auferlegt. Dieses Sonderprivileg war der Urgrund der späteren „Friesischen Freiheit“. Es gab in den östlichen Teilen keine zwischengeschalteten Grafen mehr und der Raum erlangte im HMA Reichsunmittelbarkeit, hatte also direkten Bezug zum Herrscher, ein Feudalsystem bildete sich nicht aus. Die westlichen Teile hingegen mit dem heutigen niederländischen Raum, wechselten mehrfach die Besitzer, wozu auch dänische Gefolgschaftsführer gehörten, die sich mit den fränk. Königen arrangierten, christianisiert als Grafen dort walteten, um Nutznießer des fränk. Reichtums zu werden. Ihre Aufgabe war es „beutehungrige Kollegen“ abzuhalten. Mit Dorestad, Utrecht oder Wyk befanden sich dort bedeutende Handelsorte im Einzugsgebiet der Rheinmündung. Friesen verfügten über weitreichende Verbindungen. Sie befuhren die großen Wasserstraßen weit vor der Hansegründung, hatten Niederlassungen in allen großen Hafenstädten, so z.B. in Mainz am Rhein, brachten aber auch Waren die Weser und Elbe aufwärts oder in den Ostseeraum. Der Ausbau wirtschaftlicher Beziehungen zu karolingischen Zeiten ist ohne diese findigen Transporteure kaum denkbar. Auch Juden hatten daran Anteil. Denn sie besassen über ihre Glaubensbrüder überregionale Kontakte und waren für weitreichende Handelsbeziehungen prädestiniert. Bereits Gregor von Tours (c538-594) hob hervor, dass jene auf eigenen Schiffen Flüße und Meere befuhren. Vor allem im Mittelmeer- und Orienthandel erwarben sie sich Verdienste und wurden weit gerühmt. Wer kennt nicht den sprachgewandten Kaufmann Isaak aus Narbonne, 797 von Karl d Gr an den Hof des Kalifen Harun Ar Raschid in Bagdad geschickt – auch wenn man sich nicht mehr an den Namen des cleveren Gesandten erinnert, wohl aber an das seltsame Mitbringsel dieser Reise, den weißen Elefanten. Gemeinsame Sprache, hohe Bildung und ein moralischer Ehrenkodex durch feste Gesetzestexte durch den „Gottes-Bund“ waren für ein weit gespanntes Kommunikations-Netz sowie den Handel recht hilfreich. Die Nachricht ist alles, das wissen wir heute zu schätzen in unserer „Informationsgesellschaft“. Während Christen sich durch Verstädterung und Zunftzwänge in ihren Regionen selbstverschuldet „einmauerten“, profitierten Juden davon diesen Zwängen nicht zu unterliegen. Sie zahlten geforderte Abgaben, waren aber ansonsten in ihren Handelsgebaren frei, freier als die christliche Konkurrenz, siehe auch Bürger-Stadteinwohner/Juden. In Norddeutschland und in den Niederungen Ostdeutschlands war das Reisen über Land im Winter manchmal leichter als im Sommer, wenn die vielen Gewässer zugefroren waren. Im SMA wurden Kriegszüge im Baltikum nicht selten in diese Jahreszeit verlegt, um den Vormarsch zu erleichtern, trotz des Handicaps mangelnden Viehfutters. Slawen östlich der Elbe und Balten wussten darin nicht nur taktische Vorteile zu suchen, sondern werden sicherlich auch manche Transporte im Winter mit Schlitten bewerkstelligt haben, wie es in Osteuropa und Skandinavien allgemein üblich war. In der Schiffsbestattung von Gokstad um 900 wurden Schlittenteile gefunden, wobei es damals üblich war nicht nur Pferde als Zugtiere zu nutzen, sondern in Nordskandinavien je nach Schlittenbauart auch Hunde. Die Witterungsverhältnisse konnten auch zum Nachteil der Einwohner gereichen, als nämlich Heinrich I. den Winter 928/29 nutzte die slaw. Feste Brennabor (Brandenburg?) zu erobern, als das sie umgebende schützende Sumpfland mit einer dicker Eisschicht überzogen war. An der Ostseeküste reihten sich die großen Handelsorte der slawischen Abodriten, Wilzen, Ranen und Pomeranen, die den fries. Handelsaktivitäten nicht nach standen, hier spielte der Handel mit Skandinavien seit dem VII. Jh eine wichtige Rolle. Ein Aufschwung war im X. Jh zu verzeichnen, nachdem Silber aus dem Arabischen im Norden uninteressant wurde und die Bedeutung des sächsischen Silbers aus dem Harz zunahm. Ein Abschwung erfolgte mit der grösseren Tonnage der Schiffe, welche nicht mehr alle Orte anlaufen konnten, die oft eine gut geschützte Lage tief in Flußmündungen, an Haffs und Seen hatten, so dass es zu Selektion und Verlagerung kam, bevor sie den umschlagskräftigeren Hafenanlagen der Hanse endgültig weichen mussten. Ähnliche Prozesse fanden in Skandinavien statt, vgl. den Niedergang Birkas Ende X. Jahrhundert.
Wege 05 Von Weser und Leine südl. um den Harz zur Saale: Von Norden aus gesehen galt Minden als „Tor nach Westfalen“, genauso wie weiter westlich Osnabrügge/Osnabrück (seit Ende des XIII. Jhs bestanden durch die Hanse gute Kontakte bis nach Visby), da beide Orte von der Küste aus gut erreichbar waren. Von Osnabrück nach Süden liefen die Wege über den Osning und die „Iburg“ nahe des Dörenbergs in die Börde über Warendorf (Emsfurt), Freckenhorst (Missionszentrum) und Beckum (Reitergräber) bis nach Susat/Soest mit Anschluß an den Hellweg. Nach Südwest gelangte man über die Pässe an der Tecklenburg, Emsfurten bei Greven oder Telgte nach Munigardavurt/Münster. Nach Osten auf Minden zu führte eine Hangtrasse entlang des Wiehengebirges, bekanntlich bereits von den Römern in umgekehrte Richtung als Marschroute genutzt und mangels schlechter Sicherung mit fatalen Folgen. Nicht nur sie, auch die Franken mussten dort eine Schlappe einstecken, nachdem sich Sachsen 775 nächtlich geschickt in das fränk. Lager geschlichen hatten. Die Weserfurt in Minden war Kreuzungspunkt Ost-West mit Nord-Süd-Transit, von den Franken gesichert. Hier entlang führte der kürzeste Weg Überland von Bremen nach Frankfurt. Die Weser war optimaler Transportweg zu den zahlreichen Flußhäfen im Weserbergland, welchen die Römer bereits zu Nutzen verstanden. Es gab mehrere Hauptrouten, um sich von dort gen Osten zu wenden: Nach der Weserfurt von Minden auf den nördlichen Hängen der Bückeberge, hinter Stadthagen entlang der Wallanlage „Heisterschlößchen“ und des Deister-Kamms mit der „Bennigser Burg“ an dessen Ostende auf Elze und die Leine zu, bzw durch den Raum der Schlacht von 531 am Ronnenberg bei Honovere/Hannover über die Leine (verweist auf die Übergangsart, Stadtgründung erst in den 1240ern). Vermutlich gelangte man auch bei Rinteln über die Weser, nutzte das Auetal, gedeckt durch die „Osterburg“ [heute verläuft hier die A2] und dann rechts abzweigend durch die sogenannte „Deister Pforte“ (enges Tal zum gegenüber liegenden Süntel-Kamm), gesichert durch die „Heisterburg“ auf den südlich Deister-Hängen. Aufgrund taktischer Fehler erlitten Franken 782 hier eine empfindliche Niederlage und es fielen alleine von den hohen Rängen Kämmerer, Pfalzgraf und Marschall sowie 20 Adelige. Karl I. (d Gr) rächte sich mit dem Strafgericht von Ferdun/Verden. Dies und die weiter Ost verlaufende Route über Hameln wurde bereits oben skizziert. Südlich davon gab es Fährverbindungen und ein Weserübergang bei Höxter, hinter Bevern an der Wallanlage bei Golmbach vorbei, weiter auf Einbeck mit der Leinefurt bei Freden als „Königsweg“ oder weiter flußaufwärts bei Greene, durch die „Hüburg“ gesichert, nach Gandenesheim/Gandersheim ins Vorharzland. Unweit davon führte der „Seckelstieg“ vorbei an der Wallanlage bei Negenborn. wohl ein Höhenweg als Nord-Südverbindung auf dem westlichen Leineufer auf Gruona/Göttingen (Pfalzort) zu. An der Weser flußaufwärts zwischen Be-ver-ungen und der Diemelmündung im Raum Karlshafen bot Herstelle eine Übergangsmöglichkeit nach Hardeggen und auf Göttingen mit dem Leineübergang zu. Nach Querung des breiten Leinetals lagen auf den Anhöhen im Osten mehrere Wallanlagen („Wittenburg“ / „Ratsburg“ / „Hünstollen“), die vermutlich seit der vorchristl. Eisenzeit Bestand hatten oder im Rahmen der röm Invasionen (I. oder III. Jh) angelegt wurden. Im Raum Northeim bei Kalefeld fand 235 AD ein Gefecht mit röm Einheiten statt. Auch der weitere Wegverlauf auf der Route Ost zum Südharz war spätestens seit otton. Zeit mit zahlreichen befestigten Anlagen gesichert, durch die Adels-Residenz der sächsischen Immedinger am Seeburger See, den Königshof in Lasfelde oder die „Pipinsburg“ bei Osterode und die Pfalz bei Düna. Das „Fastweg“ genannte Teilstück lief über den Rotenberg, um die versumpfte Flußniederung zu meiden durch die Sperrfeste „König Heinrichs Vogelherd“, Schutzort der nahen Pfalz Pöhlde (dort 1051 Treueschwur der Fürsten auf den jungen Heinrich, später der IV. gezählt) und weiter Richtung Nordhusa/Nordhausen. Die anschließende „alte Königstraße“ führte vorbei am Kyffhäuser (otton. Pfalz Tilleda, 972 erstmalig erwähnt) durch die Goldene Aue nach Sangerhausen und Querfurt in den sorbischen Raum, später Merseburg-Halle-Leipzig. Bewegen wir uns noch einmal zurück vom Südharz zur Leine mit seiner breiten Aue und folgen dieser Route durch das sich verengende Tal nach Süden, so befanden sich auf den Höhenzügen Wallanlagen wie die Madeburg oder Hünenburg. Von hier aus war es nur ein Sprung über die Landbrücke zur Werra, wo die Römer bei Hedemünden ein Lager bezogen hatten, mit der Versorgungsmöglichkeit durch den Fluß und Verbindung über die Weser bis zur Nordsee! Strategisch geschickt angelegt bezeugt dies hervorragende Ortskenntnis. Von dort konnte man sich gen Westen über Münden auf Kassel zu wenden oder flußaufwärts über Eschwege zur Creuzburg (mit steinerner Brücke ab 1223) Richtung Ost, das 10 km entfernte Eisenach lag nicht fern. Über die markante Bergfeste „Seeberge“ bei Gotha stieß man auf die Wege, welche von den Paßstrassen des Thüringer Waldes aus dem Süden kommend über Kloster Ohrdruf, die Feste „Mühlberg“ (castello mulenberge) und weitere Wallanlagen um Arnstat/Arnstadt („Alteburg“, „Reinsfeld“) auf Erpesfurt/Erfurt zu führten. Der Übergang, welcher bereits im VIII. Jh eine hölzerne Brücke erhielt, auf der sich nach Ausbau seit dem XII. Jh diverse Kramläden befanden, war gesichert durch die Festung und Pfalz auf dem Petersberg. Nach Zerfall des Thüringerreiches rückten Slawen weiter vor und in Zeiten Karls I. (d Gr) lag hier unweit die Grenze zu den Sorben. Die Dornburger Schlösser und die Rudelsburg an der Saale wurden angelegt, um diese zu schützen. Am Gebirgsaustritt der Saale, unweit der Unstrut-Mündung sicherte Niunburc/Naumburg den Zugang aus oder in die große Ebene von Merseburg-Halle-Leipzig. 1030 wurde aufgrund wiederholter slawischer Angriffe das Bistum von Ciza/Zeitz an der Weißen Elster in die Feste Naumburg gelegt. Von Erfurt, dem wichtigen Kreuzungspunkt der Fernwege, führten nach Norden mehrere Routen über Unstrut und Helbe auf die Bergkämme des Hainleite-Kyffhäuser zu. Zahlreiche archäolog. Zeugnisse künden von diesen Trassen, wie das berühmte Grab aus dem III. JhAD bei Haßleben oder die eisenzeitlichen „Funkenburg“ bei Greußen und bei Leubingen liegen neben einem großen bronzezeitlichen Grabhügel thüringische Reitergräber um 500. Der Weg führte weiter nordwärts durch den Engpaß des Unstrutdurchbruchs in der östlichen Hainleite südwestl. von Heldrungen mit Sperre durch die „Unterburg“ nahe Sachsenburg, östlich davon lag die „Monraburg“. Zwischen „Hainleite“ und „Windleite/Kyffhäuser“ befand sich die alte Trasse Frankenhausen-Sondershausen-Nordhausen entlang der Wipper, gedeckt durch die Wallanlage auf dem „Frauenberg“. Die reiche Bestattung innerhalb der Feste vom Anf. des VIII. Jhs weist auf die strategische Bedeutung hin. Die „Hasenburg“ bei Großbodungen westl. von Nordhausen gibt mglw einen Hinweis auf eine alte Streckenführung über die Feste „Bernshausen“, nach Duderstadt und Göttingen nördlich des Eichsfelds.
Wege 06 Von Elbe zur Donau und ins Voralpenland: Wie bereits erwähnt ging es von Erpesfort/Erfurt nach Osten über Weimar und Jena mit Saaleübergang ins Sorbenland. In ottonischer Zeit waren die Slawen in Tributpflicht gezwungen mit eingerichteten Missionszentren. Der Landesausbau im HMA schuf Wege wie bei Gera über die Weiße Elster und Mulde nach Chemnitz und Freiberg in das rohstoffreiche Erzgebirge. Von dort galt im SMA die Elbe als optimale Verbindung von Dresden und Misni/Meißen über Torgau, Wittenberg, Dessau, Magdeburg, Wittenberge in den späteren Hanseraum Lüneburg-Hamburg-Lübeck. Lüneburg existierte aufgrund der hohen Vorkommen an Salz, dem ältesten extrahierten Rohstoff, wichtig für Mensch und Tier. Ohne Salzzufuhr war die Aufstallung unmöglich. Die Gewinnung in Salinen ist an vielen benannten „Salz-“ und „Heil“-Orten ablesbar und zog erhebliche Transporte nach sich, im Falle Lüneburgs war der Anschluß an die Elbe ideal. Weit flußaufwärts hatte der Strom vor Urzeiten das Elbsandsteingebirge durchbrochen, durchquerte man das natürliche Felsentor gelangte man im IX. Jh in den Einflußbereich des Mährerreiches, welches mit den Interessen des Ostfränkischen Reiches kollidierte. Denn der böhmische Raum stand seit karoling. Zeiten in Tributpflicht, wurde zur Zeit der Ottonen immer wieder in die „Obhut des Reiches“ gezwungen. Seit dem XII. Jh war Böhmen Königtum, an dessen Grenzen im Eger- und Vogtland Staufer mit Hilfe von Ministerialen ein regionales Herrschaftsgebiet ausbauten, Egire/Eger war wichtiger Pfalzort. Im „böhmischen Becken“ wurden seit Jahrtausenden Rohstoffe gewonnen, Zinnseifen gaben z.B. zur Bronzezeit der Aunjetitzer Kultur überregionale Bedeutung, Eisen später den kelt. Boiern. Es gab eine Reihe Päße durch das gebirgige Vogtland vom Oberlauf der Saale und der Orla nach Oberfranken, gesichert durch Wallanlagen wie auf dem Preißnitzberg, der späteren Burg Ranis [UFTh, S. 102f]. Mehrere Passrouten führten über die Kämme des Bayerischen Waldes, die Heinrich I. zur Unterwerfung Wenzels von Prag 929 nutzte. Aus Böhmen heraus zog die Heerstrasse von Pilisni/Pilsen nach Westen über das Kloster Kladrau nach Tachau, weiter zur Nabeburg/Nabburg und durch die rohstoffreiche Oberpfalz nach Nürnberg oder nach Süden über Taus und Furth nach Regensburg (Pfalzort Ratisbona, abgeleitet von ratis = Floß, zu röm und karolingischen Zeiten mit Schiffs-/Floßbrücke, seit 1146/47 steinerne Donaubrücke). Die ergiebige Eisenerzausbeute der Oberpfalz wurde über den Fluß Regen nach Regensburg verschifft, dort umgeladen und donauabwärts transportiert, wobei der Strom kein leicht zu befahrenes Gewässer war, denn unmittelbar hinter Regensburg befanden sich gefährliche Strudel. Südlich der Donau bis in den Alpenraum konnten alte Römerstraßen und in umgekehrte Richtung Süd-Nord schiff-, bzw floßbare Gewässer genutzt werden. Aus den Alpen war der Holz- und Salztransport über die Wasserwege üblich und es gab zig Stapel- und Umladeplätze, wie Abbauorte mit „Hall-“ oder „Heil-“ Namensführung zu erkennen geben. Die Anzahl römischer Straßen mit allen Querverbindungen ist so hoch, dass sie hier nicht gebührend besprochen werden können. Mit anderen Worten zu fränkisch-karolingisch-ottonischen Zeiten war die Infrastruktur nördlich der Donau absolut nicht mit der gut ausgebauten südlich davon vergleichbar. Die Ost-West-Querung der im Oberlauf reissende Flüße mit Gebirgsursprung war durchaus ein Hindernis. Die Übergangsstellen boten seit Frühzeiten zahlreichen Orten Aufstiegsmöglichkeiten. So liegen z.B. Landshut, Moosburg, Freising, München, Augsburg, Landsberg, Memmingen oder Kempten alle an zur Donau abfließenden Gewässern. München verdankt dem Salztransport von Reichenhall nach Augsburg über die dortige Isarbrücke nach Streit mit Frisinga/Freising seine Gründung im HMA. Eine wichtige röm Ost-West-Verbindung im Voralpenland führte aus dem Salzburger Raum als Abzweig der Straße nach Augsburg nördlich um den Chiemsee bei Seebruck herum zur Innbrücke bei Pfaffenhofen und zur Würmfurt in Gauting, südwestl. des heutigen München, einige baiuwarische Gräberfelder liegen in unmittelbarer Nähe dieser Route. Zwischen Landsberg und Schongau wurde in Epfach der Lech gequert, vorbei am königlichen „Frankenhofen“ zum Illerübergang in Campidona/Kempten, Kreuzungspunkt röm Fernverbindungen, von da aus nach Bregantia/Bregenz am Bodensee. Wenn das heutige Bayern und Voralpenland aufgrund der alten röm Trassen verkehrsgünstig erschlossen war, blieb die Überquerung der Alpen eine Herausforderung.
Wege 07 Donauaufwärts auf die Schwäb. Alb: Um aus dem Regensburger Raum nach Westen zu reisen blieben eine Reihe Möglichkeiten. Die nördlichen zielten auf die Mittelrhein-Region. Dazu wandte man sich über Nürnberg in Richtung auf den Main in den Raum Hallstadt, Babenberg/Bamberg bekam erst später höhere Bedeutung, oder über das Taubertal nordwestlich auf Wertheim am Main zu, auch hier künden Königshöfe, wie der von Bischofsheim (in welchem Bonifatius um 735 ein Kloster gründete und seine Verwandte Lioba zur Äbtissin berief) und archäol. Zeugnisse, siehe bsplw Gräberfeld von Dittigheim mit vermutetem Herrschaftssitz von ihrer strategischen Lage südwestl. von Wirzeburg/Würzburg. Eine wichtige Route weiter südlich zielte mit der alten Römerstraße südlich des ehem. Limes aus dem Rieskrater von Nordilinga/Nördlingen in nordwestl. Richtung auf Bopfingen mit der vorgeschichtl. Höhenfestung des Ipf (Wallanlagen seit der späten Bronzezeit) am westl. Ries-Rand, Kreuzungspunkt von röm Nord-Süd-Verbindungen beim ehem Kastell in Oberdorf. Das Ries wird als Scheidemarke zwischen der Fränkischen und Schwäbischen Alb angesehen. Im weiteren Verlauf der alten Römerstraße nach Westen wurde in Lauchheim im Jagsttal ein großes alamannisches Gräberfeld frei gelegt. Über Aalen und durch das Remstal führte der Weg, wieder hart südlich des alten Limes, über Schwäbisch Gmünd und Kloster Lorch (spätere Staufer-Grablege) nach Waiblingen und in den großen Talkessel am mittleren Neckar bei Canstatt. An der gerade gekreuzten Nord-Süd-Verbindung von Bopfingen in Richtung Süd geradewegs auf die Donau zu mit ihrem Übergang bei Günzburg und Fortführung auf Augsburg, liegen die bekannten Gräberfelder und Adelsgrablegen des VI.-VII. Jhs im Raum Heidenheim-Niederstotzingen, unweit davon weitere Gräberfelder bei Giengen, Sontheim, Lauingen an der Brenz und Wittislingen sowie Langenau Richtung Ulma/Ulm. Schaut man sich die Verteilung auf der Schwäbischen Alb an, weisen vor allem „-heim“-Orte eine Nähe zu den Römerstraßen auf, während „-ingen“-Orte auch auf den Höhen und in abgelegenen Tälern zu finden sind. Nach alter Lehrmeinung - heute weder eindeutig belegt, noch vehement widersprochen - wäre dies ein Hinweis auf fränk. Herren, die strategische Knotenpunkte besetzt hielten und Alamannen eher in Räumen zur Rohstoffgewinnung (Bodenschätze als Tributleistung) und schlechteren Böden oder kleineren Weideflächen siedelten. Im Laufe des VII. Jhs wird von einer zunehmenden Eigenständigkeit auszugehen sein, sonst wären die fränk. Feldzüge Anf. des VIII. Jhs mit erneuter Unterwerfung der Alamannen unverständlich. Nicht immer fanden die Orte ihre Benennung nach persönlichen Besitzverhältnissen, Gewässernamen oder weiteren topografischen Merkmalen, siehe als Gegenbeispiel „Kirchheim“ nördl. von Bopfingen, das nach der dortigen Kirche, dem Hl. Martin geweiht, benannt wurde, bekanntlich hatte das fränk. Königshaus den Heiligen eng an sich gebunden. Nach Westen reisend bot sich bis Ulm die Donau stromaufwärts treidelnd an oder die alte röm Straße auf dem südlichen Ufer von Reginespurc/Regensburg über Ingolstadt, Neuburg, Günzburg, Ulma/Ulm (Königshof/Pfalzort an der Mündung der Blau in die Donau) weiter bis nach Hüfingen (röm Brigobanne) am Donauoberlauf. Vorher gab es mehrfach Querverbindungen nach Nordwesten auf den oberen Neckar zu mit Rottweil und Sulz am Neckar, Kreuzzungspunkte röm Fernstraßen. Dort verliefen beiderseits des Neckars Nord-Süd-Verbindungen von Canstatt Richtung Bodensee entlang ehem. röm Kastelle und Städte. Der Neckar war im Oberlauf durch die starke Strömungsgeschwindigkeit nicht schiffbar, was aber später die Anlage zahlreicher Mühlen begünstigte. In Rotuvilla/Rottweil war die Neckarfurt der Übergang einer Ost-West Trasse, welche man noch im SMA als „Freie Königstraße“ und heutzutage als „Heerstraße“ bezeichnet. Ein fränk. Königshof sicherte auf dem westlichen Ufer. Ein Stück weiter nordwestlich lag das ehem. röm Kastell bei Waldmössing, von wo aus die Fernstraße über die Päße des Schwarzwalds und durch das Kinzigtal auf die Rheinebene und Straßburg zielte. Auf dem nördlich Zuläufer der Paßstrasse erfasste man das Gräberfeld von Beffendorf bei Oberndorf. Von 259 Gräbern in einem Belegungszeitrahmen von etwas über 100 Jahren (vor 600 bis 700 nach) wiesen über 40 Waffenausstattungen auf, davon hochrangige mit 28 Spathen (!), in 16 Fällen durch einen Sax kombiniert. Franken werden ab Beginn des VI. Jhs die wichtige Straßenstation im alamannischen Raum gesichert haben [AlaSND, S. 52]. Nehmen wir die obige Wegführung bei Canstatt am Neckar wieder auf, welches, ähnlich zum weiter östlich liegenden Augsburg, wie die „Spinne im röm Strassen-Netz“ sass und dessen regionaler Aufstieg im Lauf der Jahrhunderte wohl nicht unwesentlich an dieser Lage zu messen sein wird. Die Exposition brachte Canstatt durch den Gerichtstag von 746 zum Ausdruck, der traurige Berühmtheit erlangte und alamannische Bestrebungen zur Eigenständigkeit im VIII. Jh zunichte machte. Nach Nord konnte man über den Neckar abwärts Heilbronn, Wimpfen (Pfalzort) und schließlich das Rheintal in der Nähe Heidelbergs erreichen oder alte Römerstraßen durch das verkehrstechnisch gut erschlossene Kraichgau z.B. über Stettfeld und Wiesloch (Kreuzungspunkt der Straße von Spira/Speyer nach Wimpfen) in Richtung auf Lobendenburg/Ladenburg am Unterneckar nutzen. Von dort führten weiter nordwärts mehrere Wege, entweder bequem durch das breite Rheintal über Lauresham/Lorsch auf die Pfalz Tribur bei Groß-Gerau (ab 829 erwähnt, Kürungsort Heinrichs IV. 1053) oder beschwerlicher durch den Odenwald auf Dieburg sowie den „alten Limesweg“, von süddt Kaufmannszügen auf Richtung Frankfurt oft genutzt und im HMA „Hohe Straße“ genannt. In Franconovurt (oder Vadum Francorum „Furt der Franken“) erlaubten breite Kalkfelsen ca 1 m unter dem Wasserspiegel des Mains den Übergang. Zurück nach Cannstatt, um von dort Richtung West den Oberrhein zu erreichen, war Pforzheim das Tor zu den Päßen auf die nur 30 km entfernte Ebene bei Karlsruhe oder man folgte gen Süden dem Neckar aufwärts auf röm Straße Richtung Köngen, Rottenburg, Sulz (Neckarfurt) und nutzte vom bereits erwähnten Rottweiler Raum aus weitere Päße und Römerstraßen auf Baden-Baden, bzw Straßburg. Weiter südwärts ging es über den Oberlauf der Donau nahe Hiuvinga/Hüfingen in den Bodenseeraum mit der Pfalz Bodman, Constantia/Konstanz (Zentrum der Christianisierung ab 600c und Rheinbrücke seit 1200c), Bregantia/Bregenz und weiter nach Curia/Chur oder aus dem Hüfingener Raum die Wutach abwärts zum Hochrhein nach Zurzach auf die südliche Rheinseite mit alter Heerstrasse entlang ehemaliger röm Orte „Vindonissa“ und „Augst“, um nach Westen auf Basilea/Basel zu halten.
Wege 08 Vom Oberrhein zum Niederrhein: Basilea/Basel war Brückenstadt und Kreuzungspunkt der Wege, wo die Burgundische Pforte nicht mehr weit über Mülhausen und Belfort den Weg zu Saone und Rhone wies. Konrad II. (reg 1024-1039) wurde 1033 durch die Heirat mit der Erbin Gisela zum „König von Burgund/Arelat“, seitdem Bestandteil des Reiches. Am Fuße der Vogesen galt Colmar als wichtige Handelsstadt für Salz und Eisen. Gegenüber südlich des Kaiserstuhls lag Brisacum/Breisach auf enger Hügelkuppe strategisch günstig, ein ehem. röm Kastellort, im XIII. Jh mit der einzigen Brücke zwischen Basel und Straßburg. Am Fuß des Schwarzwalds wurde Freiburg mit seinen Silbervorkommen und Edelsteinschleiferei durch die Zähringer gegründet. Endungen der Ortsnamen sind interessant von Basel, mit großflächig verteilten „-ingen“-Orten über den rechtsrheinischen Freiburger Raum, gleichfalls eher „-ingen“-Orte, durch die Rheinebene linksrheinisch auf Colmar, mit einer hohen Zahl von „-heim“-Orten an alten Römerstraßen, schließlich der Raum Straßburg mit extremer Dichte an „-heim“-Orten. Wie bereits erwähnt, wiesen, nach alter Lehrmeinung, erste auf alamannische Ortsgründungen und letztere auf fränkische hin [siehe AlaO, S. 85 u 182]. Der Rhein war der fränk. Schnellweg von den Niederungen bis an den Oberlauf, so erstaunt die fränk. Präsenz im Elsaß und Breisgau nach Zurückdrängen der Alamannen zur Chlodwigzeit wenig. Er war die Hauptverbindung zum weiter nördlichen Raum Spira/Speyer, Wangonia/Worms, Magontia/Mainz, alte ehrwürdige Römerstädte und im Bereich der Mainmündung lag die Krondomäne der Salfanken bis ins HMA. Bergbau wurde keineswegs nur an den Hängen des Schwarzwalds im Freiburger Raum betrieben, sondern auch weiter nördlich an den Hängen des Odenwalds. So weisen die Orte „Hohensachsen“ oder „Lützelsachsen“ bei Schriesheim wohl auf Bergleute hin, die man aus dem Harz holte, um dort, im Raum zwischen Heidelberg und dem Kloster Lorsch Silberbergbau bis in die Neuzeit hinein zu betreiben. Weiter Rheinabwärts gelangte man per Schiff – mit einer zwei bis dreifach schnelleren Reiseleistung als über Land - bis nach Colonia/Köln (Hauptort der ripuarischen Franken), den Pfalzen in Kaiserswerth oder Nimwegen, nach Arnheim, Utrecht (wichtiger früher Missionsort) an den mehrarmigen Niederrhein bei Durstede/Dordrecht. Der Ort musste aufgrund der Angriffe im IX. Jh mit äusserem und innerem Verteidigungsring sowie Aussenposten immer stärker befestigt werden. Man überließ zeitweilig Teile des Rheinmündungsgebiets in den 840ern sogar dän. Anführern, damit sie ihre plündernden Kollegen abwehren sollten. Eine Praxis, die im Westfrankenreich mehrfach angewendet wurde, einige Jahrzehnte später auch in der Normandie. Da sich das frühe Modell aber wohl als nicht sehr erfolgreich erwies, wurden diverse Rheininseln von nachdrängenden Nordmannen als Stützpunkte für „raids“ genutzt, so beim Hochwasser des Jahres 864 als sie Xanten angriffen. Der Kirchenschatz fiel in ihre Hand, weil die Geistlichen hptsl. darum bemüht waren die Gebeine des Hl. Victor nach Köln in Sicherheit zu bringen. Als die Nordmannen von dort weiter flußaufwärts einen Königshof angriffen, erlitten sie eine empfindliche Schlappe, verloren über 100 Mann und konnten eines ihrer Schiffe nicht mehr bemannen, das leer zurück blieb. Kg Lothar II. von Lotharingen (reg 855-869) wollte nun eigene Schiffe rüsten, um die seeerprobten Angreifer von den Inseln zu vertreiben, aber sein Vorschlag fand keine Zustimmung.
Viele Orte verdanken ihre Entstehung nicht nur der Stillung elementarer Grundbedürfnisse (Wasser, Salz) oder Nutzung von Energieträgern (Wasser, Holz), sondern auch dem Transport Existenz sichernder Rohstoffe (Salz, Eisen- u Buntmetallerze). Ein frühes Wegesystem entstand in der Bronzezeit mit überregionale Bedeutung, siehe bekannte „Zinn- und Bernsteinstraßen“. Viele Routen wurden seit Jahrtausenden begangen. Hinweise dazu geben Strecken entlang alter Gräber, wie röm Straßen an keltischen Grabhügeln, man folgte alten Wegen oder Routen zu erdgeschichtlich bedeutsamen Stätten, oft Kultplätze, von der Kirche wachsam registriert. Der Warentransport war finanziell aufwändig, deshalb hat man damals wie heute kalkuliert, mit dem Finger auf der Tastatur oder spitzem Stift auf der Wachstafel, bzw Pergament, es sind zahlreiche Reiseberechnungen des MAs bekannt. Man versuchte auch damals kostengünstige Lösungen zu finden. Flußabwärts nutzte man für Wagengespanne Flöße oder schnell zu bauende Flachbodenschiffe. Als One-Way-Transportmittel brachten sie durch den Holzverkauf an den „Niederläufen der Flüße“ bares Geld, kein Transportträger vermag das für sich heutzutage in Anspruch zu nehmen [nachhaltig ist das natürlich nicht]. Der Flußtransport von Pferden war nicht ohne Risiko und vor allem nicht ganz billig. Beim kurzen Übersetzen mit Fähren konnte Pferde Flußläufe durchschwimmen, wenn man das Leitpferd, meist eine Stute, kenntlich an der umgehängten Glocke, am Heck des Bootes angebunden hatte folgten die anderen ihm nach. So überwanden vor allem Reitereinheiten Flußhindernisse. Esel weigern sich für gewöhnlich Flußläufe zu überqueren, deren Grund sie nicht sehen können. Deshalb baute man ihnen Brücken, sogenannte „Eselsbrücken“. Nutzte der König mit seinem Gefolge für längere Streckenabschnitte das Schiff, bot sich die Gelegenheit auf Reisen Hof zu halten und zu konsultieren, eine bequeme und sichere Fortbewegungsart. Sicherheit war auch für fahrende Händler ein wichtiger Aspekt, der allerdings bezahlt werden musste. Zwischen Straßburg und Köln waren im SMA auf der Reise flußabwärts 12 Zollstationen zu passieren, was nicht selten als widerrechtlich bei Klagen geahndet wurde. Denn Wasserwege galten als Straßen des Königs und waren entweder von Abgaben befreit oder falls vonnöten, nur an ihn, bzw an seine Befugte, zu leisten. Warenströme anhand vom Wasserwegen festzumachen ist nicht leicht, doch es gibt einen Indikator, nämlich Keramik. Sie hat grundsätzlich einen ausgeprägt regionalen Charakter und ein längerer Landtransport wurde meist vermieden, während hingegen die Verbreitung über See- und Wasserwege problemlos war. Das läßt sich genauso „am Weg“ antiker Amphoren festmachen wie am Steinzeug des SMAs. Den groben Skizzierungen oben ist zu entnehmen, dass es eindeutig Gewinner bei Transportwegen zu geben schien, die Warenströme aber je nach natürlicher Begebenheit, dem Beförderungsgut oder nach gewähltem Transportmittel auch schnell wieder versiegen konnten. Es gab Regionen, deren Aufstieg durch die Lage vorprogrammiert war, wie Korbach in Nordhessen, Cannstatt, bzw Stuttgart, Rottweil am Neckar mit Sitz des überregionalen Hofgerichts, Kempten im Allgäu oder der Augsburger und Nürnberger Raum, teilweise mit günstiger Rohstofflage, dass gewiefte Händler und geschickte Handwerker nur gewinnen konnten. Nürnberg lag hinzu günstig auf der großen Landbrücke zwischen Main und Donau, die so mit Gewässern durchzogen war, dass Karl I. (d Gr) aus strategischen Gründen einen Kanal zu bauen begann. Vom Main aus gab es schiffbare Flüße nach Süden, aber beim Königshof in Weißenburg musste auf Wagen verladen und zur Altmühl transportiert werden, von dort ging es weiter flussab zur Donau. Blickt man nun in die Gegenrichtung sollte durch den Kanalbau die Altmühl bei Treuchtlingen gen Nord auf Weißenburg zu mit der Schwäb. Rezat verbunden werden, welche bei Roth in die Rednitz mündet. Der Zusammenfluß von der östl. über Nürnberg kommenden Pegnitz mit der Rednitz bei Fürth (Rednitz-Furt) wird ab hier Regnitz genannt, fließt gen Nord am Pfalzort Forchheim vorbei und mündet im Raum Bamberg-Hallstadt in den Main. Auch dieser Raum war, wie das Leinetal in Niedersachsen oder die besprochenen Streckenabschnitte auf der schwäbischen Ostalb verkehrstechnisch von übergeordneter Bedeutung. Wie sehr verstand man es regionale Begebenheiten „geo-strategisch“ wahrzunehmen! Das erforderte ein hohes geografisches Verständnis. Jeder der plante, ob Kriegs- oder Kaufmannszug musste eine Vorstellung von Raum und Entfernung haben, bzw Berater mit hohen örtlichen Erfahrungswerten. Beim Vormarsch von Armeen nutzte man Ortskundige und steckte Routen ab, wie der Dt. Orden in Litauen durch seine Leitsmannen [DO, S. 54]. Man schickte nicht ein Heer irgendwo hin oder holte Waren irgendwo ab. Das Gefühl für die geografische Situation wird höher gewesen sein, als wir uns das vorstellen können. Alle oben beschriebenen Wege sind Fernreisenden zumindest in Teilstrecken bekannt gewesen, ohne dass sie Kartenmaterial benötigten. Das waren nicht wagemutige „Süßwasser-Kolumbusse“, sondern über viele Generationen unzählig viele Personen, die auf Reisen ihr Geld verdienten. Das Transportwesen galt nicht unbedingt als angesehene Berufsgruppe, ausgenommen Kuriere als vertrauensvolle Boten, oder Gesandte, wobei dies nicht selten Fernkaufleute waren, die „nebenbei“ ihr Geld verdienten, bzw umgekehrt diplomatische Aufgaben wahrnahmen. Man benötigte Gespür und Ortssinn, wusste die „Natur zu lesen“, transportierte Güter, Geheimnisse und Neuigkeiten, war hellhörig für politische Situationen, für Zölle, Stapelrechte, Freiheiten und Privilegien - wichtige dirigistische Maßgaben für Verkehrsströme. Ansonsten regelten sich Märkte und Transportwege durch die üblichen Faktoren von Angebot und Nachfrage, geschäftliche Verbindungen und Verträge oder durch das Konkurrenzdenken. Mut zum Risiko wurde belohnt. Gefahren gab es zur Genüge. Allzu großes Sicherheitsbedürfnis konnte ein Hemmschuh werden, jegliche Unternehmung hat bis heute mit teils erheblichen Risiken zu tun. Das macht Niederlagen bitter, aber den gerechten Gewinn um so süsser. Ich kann aus meiner persönlichen Situation nur bestätigen: Es ist ein durch und durch mittelalterliches Lebensgefühl, wenn man nicht den sicheren Lohn kennt, sondern nur 0 oder 100, alles oder nichts, was im Sommer nicht eingebracht ist, steht im Winter nicht zur Verfügung... Die Ausführungen sind nun bereits erheblich ausführlicher als urspl. gedacht oder geplant. Doch vermittelten sie mir eine räumliche Vorstellung unseres Raums, die ich vorher nicht besass. Möge der Leser angeregt sein weiter „forschend reisend“ die Landschaft mit „wachem Auge“ wahr zu nehmen...
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Anmerkungen, Literatur und Quellenverweise (Information für oben verwendete Kürzel [fett]):
1/ Zu den westfälischen Wappen u.a. nach Reinhold Stirnberg, Bevor die Märker kamen [pdf-Dok o.J.], zu den Schilden in Marburg siehe u.a. Jan Kohlmorgen, Der mittelalterliche Reiterschild, Wald-Michelbach 2002 und zu den hessischen Dynastien R. Knappe, MA Burgen in Hessen, Gudensberg-Gleichen 1995, S. 149f u 166
2/ Der Lehnsträger oder -nehmer war verpflichtet sich mit der ganzen Person in Rat und Tat für die Interessen des Lehnsherrn einzusetzen. Mannfall bedeutete den Tod des Lehnsträgers und der Erbberechtigte musste binnen eines Jahrs und Tags die Neubelehnung einholen. Beim Herrenfall verstarb der Lehnsherr und Lehnsträger hatten Geschenke in Form einer Gold- oder Silbermünze zu entrichten für die Recognitio des neuen Herren, dazu kamen Kanzleigebühren zur Neuerstellung des Lehnsbriefs. Der Heimfall bedeutete eine grundsätzliche Neubelehnung, nachdem alle Rechte an den Lehnsherrn zurückgefallen waren, was aber wohl nur selten vorkam. Es wurde im Extremfall verlangt, dass Pferd und Rüstung, Heergewäte oder Herwardium durch den Rechtsnachfolger des Verstorbenen herausgegeben werden mussten, das zeigt deutlich, dass Lehen und Ausrüstung nur zeitweilig im Besitz des Nehmers und eigentlich Eigentum des Lehnsherren waren! Eine Erbfolge wurde durch das Dienstmannrecht oder Manngutrecht geregelt, bei letzterem waren nur männliche Nachkommen erbberechtigt, bei erstem auch weibliche Verwandte als Kunkel- oder Weiberlehen, welche aber die „Vermannungspflicht“ hatten, um einen waffenfähigen Dienstmann zu stellen. Dazu wurden im Stift Essen z.B. im XIV. Jh Lehnprotokolle schriftlich fixiert. Durch Wegfall/Entfremdung mancher Lehen an Grund und Boden wurden sie auch auf Ämter, die Gerichtshoheit, Zehnte, Höfe, Bachläufe, Mühlen, Fischereien und diverse Einkünfte ausgedehnt. Noch im XVIII. Jh waren tradierte Symbole bei der Besitzergreifung üblich, wie das Ausbrechen und die Übergabe eines Stückchen Holzes aus dem Türrahmen bei Übernahme des Hofes, Übergabe eines Zweiges bei einem Waldstück, Torf bei einer Wiese oder Halm bei einem Feld, etc [Küppers-Braun, U.: Macht in Frauenhand. 1000 Jahre Herrschaft adeliger Frauen in Essen MiF, Essen 4. Aufl 2008, S. 30ff].
3/ Quellen zu Handelswegen im MA: Ade-Rüth-Zekorn (Hrsg.): Alamannen zw. Schwarzwald, Neckar u Donau [AlaSND]. Ausstellungskatalog, Stuttgart 2008 / C. Bub: altstrassen-in-hessen.de / Dusek, S. (Hrsg.): Führer zu archäologischen Denkmälern in Deutschland [FarD], Bd 28 Südliches Thüringen, Stuttgart 1994 / Dusek, S. (Hrsg.): Ur- und Frühgeschichte Thüringens [UFTh], Stuttgart 1999 / Eckhardt, K.A. (Hrsg): Sachsenspiegel, Landrecht (MGH Fontes Iuris Germanici Antiqui. N.S. Tomus 1, I), 3. Aufl. 1973 / Fütterer, P.: Wege und Herrschaft. Untersuchungen zu Raumerschließung und Raumerfassung in Ostsachsen und Thüringen im X. und XI. Jh, Diss Magdeburg 2014 / Fuhrmann, R.: Der Deutschorden (Der Dt. Orden). Von Akkon bis zum Baltikum. Die Armee 1198 bis 1420, Berlin 2008 [DO] / Haedeke, H.-U.: BERG u MARK. Menschen, Eisen und Kohle [BuM], Solingen 2000 und Menschen u Klingen. Geschichte u Geschichten [MuK], Solingen 1994 / Hecht, W.: Rottweil 771-ca. 1340. Von „rotuvilla“ zur Reichstadt [Rottw], Rottweil 2007 / Krabath, St.: Die hoch- u spätmittelalterlichen Buntmetallfunde nördlich der Alpen, Rahden 2001 / Krausse, D. (Hrsg.): Die Alamannen auf der Ostalb [AlaO]. Ausstellungsband Ellwangen 2010 / Lammers, D.: Das karoling.-otton. Buntmetallhandwerker-Quartier auf dem Plettenberg in Soest, S. Beiträge zur Archäol., Bd. 10, Soest 2009 / Lauer, H.A.: Archäolog. Wanderungen III in Südniedersachsen [LWIII], 1988 / Menghin, W.: Frühgeschichte Bayerns [FrBa], Stuttgart 1990 / Perin-Menghin-Wieczorek-vWelck: Die Franken - Wegbereiter Europas 5. bis 8. Jh n. Chr., Ausstellungskatalog (2 Bde) Mainz 1997 / Schietzel, K.: Spurensuche Haithabu. Dokumentation u Chronik 1963-2013, Neumünster/Hamburg 2014 / Hinweis- und Ortstafeln: Bonifatius-Weg, Büraburg-Fritzlar, Christenberg (Nordhessen), Dietkirchen (Lahngau), Graben (Franken), Iburg bei Horn, Mainz-Kaestrich, Obermarsberg, Pfalz Paderborn, Pfalz Tilleda, Winzenburg (Niedersachsen)
4/ Nachdem Antike und FMA vielfach den eher schmalspurigen zweirädigen Karren nutzte, lag die Spurbreite eines vierrädigen Wagens des XII. Jhs, rekonstruiert durch „Experimentum eV“ 2007/08 nach Plänen aus Norddtld und Befunden des Hellwegs Nähe Paderborn, bei 1,30m (vierrädige Varianten bereits aus Hallstatt-Zeit überliefert, siehe „Hochdorf“ c550vC). Auf einer röm Straße bei Kornwestheim mit Muschelkalkplatten und Schotter fanden sich Fahrrillen in 1,30-1,40 m Breite. Die mittelalterlichen Hohlwege zur Versorgung der Steinsburg auf dem Kleinen Gleichberg bei Römhild wiesen Spurbreiten von 1,60 m auf, in der Nähe wurden latenezeitliche Radabstände von nur 0,60 bis 0,80 m gemessen [FarD28, S. 145 u 241], werden also vermutlich von Karren stammen. Das deckt sich mit erkennbaren Abdrücken auf der Via Appia Antiqua (Rom-Capua seit 312vC) von 0,70 bis 0,80 m. Im Alpenbereich wiesen die röm Geleisestrecken von Mittenwald-Klais oder Augst-Solothurn 1,07 m Breite auf, überlagert durch mittelalterliche Spurbreiten von 0,97m. Es wurden also auch hier vermutlich eher Karren genutzt als grössere Wagen auf ebener Streckenführung. Vielleicht war ein Umladen auf diese speziellen Fahrzeuge vor Pässen vonnöten? Im MA entwickelten sich am Fuß von Paßstrassen aus Herbergen Fuhrmannsdörfer und ganze Wirtschaftszweige, wie im Thüringer Wald, auch die Einwohner im Kanton Uri profitierten von Umlade- und Transportdiensten sowie der Pferde- und Maultierzucht, als Saumtiere genutzt [W. Heinz, Reisewege der Antike, 2003 / Bory, Die Geschichte der Fremdendienste 1980, S. 30].