Hinweise zur Wegführung durch die Jahrhunderte


VI-VIII

500-800

[RKZ I-V bis 500]

IX-XI

800-1025

XI-XIII

1025-1250

XIII-XIV

1250-1350

[Fibeln XIII-XIV]

2. H. XIV

1350-1400

[Beutelhalter XIII-XV]

[Knieriemen XII-XV]

1. H. XV

1400-1450

XV-XVI

1450-1520



DRAGAL

Rekonstruktion von Leibgürteln für das Reenactment

Früh-, Hoch- und Spätmittelalter (kurz FMA / HMA / SMA)

oder Imagination anhand von Sachobjekten



= = =



Das zweite persönlich etwas schwierige Jahr in Folge neigt sich nun dem Ende.

Leider war das Durchreichen der gestiegenen Unterhalts- und Rohstoffpreise unumgänglich.

Ich danke alle Kunden, die bisher gewillten waren diesen Weg gemeinsam mit mir zu beschreiten !

Auch danke ich für die Geduld, die bei einigen auf eine harte Probe gestellt werden muss(te).

Jeder Auftrag und Arbeitseinsatz ist zeitaufwändig, da immer individuell gestaltet.

Der Tätigkeits-Schwerpunkt liegt nun nicht mehr auf den Märkten,

aber darüber wurden viele Aufträge angenommen, die nun abgearbeitet werden müssen.

Hinzu gibt es noch ein paar „Altlasten“, die definitiv Vorrang haben !

Erst dann wird sich neuen Aufgaben gewidmet …



Bislang wurde versucht nach dem Grundsatz „Suchen – Finden - Umsetzen“ zu arbeiten.

Der Text-Wust und die äußere Form der Seiten in „Retro“-Darstellung mag abschrecken,

aber es sei nicht die Aufgabe Altertümliches zeitgemäß „hip“ zu präsentieren, das Feld soll anderen überlassen werden.

Zunächst ist das eigentliche Arbeitsgebiet zu erkennen und zu definieren.

Dazu werden Fakten gesammelt, ohne im Detail zu wissen ob sie dauerhaft von Belang sein werden,

es lohnt ihnen weiter nachzugehen, sie zu ändern oder zu löschen sind, also work in progress.

Im Kleingedruckten [liest es niemand] wurde bislang erwähnt, dass dieses Projekt maximal zu einem Viertel als fertig erachtet wird

[deshalb hier deutlich wiederholt], dabei ist keineswegs Quantität, sondern Qualität gemeint.

Mit jeder tief gehenden Recherche wird einem mit Schrecken bewusst, wie wenig man doch von der Materie weiss...

Es muss also verbessert, gestrafft und aussortiert werden, einige Bereiche werden wohl irgendwann ganz raus fallen.

Das Projekt ist ein mühsames Freikratzen, um sich Stück für Stück ins Thema einzuarbeiten;

und wie haben sich einige Vorgänger vornehm ausgedrückt: hier wird nicht mit gelahrter Feder geschrieben.

[KonsolenzierBamberg]

Es steht keineswegs die Frage: „Wie es war“ im Vordergrund, sondern „Warum es war“. Es ist der Versuch zu verstehen...

und es ist der eigene Anspruch zu erahnen „Warum es ist“ - der Sinn jeglicher Vergangenheitsbetrachtung.

Bei aller Freude an der Sache, der Kommunikation, dem Austausch mit Gleichgesinnten,

der Neugierde und dem kriminalistischem Gespür für das Vergangene, den Impulsen, die uns beflügeln,

mögen daraus gewonnene Erkenntnisse hilfreich sein, um wachen Auges durch jegliche Zeiten zu wandeln.

Wie in der Überschrift erwähnt, geht es um „Imagination“ als eine Form der Belebung,

aber auch um Reflektion, also Kopfarbeit mit gewissem „Wohlfühlcharakter“, hm … das zum Thema „Mittelalter“ (?)

- doch geht … aktuelle Ereignisse zeigen, dass diese Zeit nicht besser und schlechter war als andere auch.



Aus der Überzeugung Dinge nie losgelöst von ihrem Kontext zu betrachten - denn es ist nicht beliebig wer etwas trug und

verwendete, wie und wo es erstellt oder in welcher Form erhalten wurde - soll nach Gründen gesucht werden,

die historische Objekte in der Form beeinflusst haben mögen, um das Umfeld zu verstehen, aus dem sie stammen,

nicht unerheblich, wenn man diese Zeit darstellerisch vor Publikum beleben möchte [Hauptintention].

In der Darstellung übernimmt man von aussen betrachtet eine Rolle, ob man will oder nicht.

[= Derjenige, welcher einfach nur Spaß an der Darstellung sucht - was jedem herzlich gegönnt - wird sich jetzt hier irgendwo ausklinken =]



Der soziale Hintergrund einstiger Nutzer ist von entscheidender Bedeutung.

Quellen eine soziale Ordnung zu entnehmen ist schwierig, nicht weniger schwer im Replikat umsetzbar.

Viele beschäftigt die Frage: „Kann ich das denn tragen?oder „Ist dies für meine Darstellung angebracht?“.

Dazu geht es kritisch an die Quellen und richtet sich auch auf die Auswahl eigener Erzeugnisse, Unfehlbarkeit steht niemandem an.

In manchen Bereichen wurden gewisse Annäherungswerte zu hist. Objekten erzielt, andere harren noch der Anfrage durch Interessenten...

Abgebildete Rekonstruktionen wurden für Kunden angefertigt und sind nicht mehr in meinem Besitz (eine erneute Erstellung benötigt also Zeit),

oft wurden individuelle Lösungen getroffen. Also sind Entwürfe mit einem gewissen Zeitaufwand abzusprechen.

Die Bilderreihen auf den Seiten sind rasch aufzufassen, man bedenke aber, dass sie ohne das begleitende Wort, losgelöst vom Kontext

jeglichen Hintergrund missen lassen – aus diesem Grund werden keine Bilder in irgendwelchen sozialen Medien veröffentlicht.

Wenn Maschinen dies tun, ist es deren Sache, der menschliche Betrachter sollte wachsam bleiben !

Der rote Faden hier laute demnach:

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Geschichte der Gürtelmode „unter sozialen Aspekten“ anhand von Replikaten

Angestrebt wird das V. bis XVI. Jh. durch Gürtelrekonstruktionen exemplarisch vorzustellen, ausgehend von originalen Fundstücken sowie zeitgenössischen Kunstwerken und Textbelegen, mit speziellem Augenmerk auf die sich entwickelnden Riege der Bürger. Ein Ansinnen, das bereits in der 2. Hälfte des XIX. Jhs in Nachwirkung der Romantik formuliert wurde: Die bürgerliche Kultur auf der Suche nach ihren Ursprüngen, z.B. in der intensiven Beschäftigung mit der Dürerzeit. Impulse zu Veränderungen gingen von den adeligen Schichten aus, welche Mode machten. So ist die Beschäftigung mit deren Formen unerlässlich, doch eher im abgrenzenden Sinne, denn das angepeilte Ziel liegt sozial tiefer. Objekte der Herrschenden wurden durch innovative Gold- und Silberschmiede erstellt. Nachahmende Produzenten könnten deren Ergebnisse als richtungsweisend aufgefasst haben, Material und Herstellungsweise vereinfachend, hin zur „Massenproduktion“. Es wird nach überlieferten Statuten der Gürtlerzunft gearbeitet und meist „Rinkenbleche“ gesetzt, also Schnallen mit Blech und Nieten befestigt. Manchmal war nur der Dornachsenbereich kurz gefalzt oder es gab schmale unterlaufende Stege und Gußformen mit Einschub sowie einseitig aufgenietete Schnallenbeschläge. „Riemer“ nähten Schnallen an, jenen war das Erstellen von Gürtelblechen nicht erlaubt. Die Zuordnung der Replikate nach sozialen Gesichtspunkten ist selbstverständlich als Empfehlung zu verstehen. Solche Beurteilungen stellen die größte zu nehmende Hürde dar. Die Erstellung eines Replikats ist keineswegs die gesamte Arbeit, vorangegangen sind Recherche und der Versuch gesellschaftliche Bezüge des Originals zu erkennen.

Ein kritischer Umgang mit der Historie ist beabsichtigt im Sinne Johan Huizingas (1872-1945), demnach sich eine Kultur durch Vergangenheitsbeschäftigung über die eigene Historie Rechenschaft ablegt, das schließt ein kritisches Abwägen mit ein. Daraus erwächst Verantwortung für die Zukunft, oft postuliert. Was hinterlassen wir, welche Weichen stellen wir? Man wird uns nicht nur an den Taten messen, sondern auch an unseren Beurteilungen. Es geht nicht minder um eine gewisse Verpflichtung gegenüber unseren Vorfahren, das mag nun irreal klingen. Wir sind jenen etwas schuldig durch Anerkennung ihrer Leistungen und sorgsamen Umgang mit dem, was uns hinterlassen wurde, denn das machte uns zu dem was wir sind.

...speziell an die „Kulturschaffenden vom laufenden Bild“ [1]






I. Einführung (ordo in Gesellschaft, Zeit und Raum)

II. „Private Forschung“ und ihre Grenzen

III. Die Ständegesellschaft

IV. Quellen

V. Urheber der Quellen: Kunst-Handwerker im HMA/SMA

VI. Hinweise für schlichte Darstellungen

VII. Hinweise für Interessenten (5 Fragen) / mail-Kontakt

VIII. Markttermine für Ende 2024

IX. Thematische Exkurse

X. Rechtliches, Impressum u Literaturhinweise



[Info: Abkürzungen, die häufig benutzt werden, wie „röm, frz, dt, Jh, mglw, bzw, etc, usw“ haben keinen angehangenen Punkt, da er im Schreib- und Lesefluß stört. Zitate sind nicht wie gewohnt mit Autor und Erscheinungsjahr gekennzeichnet, sondern meist aus Platzgründen mit einem Kürzel in fett, denn sowohl Textstellen, als auch Bilder in der eigenen Datenbank wurden damit versehen, LitEmpf. = Literatur Empfehlung]



Nun zu den Grundlagen, das recht ausführlich - oder man springt direkt ins angepeilte Jahrhundert, dazu wieder zurück nach oben,

geht aber auch über Hinweise zur Wegführung durch die Jahrhunderte




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I. Einführung

Das Projekt hat einen breit angelegten Betrachtungszeitraum, was Vereinfachungen notwendig macht. Wie weit ist das SMA vom FMA modisch entfernt! Und wie sehr sind wir heutzutage vom Damaligen entfernt, bemüht die Relikte mit Inhalten zu füllen, um den Zeitgeist ihrer „Schöpfer“ und das mittelalterliche Lebensgefühl zu erfassen oder gar als Reenacter nachempfindend zu beleben.[2] Zu einzelnen Jahrhunderten sind einführend politische und kulturelle Begebenheiten angerissen, damit Gürteltypen in ihrem zeitlichen Kontext gesehen und Modifikationen aus diesem Umstand heraus erklärbar werden. Der Schwerpunkt liegt auf der zivilen Gürtelmode, dem Leib- oder Kleidergürtel [Definition: 3]. Als Bestandteil der Kleidung konnte er jene raffen, in Form halten und dazu dienen Gegenstände, wie Tasche, Beutel, Messer, Dolch, Sax, Schlüssel, diverse Werkzeuge und sonstige Utensilien des täglichen Gebrauchs zu tragen. Waffengurte waren untrennbar mit der Waffe verbunden, wie Schultergurte, Köchergurte oder stabile Gurte mit Spannhaken für Armbrustschützen und ähnliche Spezialformen. Schwertgurte hatten meist besondere Befestigungen für die Scheide, ein Spathagurt war definitiv kein Leibgürtel. Für den Waffengurt öffnet sich damit ein eigenes Untersuchungsfeld. Besonderen Nimbus erfuhr der standesgemäße Schwertgurt des HMAs, im Reich meistens gebunden und seit den ersten Jahrzehnten des XIV. Jhs auch geschnallt. Er kennzeichnete mit der Waffe den Stand als sichtbares Zeichen der Privilegien verliehener Macht. Eine deutliche Ausweitung der Schwertträger im SMA verdeutlicht die ursächliche Verknüpfung von militärischen Umwälzungen mit sozialen Veränderungen. Waffen sind Ausdruck von Konfliktsituationen in einer Zeit, die daran keinen Mangel hatte: Im Sachsenspiegel ist das Recht zur Notwehr deutlich formuliert, ein Reisen ohne Waffen war unmöglich, Nachbarschaftsstreitigkeiten wurden nicht selten mit der Waffe ausgetragen, zur Verhinderung dessen spielten Richterämter eine zentrale Rolle. Bei der Darstellung politisch-militärischer Ereignisse ist die Waffe unentbehrliches Utensil. Auf Abbildungen mit „biblischen“ Szenen (als Altarretabel vor allem Quelle im SMA) hält man die Auswahl der Bewaffneten auf bestimmte Personengruppen begrenzt! Die Waffe markiert den Stand und die Rolle des Trägers im Gesamtgefüge, sie ist Erkennungszeichen.[4]

Sozialer Kontext – Mode - Symbolik: Der Leibgürtel war Kleidungsbestandteil und galt damit nicht nur bei gehobenen Schichten als Ausdruck der gesellschaftlichen Stellung und sozialen Ordnung. Kleidung hat grundsätzlich eine abgrenzende und Identität stiftende Funktion, Stichwort dresscode. Gürtel oberer Schichten konnten mit ihrer schmückenden Zier raschen modischen Änderungen unterworfen sein, wenn solches demonstriert werden musste. Ein Generationen- und Machtwechsel, eine neue politische Orientierung oder Konstellation, eine Heirat, eine diplomatische Geste brachte neue Moden hervor, um diesen Wandel auch äußerlich zu unterstreichen. Auf der anderen Seite besitzt Mode, unter dem Begriff „Tracht“, ein statuarisches Moment, um Stabilität zu signalisieren. Eine Doppelfunktion, die vor allem bei Herrschenden gut zu beobachten ist. „Kleidung ist eine Sprache, mit der in einer Gesellschaft kommuniziert wird“.[5] Es gilt nach wie vor die Redewendung „ein Amt bekleiden“ und unterstreicht Autorität durch äußere Erscheinung. So tragen Richter heutzutage unter dem heraldischen Adler im Saal des Verfassungsgerichts in Karlsruhe rote Roben mit Barett und gefältetem weissen Bäffchen nach Anleihen von Richterroben des XV. Jhs aus Venedig. Im frz Königshaus hatte der Bischof von Noyon das Recht in der Krönungszeremonie dem Herrscher den speziellen „Krönungsgürtel“ umzulegen. Überlange Gürtelformen bei Madonnendarstellungen oder jungen weiblichen Trägerinnen symbolisierten Jungfräulichkeit, das Lösen des Gürtels folglich deren Ende“, wie es treffend H.D. Mück formulierte [IWoI, S. 46]. Gürtel und deren Bestandteile fungierten also in Form einer stimmlosen Kommunikation, bsplw auch durch emblematische und lesbare Buchstabenkombinationen von Beschlägen, deren Anzahl zum SMA hin zunahm, was den gestiegenen Bildungsgrad des Bürgers verdeutlicht. In Mythen und Sagen galten Gürtel als „Träger der Kraft“, man denke an die „Gunther-Brunhild-Szene“ im Nibelungenlied oder an die Königstochter der „Legenda Aurea“, welche den Drachen, der durch Georg verwundet worden war, an ihrem Gürtel gezähmt zur Stadt führte, wo Georg ihm schließlich den Garaus machte, damit sich die Einwohner dem Christentum zuwandten. Mit Edelsteinen oder Perlen besetzte Textilgurte gehobener Schichten hatten vielfach Amulettcharakter und sollten magischen Schutz bieten, Unheil abwehren. In Fächern wurden Amulette oder Reliquien aufgenommen, siehe Funde in Sutton Hoo oder Gondorf/Kr Mayen-Koblenz aus dem VII. Jh mit einem seitlichen Scharnier und Hohlraum sowie aus Grab 8 von St. Ulrich und Afra in Augsburg um 600 oder die Riemenzunge von Walda/Donau Ende des VII. Jhs mit einem Schiebedeckel. Gürtel konnten selbst Reliquien sein (Liudger/Werden, Kunigunde/Bamberg, Lubin/Chartres oder Maria/Aachen und Augsburg). Sie waren kostbare Hochzeitsgeschenke mit rituellem Charakter, siehe Schatzfunde aus Erfurt gegen 1350. Ganz profan zur monetären Aufbewahrung und zum Geldtransport wurden Gürtel bis ins XX. Jh durch Einnähen oder verdeckte Fächer genutzt. Während der Belagerung von Akkon durch Guy de Lusignan ab August 1189 versuchten muslimische Schwimmer eingeschlossenen Glaubensbrüdern in der Stadt, durch Geld und Lebensmittel an ihren Gürteln befestigt, Hilfe zu bringen. Es war jene Belagerung, welche zwei Jahre nach Verlust Jerusalems der Christenheit einleitend zur Rückeroberung der Hl Stätte einen sicheren Versorgungshafen bringen sollte und niederdeutsche Kaufleute, nach dem Gründungsmythos des Dt. Ordens, unter dem Schiffssegel eine Krankenstätte einrichteten. Segel nach dem Anlanden als Zeltplane zu nutzen scheint übliche Praxis gewesen zu sein, vor allem wenn bauliche Infrastruktur fehlte, wie es bei Belagerungen voraus gesetzt werden kann und man ein Vielzahl von „provisorischen Behausungen“ benötigte.


Die Wissenschaften haben hervorragende Voraussetzungen geschaffen, um Darstellungen umzusetzen. Ihre Aussagen sind sachlich und wohl begründet, aber duchaus spekulativ in Form anfechtbarer „Diskussionsbeiträge“. Sie sind kein Dogma. Jede Erkenntnis hat ein kurzzeitiges Moment, kann durch neue Ergebnisse hinterfragt werden. „Wissen“ hat auch mit „Glauben“ zu tun, bzw mit Vertrauen. Nicht jeder vermag sich mit Primärquellen zu beschäftigen. Aus rationalen und vielleicht eher aus rationellen Gründen vertrauen wir Sekundärquellen. Wir können ihnen folgen, übernehmen Aussagen oder zweifeln sie an. Und Aussagen müssen getroffen werden, in Wort und Tat, auch wenn sie nicht dauerhaft Gültigkeit behalten – „richtig oder falsch“ ist unangebracht, weil nicht zu objektivieren und „wahrhaft“ schnell durch Zeiten überholt. Wir haben alle unser „eigenes Mittelalter“ in den Köpfen und jeder legt nach Wissen und Neigung andere Schwerpunkte, fokussiert auf diverse Aspekte der gut 1000jährigen Zeitspanne. Das erzeugt hochgradige Spezialisten. Diese nicht wissenschaftliche Arbeit hier versucht einen breit angelegten Überblick zu schaffen, dabei liegt mancher „Stolperstein“ auf der Strecke...ein gravierender ist, dass die Historie einen „roten Faden“ suggeriert und damit Ereignissen einen Zwang verleiht, der sich so aber nur „Spätbetrachtenden“ zeigt, dazu U. Ziegler:„Was in der Abfolge von Ereignissen als logisch erscheint, ist durchaus nicht immer logisch: Geschichte kennt keine inhärente Logik.“[ZDO, S. 15] Das heißt Menschen vergangener Zeiten unternahmen viele Dinge, die aus heutiger Sicht überhaupt keinen Sinn machen, damals aber in gewisser Erwartungshaltung für notwendig erachtet wurden. Im Nachhinein trafen die Ereignisse jedoch nicht ein, der Entwicklungsgang nahm einen anderen Verlauf und wir nehmen diese Fehleinschätzung dann vielleicht als unsinnig wahr.

Die Vergangenheit hat eine Zukunft, die niemand erwartet.“

Raoul Peck = Rottet die Bestien aus =

Herzog Harold mit abgeschnalltem Spathagurt in Verhandlung mit Graf Wido (re nicht sichtbar), li angeschnitten das Gefolge Harolds, scheinbar mit einschneidiger Klinge, kann aber auch ein Verzug der Teppichfäden im Bereich des Schwert-Orts sein. Interessant ist bei beiden Schwertgurten Schnalle und Zunge, 2. H. XI. Jh

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ordo in Zeit und Raum („Mittelalter“ ?)

Der Begriff „Mittelalter“ wäre den meisten Menschen dieser Zeit eigenartig vorgekommen: „Mittleres Alter“ - von was? Deshalb wird auf diesen Seiten dieser Epoche das Eigenständige genommen und eher versucht dem damaligen Lebensgefühl nachzugehen! Niemand weiß nämlich in welcher Zeit er steckt, Bezeichnungen dafür werden erst später gefunden. Die wissenschaftliche Begrifflichkeit der offiziellen Geschichtsschreibung soll selbstverständlich zur Verständigung beibehalten werden, aber das ist - wohl jedem klar - eine Art „Schubladenschrank“ und nur der Kommunikation dient solch ein Konstrukt. Reales Leben hat eine gänzlich andere Wahrnehmung und sie ist schwer aufzuspüren, gelingt es jedoch, können hinderlich erscheinenden Problemfragen wie Dominosteinchen purzeln. Über Jahrhunderte wähnte man sich in der Mitte Europas gar nicht in einer eigenen Epoche, insbesondere die Herrscher eher in einer Art legitimen „familiären Generationenfolge“ zu römischen Vorgängern, man war im Römischen Reich, heilsgeschichtlich-christlich ausgerichtet. In dieser Rolle sahen sich Franken, respektive Karolinger sowie alle Herrscher bis ins HMA, selbst sächsische Vertreter kamen mit der Kaiserwürde nicht umhin imperiale Größe im Reich und in Italien zu demonstrieren. Es war unumgänglich in den „Väterlichen Fußstapfen“ zu bleiben. Urkunden von 1034 bezeichnen Konrad II. als Herrscher im „romanum imperium. Der verpflichtende Reichsgedanke war eine gewaltige Bürde und zugleich die entscheidende Wendemarke im HMA, an der die Staufer in Italien scheiterten, damit setzte ein Bewusstseinswandel ein. Römisches wurde eigentlich schon lange von den Italienern beansprucht, allerdings mit anderer Ausrichtung, nicht das Imperium oder Kaisertum, sondern die Republik beschwor man auf der Ebene der Kommunen. Im Zuge dieses Konflikts, in dem auch das Papsttum eine Rolle spielte, definierte sich der Raum nördlich der Alpen im SMA neu unter den Regenten aus den Häusern Luxemburg und Habsburg. Städte trugen dazu bei und Objekte der Alltagskultur konnten zum Spiegel des Umschwungs werden.

Um Änderungen und Wandlungen im Kulturgut zu erkennen, werden deshalb einige Themenbereiche auf den Seiten breit erörtert wie die Sozialstruktur und Verfassung des Gesellschaftssystems, das Gefolgschaftswesen oder das Bürgertum, wobei immer wieder Blicke in die Nachbarländer nach Italien oder Frankreich geworfen werden, weil von dort entscheidende Impulse in Sachen Mode, künstlerischem oder architektonischem Schaffen ausgingen. Für das FMA wird der slawische, englische und skandinavische Raum herangezogen im Wechselspiel mit kontinentalen Verhältnissen bsplw von Flecht- oder Tiermusterformen, siehe Entwicklung der „Tierstile I bis III“ hin zu den „Greiftierstilen“. Auch Fragen zur Beschaffung von Rohstoffen oder zum Transportwesen mit schwierigen Verkehrsverbindungen in den waldreichen Mittelgebirgszonen bis hin zur Bewußtseinserweiterung von Raum durch das Phänomen der unbewaffneten und bewaffneten Pilgerfahrten (Kreuzzüge) werden gestellt. Die Christianisierung vom VI. bis XI. Jh war in den jeweiligen Regionen entscheidend zur Entwicklung eines zentralen Königtums, nach dem Motto: ein Gott - ein Herrscher. Diese Zäsur lässt sich in Skandinavien, in Osteuropa und vorher im angelsächs. England nachverfolgen, Mode und Sitten einem starken Wandel unterwerfend. Wobei kein Schalter umgelegt wurde, sondern es heftige Kämpfe mit Märtyrern auf beiden Seiten und es zu jedem Christianisierungsversuch ein roll back in vorherige Verhältnisse gab, wie es in der skandinavischen Geschichte gut dokumentiert ist, wo diese Prozesse über einige Generationen wiederholt wurden.[6]

Am Themenkomplex Pferd und Reiter wird gearbeitet, denn das ist Kernpunkt des MAs – ohne Pferd, kein Ritter, kein Feudalsystem! Auch wäre das Reisekönigtum ohne Pferd undenkbar gewesen, nicht immer war das Schiff bequemer Transportträger. In einem „parforce-Ritt durch die Militärgeschichte“ werden Betrachtungen zum Reiter geführt, nicht ganz einfach heutzutage die Bedeutung zu ermessen, da nur wenige mit Pferden groß werden, damals jedoch in der Oberschicht eine Selbstverständlichkeit. Das Reiten prägte Grabausrüstungen, was aber nicht immer sogleich erkennbar ist, Beispiel Spathaschleppriemen im VII. Jh, auch ohne Spor, Zaum oder Steigbügel lag hier ein Reiter im Grab. Im Reenactment ist dieser Themenkomplex meist unterrepräsentiert, umgekehrt soll in der Beschäftigung damit keine Glorifizierung stattfinden. Reiter waren anderen Waffengattungen nicht automatisch überlegen, aber sie agierten mobiler, aufgrund von Beweglichkeit und Panzerung offensiv und flexibel, saßen bei Bedarf ab, nutzten die Pferde als Transportträger. In der Feldschlacht war dem Fußkämpfer eine statische Rolle zugedacht. Defensive Formationen im Schild- oder Lanzenwall boten das notwendige Rückgrat. Unterstützt durch Plänkler, Fernwaffen und Annäherungs-, bzw Geländehindernisse konnten Fußkämpfer Schlachten entscheiden, denn solche Riegel waren von Berittenen nur schwer zu durchbrechen. Ein massierter Reiterangriff, durchaus von enormer psychologischer Wirkung (!), war keineswegs Garant zum Sieg, wenn man sich nicht auf ihn einließ. Standesdünkel verlangten eine gleichwertige Antwort, die aber nicht immer gegeben wurde. Bezüglich der Ausrüstung nahm die Entwicklung des gepanzerten Reiters in Europa seinen Ausgang in der späten Römischen Kaiserzeit (RKZ). Römische Kavallerieverbände waren durch rasche Verlegung und Operationen in der Tiefe des Raums die notwendige Antwort auf barbarische Beutezüge, die häufig zu Pferd stattfanden, nicht nur durch Reiternomaden. Zu ihrer Abwehr galt der Streiter auf dem Pferd durch seinen offensiven Charakter als optimale Waffe, ein Befestigungswesen zwang in die Defensive. Beides wurde praktiziert und war gleichsam kostenintensiv. Der weiteren Entwicklung im Mittelalter waren die Wege mit (Wall-)Burgen und Reitereinheiten vorgezeichnet, wobei dies einer starken Territorialmacht und zur Finanzierung des Lehnswesens bedurfte. Auf übergeordneter Ebene konnten Führungspersönlichkeiten, wie bsplw Heinrich I., durch den Zusammenhalt der Kräfte gegen äussere Gefahren staatliche Einigungsprozesse erwirken. Ein gesellschaftlicher Wandel setzte ein, nachdem geschickt aufgestellte statische Infanteriekader, in Kombination mit Annäherungshindernissen und Fernwaffen, Kavallerie gestützten Invasionsarmeen Grenzen aufzeigte, wie dies ital. Kommunen im HMA vorexerzierten. Auch nördlich der Alpen gelang dies im SMA mehrfach mit enormen sozialen Auswirkungen, die immer deutlicher zu Tage traten. So wird auf den letzten Seiten, in der Beschäftigung mit der wachsenden Bedeutung des Hauses Burgund (vom Herzogtum zur angepeilten Königskrone), das Ausbremsen durch die Infanterie der Eidgenossen hervor gehoben, was das Kriegswesen seit Ende des XV. Jhs veränderte. Der kulturelle Einfluss Burgunds wurde nicht unerheblich durch die Bürgerschaft prosperierender Städte der „Niederen Lande“ getragen, so wird abschließend ein Blick geworfen auf mögliche Zusammenhänge öffentlicher Aufführungen zur Tafelbildmalerei (von der modernen Forschung verworfen, aber die ältere Forschergeneration sah hier m.E. wohl begründete Bezüge).

Aus oben genannten Gründen wird einleitend der Römischen Kaiserzeit (RKZ) breiten Raum zugedacht, da hier entscheidende Weichen gestellt wurden. Gürtelkombinationen spielen in der Archäologie der Spätantike in der Entwicklung zum FMA als Fundgattung zur Datierung, neben Waffen und Fibeln, eine erhebliche Rolle. Spätrömische Produktionsstätten, wie etwa von Keramik und Glas, waren, wenn auch in reduzierter Form noch lange in Betrieb (z.B. Badorfer und Pingsdorfer Erzeugnisse – Glasprodukte wurden einfacher, hin zum grünlichen Waldglas). Die Waffen-, Militär- und Tuchproduktion an der mittleren Maas, in Tournai, Amiens, Soissons, Reims, Trier, Autun, Arles, etc funktionierte im eingeschränkten Maß noch, wovon vornehmlich Franken, aber auch Burgunden und Goten profitierten. Zitate römischer Formen begründeten also nicht erst die Karolinger mit ihrem Kaiserkult, da deren Bezugnahme auf römische Relikte in „Fortführung eines Weströmischen Reiches“ von der Forschung vielfach als „Mittelalter“ verstanden wird. Äußerlich erkennbar mag die „Akanthusornamentik“ im Karolingischen Stil und Ottonischen Erbe diese Richtung vorgeben. Textquellen des MAs sind deutlich, Liudprand von Cremona bezeichnete in den 960er Jahren Westfranken als romana francia. Die Forschung schuf künstliche Begriffe für solche Wiedergeburten, wie die „Romanik“. Die frz Wissenschaft betrachtet die karol. Epoche bereits als premier art roman mit der nachfolgenden eigentlichen Romanik deuxième art roman, eine „Ottonische Renaissance“ ist ihr unbekannt, sie war Ausdrucks des Anspruchs sächs. Herrscher auf die Kaiserkrone!

Skulpturen der „Gotik“ können als Interpretation antiker Formen aufgefasst werden, in Fortführung der in Frankreich bereits hoch entwickelten romanischen Portalplastik, welche allerdings das herrschaftliche Element betonte, während die Gotik hingegen eine stärkere Volksnähe aufwies und damit recht krude Formen hervorzubringen vermochte. Aus der Sichtweise eines Italieners, mit an klassischen Formen geschultem Auge, wurde dieser Stil eher als „barbarisch“ beurteilt, eben „gotisch“. Schnallen dieser Zeit mit Hörnchen und Noppen erinnern an die röm Kaiserzeit (RKZ). So wie Scheibenfibeln des FMAs ihre Vorbilder in der röm Mode hatten und vielleicht orientierten sich noch im HMA paarweise getragene Tasselscheiben an Tutulusfibeln? Originale von römische Kameen wurden zu herrschaftlichem Schmuck umgearbeitet. Römische Zitate finden sich bei merowingischen und burgundischen Gürtelelementen mit durchbrochenen Schnallenbeschlägen, Zungen in Amphorenform und ähnlichen Dingen. Auch Normannen nahmen im XI./XII. Jh Anleihen bei spätantiken Formen mit Schnallenbefestigungen in Form gegossener stabartiger Verlängerungen, auslaufend in kleinen Rondeln. Im SMA zierten grosse runde Blechscheiben, ähnlich zu denjenigen, welche einst auf dem röm Soldatenschurz (pteruges) zu sehen waren, Gürtel und Pferdegeschirr. Dusinge scheinen sich an mit Zierblechen beschlagene röm Gürtel anzulehnen, deshalb findet man ihre Abbildung u.a. an „schlafenden Wächtern“, da sie röm Soldaten darstellten. In der Spätgotik tauchen Schnallen in Bogenform und überbreite Schnallenbleche auf, die es bereits 1000 Jahre zuvor gegeben hatte, genauso Abwandlungen von bereits genannten spätantiken Zungenformen, siehe Abb. unten rechts. Röm Produktionsmethoden mit Züchtung spezieller Schafrassen gewährte dem nordwesteurop. Raum beiderseits des Kanals Jahrhunderte später Vorteile in der Herstellung hochwertiger Wollstoffe. Die Tuchindustrie war einer der Hauptmotoren mittelalterlicher Wirtschaft und Kleidung trug dazu bei in äußeren Erscheinungsformen die gesellschaftliche ordo zu wahren.

Das sind alles signifikante Hinweise auf die Geisteshaltung. Bezüge zur röm Kaiserzeit waren also vielfältig und allen bekannt ist die Verwendung römischer Zahlen und vor allem des Lateinischen als Amtssprache im Westen, unumgänglich seitdem sich germanische Machthaber nach der Völkerwanderung mit provinzialrömischen Verwaltungsexperten umgaben, die der röm-kathol Kirchenhierarchie entstammten. Ein wichtiges röm Erbe technischer Art war die Nutzung der Wasserkraft, zunächst mit Kornmühlen, dann im Verhüttungs- und Schmiedewesen, was einen gewaltigen Schub in der Erzeugung von Stahl brachte. Mühlen gehörten zu den wichtigsten Produktionsstandorten des Mittelalters. Drainage- und Entwässerungsleitungen, wie in der Burg Romrod/Hessen aus den 1180ern sowie Aquädukte als antikes Erbe wurden häufig genutzt, meist nicht in Stein gefertigt, sondern aus Holz. In Rottweil führte man über Fernleitungen Wasser der Stadt zu, gesammelt in Strassenbrunnen, nachdem der Grundwasserspiegel durch eine hohe Zahl von Hausbrunnen gesunken war und jene lediglich als Latrinen finale Nutzung fanden. Wasser in Sammelbrunnen zu führen war kein Einzelfall, sonst hätte der Vorwurf „Juden wären Brunnenvergifter“ keine grosse Tragweite gehabt.

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Mus. Laon: Interessante Mischung von Medaillon-Zungen des XV. Jhs (5) mit einer Zunge Wende IV./V. Jh (6) - vom Museum ins XIV. Jhs datiert und eigentliche Zeitstellung damit nicht erkannt! Bspl belegt wunderbar wo die Orientierungsmaßstäbe der spätmittelalterlichen Produzenten lagen, sie haben solche Objekte der Spätantike gekannt und passten sie dem Zeitgeschmack an.

In der Nacht hatte ich eine Vision. Von allen Himmelsrichtungen bliesen die Winde und wühlten das Meer auf und vier große Tiere stiegen aus dem Meer, jedes hatte eine andere Gestalt...“ [Buch Daniel, Kap 7].

Weltreiche waren damit gemeint, von den Babyloniern zu den Assyrern, von Persern, bzw Makedonen bis hin zu den Römern. Danach würde es kein irdisches Reich mehr geben und das himmlische kommen... Heilsgeschichtlich gab man der Zeit mit „Weltreichen“ oder „Weltaltern“ eine Ordnung, welche besagte, dass man unvermeidlich auf einen Endpunkt zusteuerte, das „Große Gericht“ und Wiedererscheinen von Jesus Christus. Man lebte zur Zeit des letzten Weltreichs, des römischen. Dem Kaisertum kam dabei besondere Bedeutung zu, denn die Herrschaft eines „Römischen Kaisers“ schob das Ende möglichst lange hinaus und sollte ins Gottesreich hinüber führen. In dieser Art „Reichs-Eschatologie“ spielte das ostfränk. Königtum in Anwärterschaft zur römischen Kaiserkrone die führende Rolle. Römisches verkörperte Kontinuität und Stabilität, tradiert nicht nur von der Kirche. Dem fatalen Kaisertraum opferte man enorme Ressourcen und geriet unweigerlich mit dem universellen Herrschaftsanspruch des Papsttums in Konflikt. Im Inneren des Reichs kam es deswegen zu zahlreichen Zerwürfnissen bzgl der Gefolgschaftspflicht und in Italien fand das röm Kaisertum in dt Hand wenig Zustimmung, deutlich formuliert in Geisteshaltung und künstlerischen Erzeugnissen des SMAs. Während im XIV. Jh nördlich der Alpen die „Gotik“ breit fasste, entstand in Italien mit dem „Wiedererwachen der Antike“ das Bewußtsein für eine dazwischen liegende Epoche, dem medium aevum, in dem Barbaren über Rom geherrscht hatten, „schmutzig und schurkisch“, wie es Arno Borst [Lebensformen im MA, S. 45] Petrarca (1304-1374) in den Mund legte.

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II. „Private Forschung“

Sie beinhaltet die Recherche mit dem Ziel einer praktischen Umsetzung. Die Vorgehensweise ist von einer gewissen Skepsis und auch durch Naivität gegenüber dem gewaltigen Themenkomplex „Mittelalter“ geprägt, denn jeder Schritt „angeblicher Erhellung“ wirft einen Berg weiterer Fragen auf. Man muß schon naiv sein, wenn man glaubt, dass man sich diesem Themenmonstrum nur halbwegs vernünftig näher kann ohne 275 Jahre alt zu werden...Der Weg ist geprägt durch die vorsichtige Annäherung an Ausdrucksformen des Mittelalters mit Hilfe eines „gedanklichen Spielfelds. Es geht nicht darum altbekanntes Wissen um die Historie, meist in unsäglicher Reihung der Folgen von Macht und Machterhalt, als „Füllmaterial“ wiederzukäuen, sondern es ist das Ziel in der Beschäftigung mit der mittelalterlichen Gesellschaft herauszuarbeiten wie sich soziale Ränge gestalteten, um zu erkennen, was einzelnen Personen möglich war und wer unter wessen Einfluß stand, um jeweilige Kleidung und dazugehörige Gürtel den Quellen nach einzuschätzen. Wie sehr waren Sachobjekte sozial abgrenzend oder verbindend und Identität stiftend? Welche Bedeutung und Auswirkung hatten Großereignisse wie Völkerwanderungen, Progrome, Seuchen mit ihren sozialen Katastrophen, zerstörerische Kriege mit Siegestrophäen in Form von Beute an Mensch und Material, aber auch die Tagespolitik mit Absprachen, Verträgen, Urkunden, Übertragungen, Vererbungen, Bezeugungen, Ernennungen mit ihren Versammlungen, Empfängen, Festivitäten sowie Heiraten und Scheidungen oder räumlich-geografische Determinanten, deren Überwindung durch Reisen auf oft beschrittenen Heer- und Handelswegen und damit schließlich die Rohstoffversorgung und Verbreitung von Halbzeugen sowie Fertigprodukten?[7]


Originalschnallen XIII. - XIV. Jh (Materialanalyse: rotfarbige Legierung)

In den Rekonstruktionen werden folgende Metalle verwendet: Eisen, Bronze, Messing und Objekte mit Zinn/Weißmetallüberzug, hinzu vergoldete Buntmetalle als Oberflächenvergütung, um höheren Darstellungen gerecht zu werden, „Versilberungen“ sind momentan ein Behelf, einige Objekte in Echt-Silber in Bearbeitung. Es finden sich hier weder Horn-, Geweih- noch Knochen-Arbeiten, das ist ein eigenes handwerkliches Betätigungsfeld. Sie wären jedoch zu ergänzen bei der Betrachtung standes- und zeitgemäßen Gürtel unterer Schichten. Der Vollständigkeit halber soll erwähnt werden, dass auch keine Schnallen aus Halbedelsteinen, wie Bergkristall, Nephrit, aus „Meerschaum, o.ä. gefertigt werden, wie aus dem FMA überliefert. Das Augenmerk liegt auf demzeitgemässen Gürtel“ [dazu Bspl „Schnalle mit Mittelsteg“ 8].



Es gab kostbare Schnallen aus Elfenbein (bsplw Fund des VI. Jhs im Frauengrab 129 in Bopfingen) oder aus Walrosszahn (Objekte im Mus. Kopenhagen aus der 1. Hälfte XIV. Jh und Gürtel Ende XV. Jh in Dublin, siehe Fingerlin KatNr72). Schlichte Formen aus Knochen konnten in jedem Haushalt erstellt werden, da solche Arbeiten Zeitvertreib waren. Für spezielle Formen aus hochwertigem Bein oder stabilem Geweih entwickelte sich ein eigenes Handwerk. Archäologische Funde belegen Messergriffe, Kämme, Ahlen, Nadeln, etc. Nur selten haben wir Nachweise für Schnallen. Auf Abbildungen sind sie schwierig zu interpretieren, mglw sind die Schnallen rechts der „Marionettenspieler“ im Hortus Deliciarum aus Elfenbein - farblich genauso gestaltet wie ihre weissen Gürtel. Die Abbildung ist allerdings eine Rekonstruktion des XIX. Jhs! Der Taschenfund von der Runneburg/Thüringen zeigt kleine Schnallen aus Geweih – in der Manesse, werden solche Ledertaschen Funktionsträgern des Gefolges zugeordnet.

Hortus Deliciarumzw 1175 u 1185 Hohenburg im Elsass (Rekon). Das Original wurde durch preuss Artillerie 1870 in der Bibliothek Strassburgs zerstört



Auf Abbildungen des XV. Jhs sind helle grosse runde Schnallen zu beobachten. Glänzende Formen werden Silber der höheren Stände wieder geben. Aber der Schnallentyp wurde auch von Handwerkern getragen [z.B. „Josef“ von D. Baegert], da käme eine Verzinnung in Frage oder im zitierten Fall Bein/Geweih, da die Zinnkanne im Vordergrund anders dargestellt wurde. Archäologisch ist eine reine Zinn/Blei-Schnalle in London mit dem Maß 47x55mm (Egan Nr. 387) aufgeführt. Das ist selten, diese Größen waren eher aus Eisen verzinnt, so weist dieses Objekt erwartungsgemäss den Bruch an der Dornachse auf. Das Material hatte aber grundsätzlich eine schlechte Überlieferungs-Chance, weil es recycelt wurde.



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Grenzen der „privaten Forschung“

Der modernen Wissenschaft ist heutzutage wenig am aufsehenerregenden Einzelfund gelegen, sondern bemüht sich Dinge im Kontext zu betrachten. Dem zu folgen bedarf es arbeitsamer Recherche in Fachpublikationen, also sehr viel Zeit. Einfacher ist die schnelle Aufnahme durch die Präsentation in den Museen, also „Futter für das Volk“, wo inzwischen weniger die Masse an Funden präsentiert wird, die liegt im Archiv, sondern singuläre Leitobjekte, um deren Kontext man sich mit digitaler Anschaulichkeit bemüht. So ist aber der „Leitfund“ zum „Leidfund“ des historisch interessierten Rezipierenden geworden, dem ein breiter Überblick vielleicht lieber gewesen wäre. Der fand sich bei den alten „Schausammlungen“, am liebsten in Glasvitrinen, die einen Blick von allen Seiten ermöglichen. Glücklicherweise gibt es diese älteren Präsentationsformen noch (!) und glücklich, wer in kleineren Museen auf diese stößt, modernisierte Museen mutieren vielfach zum „Digitalkabinett“ oder zu einer Art „archäologischer Geisterbahn“ mit angestrahlten Einzelobjekten in geschlossenen Schaukästen. Solche Isolierungen erhellen allerdings wenig - von der damaligen reellen Nutzung weit entfernt - und legen eher durch artifizielle, bzw kunsthistorische Denkprozesse Sperren in die Köpfe. Deshalb sollten manche Betrachtungsweisen und Selbstverständlichkeiten hinterfragt werden. Kontroversen sind ja Bestandteil der Forschung, denn allgemeines Kopfnicken bringt keinen Fortschritt. Diese Seiten stellen keine strenge wissenschaftliche Arbeit dar, sind eher ein künstlerisches Produkt mit „gewissen Freiheiten“, dass sich bestenfalls im Spannungsbogen zwischen Kunst und Wissenschaft bewegt, Peter Greenaway folgend: In der Kunst kommt es darauf an das Rätsel sorgfältig zu organisieren. Dem wäre nüchtern gegenüber zu stellen: Aufgabe der Wissenschaft ist es Kunst und Wirklichkeit zu enträtseln. Nach anfänglichem Wirrwarr, da viele frühe Textpassagen dieser Seiten aus dem Kopf auf Reisen entstanden, werden diese Stellen nun überarbeitet und gestrafft, erhalten einen etwas seriöseren Anstrich.

So wird diese Arbeit hier nicht mit Hilfe irgendwelcher „Forschungsgeldern“ erstellt und richtet sich nicht nach der persönlichen Interessen-, sondern nach der Auftragslage! Diese Seiten werden dankenswert finanziert und erstellt nach Kundenanfragen! So werden bestimmte Zeitabschnitte unterschiedlich intensiv bearbeitet und es tauchen Gürtelkombinationen „ungefragter Zeiten“ nicht auf, solange hierzu die Kundschaft kein Interesse signalisiert. Mit dem Mut zur Lücke werden auch die Texte bearbeitet und vieles ist zu überarbeiten! Würde ich aber jeden Punkt bis zur Perfektion treiben und dann erst veröffentlichen, gäbe es diese Seiten wohl gar nicht, sondern bestenfalls einen „schicken Nachlaß“, den aber keinen mehr interessiert. So manche vorschnelle Einschätzung stellt sich nachträglich als nicht haltbar heraus. Nachbesserungen werden vorgenommen, quantitativ und qualitativ, auch wegen der Flüchtigkeitsfehler, denn es gibt keinen Korrekturleser. So finde das Vorwort aus dem STRATEGIKON (oström Handbuch) Anwendung: „Um die genaue Wortwahl also oder den Prunk der Rede kümmern wir uns, wie gesagt, nicht; denn es sollte kein heiliges Werk sein, vielmehr eine „kurze Schrift“ für die Praxis. Daher verwenden wir auch oft lateinische Ausdrücke und andere, die bei den Soldaten üblich sind, zum klaren Verständnis der Leser.

Kleine Anekdoten sind eingefügt und im Gegensatz zur „exakten Wissenschaft“ auch kritische Bemerkungen eingeflochten, auch wenn sie keineswegs auf historische Begebenheiten übertragen werden sollten. Ein moralischer Zeigefinger ist also nicht wirklich angebracht. Denn Menschen früherer Zeiten waren nicht besser oder schlechter als moderne Zeitgenossen. Wenn es in die Moderne abdriftet, sind Textstellen wie diese, in schwarz gehalten, aber das mag man dann überspringen, falls nicht gewünscht. Da es darum geht mit Details der Vergangenheit vertraut zu werden, ist es wohl möglich Dinge, die uns von damaligen Menschen trennen deutlich aufzuzeigen. Was verstellt und erschwert unsere Sichtweisen? Arno Borst formuliert es gelehrter: „Fremdes begreifen wir erst, indem wir uns begreifen“ [Lebensformen im MA, S. 25]. Und H.D. Stöver sattelt noch einen auf: „Wer Geschichte beschreibt, muß sich bewußt machen, dass alles, was er für bemerkenswert hält, Spiegelungen seiner selbst sind“ [Die Römer 1976, S. 17].

Sachobjekte nicht rein nach ihrem artifiziellen Charakter, sondern nach dem sozialen Kontext zu beurteilen bringt es mit sich, dass eine Rekonstruktion historischer Vorgänge in der Präsentation vor Publikum automatisch eine gewisse „soziale Komponente“ in sich trägt. Die Beschränkung auf die reine Zurschaustellung von Objekten gleicht „Vitrinendenken“. Dazu bedarf es eines lebendigen Reenacters kaum. Vielen ist aber vermutlich gar nicht klar, was wir mit dem "modernen Mittelalter" anrichten, wenn aus Geschichte ein „Freizeitpark“ gemacht wird. Unser -hier und heute- beruht auf Unveränderlichkeiten von Ereignissen in der Vergangenheit, welche mal Tagespolitik waren. Gute Geschichtsvermittlung zeigt Stränge der Entwicklung auf und Gründe für die Verfestigung in der Gegenwart. Vergangene Ereignisse sind zu erfassen und zu analysieren mit der Auswahl durch Dokumentierung und Deutung. Das tut jeder nach seinem Gutdünken oder nach der Forschungsfinanzierung oder oder oder...folglich brauchen wir viele unterschiedliche Betrachtungsweisen. Es gab nicht das „eine Mittelalter“, so wie es keine absolute Wahrheit gibt, sondern unendlich viele Facetten und Fragmente, die wie ein Puzzle nach Belieben zusammengesetzt werden können und damit verschiedene Aussagen ergeben![9]

Diese Seiten sollen, trotz angesammeltem „Fachwissen“, nicht suggerieren „Ich weiß wie es geht“, sondern „Ich schlage jetzt mal eine Richtung ein“. Das kann bewirken, dass bei neuem Kenntnisstand der Kurs geändert wird, nicht unbegründet, damit der Gedankengang nachvollziehbar bleibt. Es wurde nicht ständig ein „vielleicht“, „mglw“, „könnte sein“, „es obliegt dem Anschein“ oder ähnliche Zweifelsformulierungen eingebaut, aber sie sind da! Die Erstellung dieser Seiten legte manche Überraschung offenbar, wenn bisherige Ansichten mit Museumsexponaten oder mit Text- und Bildbelegen abgeglichen wurden. In der Eigenperspektive entstanden vollkommen neue Vorstellungen vom Mittelalter. Diese Seiten werden also immer das erwähnte „work in progress“ sein. Ich stehe mit mir selbst im Diskurs, auch wenn das äusserlich nicht so wirkt, sozusagen „Arbeit zum Mitlesen“. Deshalb werden immer wieder Passagen aktualisiert und müssen auch überarbeitet werden, das ist vollkommen klar. Meine Vorgehensweise ist mit Fehlern behaftet. Auch manche Formulierungen sind im ersten Gang nicht gelungen, da das ständige Schreib-Training fehlt und in der Sommersaison oft die Erschöpfung Tribut fordert. Erst beim zweiten Überlesen gelingt es manchmal Ordnung in den Gedankenwust zu bringen. Der Leser mag, sofern er sich etwas davon annehmen möchte, den Ansichten folgen, zur eigenen Nachforschung angeregt werden oder sie für sich als überholt ansehen. Das hier ist kein genereller Leitfaden, sondern in manchen Punkten eine Empfehlung, eher eine Groborientierung und dient in erster Linie dazu sich dem Thema aus verschiedenen Blickwinkeln anzunähern, getreu nach dem Motto eines russ. Sprichworts:

Ziele erreichen nicht die, die es können, sondern die, die es wollen.




Königsportal“ Chartres, das neue Bildprogramm mit den Propheten und Kgn des Alten Testaments (u.a. Salomo) in Bezug zum Wiedererstarken der frz Monarchie. Die gehobenen Protagonisten zeigen Textil- und Bindegurte im Stil der frz Mode Mitte des XII. Jhs

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III. Die Ständegesellschaft

Mittelalterliche Quellen verwenden statt „Stand“ den oben zitierten Begriff ordo („Ordnung“). Das personale Abhängigkeitsgeflecht war enorm und das damalige Gesellschaftssystem von dem heutigen so grundverschieden, dass eine glaubhafte Darstellung nicht einfach ist. Auf diesen Seiten wird in der Spätantike mit den Frühformen der Grundherrschaft begonnen, um sich daraus resultierende Rechte und Zwänge anzuschauen, damit beurteilt werden kann, wer welche Materialien in der Gürtelmode erlangte, verarbeitete oder trug? Das Mittelalter kann grob in eine hohe und niedere soziale Schicht aufgeteilt werden, in Freie und Unfreie/Hörige, mit einer gewissen Differenzierung der Unfreiheit, siehe dazu Gesellschaftsstrukturen des FMAs - Annäherung über Grabfunde. Ein Mittelstand arbeitete sich im städtischen Umfeld (im wahrsten Sinne des Wortes) langsam heraus. Unfrei“ bedeutete übrigens nicht, dass arme Geknechtete ständig in Ketten umherliefen, sondern es gab Weisungsbefugte gegenüber Weisungsgebundenen. Das kennen wir heute auch. Vor allem Beamte, die einen Amtseid ablegen, sind nicht mehr frei in ihren Handlungen und Entscheidungen. Die moderne Forschung stuft „Unfreiheit“ und daraus resultierende Abhängigkeiten für Land- und Stadtbewohner unterschiedlich ab. Der Hörige als unfreier Pächter auf der Scholle des Grundherrn hatte einen gänzlich anderen Status als der Köhler, Hirte oder Landarbeiter und Tagelöhner auf dem Hof. Als Leibeigene waren Schergen/Schalke/Knechte, Stall- bzw Küchenburschen und Mägde (ancillae) zu bezeichnen, die dem „Gesinde“ zuzuordnen waren, siehe detailliert Ständegesellschaft HMA/SMA. Mit der Entwicklung der Städte standen sich Einwohner, wie Arbeiter(-innen) einfacher Gewerke, bsplw Schuhflicker oder Weberinnen oder Gesellen und Handwerker besser, da die Grenzen zwischen Freiheit und Unfreiheit unschärfer wurden. „Stadtluft“ machte nur bedingt frei, da es schwierig war wirklich Eigenständigkeit zu erlangen. Stadtbewohner unterer Schichten werden in den Quellen auch als „Insassenbezeichnet. Viele pachteten ihre Arbeitsstätte, befanden sich damit in Abhängigkeit und galten nicht als „Bürger“, denn dies war abhängig von Haus- und Grundeigentum, Eintrag in die Bürgerrolle und Steueraufkommen. „Schmutzige Gewerbe“, wie Gerber, Lederer und auch Grobschmiede, die in den Dörfern erheblich höheres Ansehen genossen, waren in den Städten weniger angesehen als z.B. Berufe im Umgang mit Nahrungsmitteln, Stoffen bzw der Bekleidung, wie Färber, Schneider, Schuhmacher oder Kürschner, letztere zählten bereits, ähnlich wie Silber- oder Goldschmiede, zu den gehobenen Rängen, deshalb führte die Kürschnerzunft von Mainz auch das herrschaftliche Tier des Adlers im Wappen. In den Städten waren die Wirkstätten und Verkaufsplätze all jener streng voneinander getrennt, Mainz kannte im SMA 26 Marktplätze. Die vornehmsten Gewerbe befanden sich in den Zentren, bsplw an Domplätzen, Bischofs- oder Herrenhöfen, siehe auch Bürger-Stadteinwohner.



Es gab weitere Spezialisierungen, die aus dem Gros der Handwerker heraus stachen, wie Waffenschmiede und oder Plattner, auch sie konnten für das Renommee einer Stadt sorgen. Nicht weniger bestimmte bei den Kaufleuten das Angebot den sozialen Rang. Der Tuchhändler und der Fernkaufmann für Rohstoffe oder Gewürze genoss höheres Ansehen als ein Krämer mit Ware für den täglichen Bedarf. Frauen konnten in die handwerkliche Produktion oder in kaufmännische Vorgänge eingebunden sein. In einigen Fällen sind auch vollkommen selbständig agierende Frauen nachweisbar, wie die Ladeninhaberinnen rund um die Frauenkirche Nürnbergs im SMA, siehe dazu: Geschlechterrollen. Alle Gürtelrekonstruktionen werden zukünftig sozial zugeordnet mit schlichten Schnallenformen für Bauern, Schergen und Gesinde der „breiten Masse“, hinzu Krämer und Handwerker mit einfachen Buntmetallvarianten als „untere Mittelschicht“. Über jenen stand eine Dienstmannenschicht als Funktionsgehilfen, auf dem Land z.B. die Schulze und Meyer mit Gürtelformen von verziertem Buntmetall, mglw mit Weißmetallüberzug, was auch für das angesehene Handwerk in den Städten gelten mag, welches wohl, je nach Gewerbe, auch edlere Formen trug. Für Zunftmeister und gehobene Stadtbedienstete mit Notaren, Kämmeren, geschworenen Eich- und Münzmeistern, Bau- oder Handwerksmeistern exklusiver Gewerke, Universitätsgelehrte und -absolventen, Ärzte, Juristen, Geistliche, vor allem für die ratsfähige Spitze des Bürgertums, betuchte Bürger“, wie Fern- und Großkaufleute oder Reeder wird Silber die richtige Wahl sein. Höheren Amtsleuten=Ministeriale=Ritter (Dienstadel) als Repräsentanten des Königs, der Bischöfe und Laien-Fürsten, in den Städten ratsfähig, ebenso wie Edelfreien auf dem Lande, seien hinzu vergoldete Buntmetallvarianten angedacht. Exquisite „höfische oder hochadelige Formen“ tauchen auf den Seiten nicht auf, denn das impliziert Silber vergoldet und Gold.

Dienstmannen waren aufgrund ihrer Ämter wichtige Stellvertreter, mit Verwaltungsaufgaben betreut, wie Burg-, Amt- oder Hauptmänner (alle mit Richterfunktionen), Meier/Mair (Leiter grösserer Höfe, moderner Name der Nachfahren: Meyer, Mayer, etc), sculteti (Schultheiße mit Richterfunktion, modern: Schulze), Schosser (Steuereintreiber), Schepfe=Schöffen (Gerichtsmitglieder). Einen Sonderstatus hatten halbfreie Laten, ursprünglich eigentlich „Freigelassene“, welche als Pächter eine selbstgewählte vertragliche Unfreiheit oder nur bedingte Freiheit besassen, im Gegensatz zu „Freisassen“, bzw „Frei- und Königsbauern“, die oft in gefährdeten Marken wirtschafteten und nur dem Herrscher unterstellt waren. Weitere Fallbeispiele und angemessene Materialempfehlungen für Gürtel, siehe detailliert Ständegesellschaft HMA/SMA und kurz unter [10]. Eine weitere Sonderrolle führten auf ihren Ritterschlag verzichtenden Edelknechte/-knappen. Der „Ritter“ war zunächst lediglich die Bezeichnung für einen „Reiterkrieger“, den unfreien Ministerialen, siehe engl. knight (Knecht). Nach der „Landfriedensordnung“ Friedrich Barbarossas von 1152 war nur der „ritterbürtig“, welcher seine Vorfahren zu den Rittern zählen konnte. Genauer formulierte es das Dienstrecht des Klosters Erstein: Wessen Urgroßvater nicht die Rechte der gehobenen Dienstleute besass, konnte selbst diese Privilegien nicht einfordern. Erst im Laufe der Zeit bildete sich aus diesen ehemalig unfreien gewappneten Amtsleuten ein eigener Stand niederen Adels heraus, als Dienstadel war er deutlich getrennt vom Geburts-/Hochadel. Jener musste neben der Ritterbürtigkeit die Rechtmässigkeit der Ehen über 8 bis zu 16 Ahnen nachweisen (Adelsprobe) und genoss weitreichende Privilegien.



Der bewaffnete Streiter hoch zu Roß, der „Ritter, wurde in der militärisch geprägten mittelalterlichen Gesellschaft ein Ehrbegriff und dem Rittertum haftete ein Nimbus an, dem sich selbst Könige nicht entziehen konnten, die höfische Kultur war, durch einen starken französischen Einfluß, untrennbar mit ihm verbunden. Gewappnete mit Sporen, Schwert, Schild und Lanze werden durch Skulpturen, an Kapitellen, auf Grabplatten, Münzen, Siegeln und Typaren dargestellt. Auf die Ausrüstung ist acht zu geben, um zu erkennen ob sich dahinter unfreie Ministeriale, Freie als mögliche Vasallen oder gar hochadelige Fürsten verbergen, wie bsplw die „sieben Kurfürsten“ in Rüstung vom Kaufhaus Brand (heute im Landesmuseum Mainz) aus der ersten Hälfte des XIV. Jahrhunderts. Der soziale Stand war seit Wende XII./XIII. Jh ablesbar am Wappen und Waffenrock, an der Schabracke sowie farblichen Gestaltung von Sporen und Ausrüstung, am Schwertgurt, an Helm- und Schildform, an Zieren - oft mit Symbolgehalt, am Zaumzeug, uvam. Als Beispiel seinen die Naumburger Stifterfiguren erwähnt, Mitte des XIII. Jhs gefertigt, rein äusserlich in ritterlicher Aufmachung waren es Markgrafen und Grafen des Hochadels. Auch wenn sie Ornamente und noch keine ausgeprägten Wappen auf den Schilden zeigen, stellen sie sich adelig modisch zur Schau, siehe auch Adel-Vasallen-Heerschildordnung-Heraldik.

Eckehardus marchio

Markgraf Ekkehard v Meissen, Naumburg 1245c-



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Der Mensch macht Geschichte und merkt nicht, dass die Geschichte ihn macht“ Raymond Aron

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Salzburg Mitte XIII. Jh, einem jüd. Bankier verpfändet (Material: Silber vergoldet)

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IV. Quellen

Es gilt zu berücksichtigen, dass schriftliche Quellen des Mittelalter als Zeitzeugenberichte oft sehr widersprüchlich sein konnten und kaum eine Verallgemeinerung zulassen, weil sie spezifische Situationen und Wahrnehmungen beschreiben. Auch wurden Zahlen oft nicht als reale Fakten angesehen, sondern als literarische Stilmittel [Tuchmann 1980, S.12f] !

Deshalb sollen hptsl archäologische Funde mit künstlerischen Erzeugnissen in Stein, Metall oder auf Pergament und Papier abgeglichen werden, um sich der Aussage anzunähern, wer mit welcher Ausstattung dargestellt wurde? Alle Gedankengänge zielen auf ein praktisches Ergebnis hin und weniger auf kunsthistorisch ästhetische Betrachtungen, die aber als Mittel zum Zweck für HMA/SMA bzgl. der Ikonographie, also der Bildbetrachtung unter Berücksichtigung des Inhalts und der Darstellungsgegenstände, unerläßlich sind. Denn als Quellengattung stehen uns häufig Kunstwerke, nach heutiger Normierung, zur Verfügung. Damals war ein Tafelbild oder eine Skulptur in erster Linie Handwerk. Und das Handwerk, wenn auch in erheblich einfacherer Form, ist hier ebenso Betätigungsfeld, denn es gilt ja Gürtelformen zu rekonstruieren.

Nach den mittelalterlichen Statuten eines „Gürtlers“ werden meist „Rinkenbleche“ gesetzt, also Schnallen mit Blech und Nieten befestigt, im Gegensatz zu „Riemern“, die Schnallen annähten, da ihnen das Erstellen von Gürtelblechen nicht erlaubt war.[11] Aufwändige Varianten in Edelmetall wurden damals von den Silber-/Goldschmieden erstellt. Von jenen ging Innovation, künstlerische Erfindung und Neuerung aus, um den Geltungsdrang potentieller Auftraggeber zu befriedigen. Sie schufen wegweisende Objekte, die als „modisch“ im eigentlichen Sinne zu gelten haben. Gürtler ahmten im HMA/SMA die aufwändigen Formen in Bronze, Messing oder Zinn nach und vereinfachten die Güsse. Dazu sei auf die grundlegende Publikation Ilse Fingerlins verwiesen, die sich, neben einfachen Schnallen und archäologischen Funden, vielfach auf recht kostbare Objekte stützt, die obertägig erhalten blieben. Sie erwähnt oft Stoffborten und weist damit auf die gehobene Qualität des Untersuchungsmaterials und den höheren sozialen Stand des ehemaligen Nutzers hin.



Welche Quellen können herangezogen werden? In der Vergangenheit beging ich den Fehler interessante Objekte auf mittelalterlichen Bildern oder Skulpturen so nah wie eben zulässig zu fotografieren und nur diese Detailaufnahmen zu archivieren, um möglichst viel über Material, Beschaffenheit und Bearbeitung zum gewünschten Gegenstand auszusagen, ohne den Gesamtkontext zu beachten. Ein schwerwiegender Fehler! Denn dadurch konnten später keine Aussagen mehr getroffen werden, welche dargestellte Person die Tasche oder die Schnalle eigentlich trug? Inzwischen hat sich die Arbeitsweise vollkommen geändert, mit überraschenden Ergebnissen. Abbildungen sind ohne kunsthistorische Betrachtungen nicht zu enträtseln. Leider gilt für uns die Ansicht des Kirchenvaters Augustinus nicht mehr, dass nämlich Bilder die Schriftzeichen der Leseunkundigen seien. Heute ist es genau umgekehrt und wir müssen die kryptischen Bildinhalte, die früher offene Botschaften waren, erst entschlüsseln. Dazu bedarf es für das HMA und SMA einer gewissen „Bibelfestigkeit“ oder es erfordert die Beschäftigung mit der Legenda Aurea des Jacopo de Voragine. Viele Bildinhalte sind darauf zugeschnitten und die Kenntnis des Personals der dargestellten „biblischen“ Szenen oder aus der Familie Jesu Christi, Marias und der Johannes des Täufers sind von Belang. Wer trägt was in welcher sozialen Stellung? Wie definiert Kleidung den Stand und wie funktionieren mögliche Codes? Auf den entsprechenden Seiten wird in diesen Themenkomplex eingeführt, um kritisch zu überprüfen, was z. B. von spätgotischen Tafelbildern, die durch ihre Detailtreue bestechen, als verwertbare Aussage zum „Durchschnittsgürtel“ herausgezogen werden kann.

Brüder Limbourg Tres Riches Heures um 1415 „orientalisierender Stil“ nach ital.-byzant. Anregungen des XIV. Jhs



Es sollte m.E. vermieden werden, dass der Darsteller eines Handwerkers sich am Gürtel „Melchiors“ orientiert, wenn eine glaubhafte Darstellung angepeilt wird, klingt sicher nachvollziehbar. Aber wie sieht es mit dem Gürtel eines Heiligen aus, der als mögliche Quelle in Frage kommt? Wen haben wir vor uns, einen Bürger oder einen Adeligen? Darstellungen Marias und die weiblicher Heiliger können nur bedingt aussagefähige Quellen zur generellen Gürtelerstellung für Frauen sein. Im Profanen standen Frauen in der Öffentlichkeit meist zurück und vor allem unterer Schichten wurden vermehrt erst in der bürgerlichen Sphäre des SMAs bildhaft. Heilige waren hptsl. Personen der Spätantike, also zeitlich und meist auch örtlich weit entrückt. Ihre Biografie drückt sich in der Kleidung aus. Der Trick ihnen „antikes Gepräge“ zu verleihen, war die Umhüllung mit grossen wallenden Umhängen bis weit ins XV. Jh hinein, deren dramatischer Darstellung mit eindrucksvollem Faltenwurf Malern und Bildhauern gleichviel Freude bereitete. Solche Falten warfen nur kostbarste Stoffe! Unter diesen volumniösen Verhüllungen kamen nicht weniger kostbare gemusterte Stoffe zum Vorschein, die im Schnitt figurbetont der aktuellen Mode folgten und durchaus Reize von weiblichen Heiligen zur Schau stellen konnten. Blickt man auf zeitgenössische Bilder des burgundischen Hofes im XV. Jh, finden sich falten- und stoffreiche Roben und Ärmelmäntel, mehr oder weniger körperbetont, aber keine Umhänge! Eng angelegt und gefüttert finden sie sich bei Bürgerfrauen, wie auf dem Gemälde der „Capestrano Bußpredigt“ der 1470er Jahre in Bamberg oder schon mal bei knieenden Stifterpersonen lose auf der Schulter liegend, vor allem wenn sie dem klerikalen Umfeld oder Orden zuzuordnen sind. Aber niemals zeigt sich im Alltag der übertrieben monströse Faltenwurf der Heiligen, welcher mit der aktuellen Mode wenig zu tun hatte, Gürtelteile zu unserem Leidwesen oft verdeckend. Es entstehen Fragen: Stammt das Abbild des „Nikodemus“ der Kreuzigung wirklich aus dem europäischen Umfeld oder wird nicht das Heilige Land mit seiner fernen „röm-, oström- oder byzantinischen“ Vergangenheit in mittelalterlicher Sichtweise historisierend umgesetzt? Es war keineswegs immer so, wie vielfach angenommen wird, dass historische Vorgänge in das Gewand der Entstehungszeit eines Bildes gepresst wurden. Auch ist die Bezeichnung „phantastische Kostümierung“ eher ein Notbehelf in der modernen Forschung. Die Thematik ist weitaus verzwickter, als sie auf den ersten Blick erscheinen mag, m.E. wäre Schauspielen, Bühnenkostümen und Requisiten mehr Beachtung zu schenken, siehe ansonsten unten: Die Sprache der Kleidung [12]

Ist das Kleid wirklich eine neue modische Form oder erscheint es nur dem heutigen Betrachter neu, weil es endlich bildhaft festgehalten wird, aber bereits geraume Zeit getragen wurde? War die Mode nur am Ort des Herstellers oder ebenso am Ort des Betrachters üblich? Bei Auftragsarbeiten und Lieferung über große Distanzen konnten sich Divergenzen ergeben. Vielleicht hatten manche Bilder sensationelle Wirkung, weil sie neue, ortsfremde Moden zeigten? Wir beobachten das erstmalige oder letztmalige Erscheinen einer Form, sollten uns vielleicht auf die häufigste Nennung als Mittelwert einigen? Denn unser nach „kriminalistischen Methoden“ gesteckte Zeitrahmen trifft die reale Nutzungsdauer mglw nicht.[13] Hinzu kann jede neue Quelle weitere Erkenntnisse bringen oder sich unsere Sichtweise auf einen Beleg radikal ändern. Der Reenacter folgt vielleicht szeneinternen Publikationen mit alten Forschungserkenntnissen, die ja nur bedingt in Neuauflagen korrigiert und überarbeitet werden und damit bereits überholt sind. Die Wissenschaft hat die Möglichkeit in Fachpublikationen Korrekturen vorzunehmen, sie erreichen aber nur selten die Reenacterszene. Liebgewonnene Ansichten haben sich in unseren Köpfen festgesetzt und wir sehen nur das, was wir sehen wollen. So geht es vielfach auch gar nicht um das Mittelalter als real abgelaufene Ereignisse, sondern um unsere Vorstellung davon, ein gewichtiger Unterschied. Es werden Dinge betont, die uns heute wichtig erscheinen, es damals aber gar nicht waren, umgekehrt erfassen wir manches nicht, weil heutzutage die Tragweite nicht mehr erahnt werden kann. Hier wird viel in Frage gestellt, was bleibt dann noch ….? Welche Aussagekraft hat ein mittelalterliches Kunstwerk für den Reenacter, der sich Orientierung bzgl seiner Darstellung wünscht, aber zur Auswertung solides Hintergrundwissen und eine angemessene Quellenkritik benötigt? Wir sprechen grundsätzlich über Annäherungswerte. Folgen wir der Wissenschaft, denn die bedeutet Diskussion. Inhalte sind kein Dogma, in dieser Beziehung glauben wir das Mittelalter überwunden zu haben.





Hl. Grab“ Dom Fkft/Main 1435c, links der „hochbürgerliche“ Nikodemus und der Adelige Josef von Arimathea rechts, beide tragen Beutel am breiten Gürtel, der eine aus Leder, letzterer wohl eher aus Stoff mit Metallstabilisation



Bei den Datierungsangaben bedeuten angehängte Kürzel

v= vor / „c= um / „n= nach

Ortsangaben sind oft schwierig. Es werden möglichst Ursprungsorte genannt, ansonsten eher der Verbleib, wenn künstlerische Werke in Museen landeten, wobei urspl zusammengehörige Kunstwerke nicht selten auseinander gerissen, Retabeltafeln nach Vorder- und Rückseiten getrennt wurden und fragmentiert an unterschiedlichen Orten präsentiert werden. Zukünftig ist beabsichtigt „FO“ = Fundort und „AO“ = Aufbewahrungsort deutlicher zu trennen. Sicher angebracht wäre auch ein „HO“, ein Herstellungsort, sofern Quellen dies hergeben. Der „HNO“ ist dann ein anderes Fachgebiet.

Die Datierung der Gürtelteile folgt einer „Kernzeit“. Es wird nicht unbedingt der früheste Beleg herangezogen, sondern der häufigste. „Das Leben zeigt ständig Übergänge, wenn das Alte nicht verschwunden und das Neue noch nicht zur Blüte gelangt ist.“ [Toller Satz, nicht wahr, weiss allerdings nicht mehr von wem er stammt?] Wir können davon ausgehen, dass ein Wechsel in der Mode mit jeder Generation erfolgte, die Abstufungen sind viel feiner als wir sie je erfassen können. Es gibt keine „Schnalle des XIII. Jhs“, sondern nur eine Form, die in bestimmten Jahrzehnten da und dort häufige Verbreitung fand, in anderen Region manchmal erst viel später oder gar nicht. Die Wissenschaft ist bemüht solche Entstehungs-, Kern- und Verbreitungspunkte heraus zu arbeiten. Aber es ist es denkbar, dass Schnallentypen Jahrzehnte nach ihrer Nennung noch oder vorher bereits in Benutzung waren. Betracht man eine Serie Schnallen ist nicht unbedingt voraus zu setzen, dass sich Entwicklungen hin zur Perfektion vollzogen, auch der umgekehrte Weg der Degenerierung ist häufig. Absolut punktgenaue Datierungen sind aus mehreren Gründen oft schwierig, warum das so ist, siehe Beispiel unter Fußnote [14]. Unsere Quellen öffnen nur bedingt ein verlässliches Zeitfenster. Archäologische Schnallenfunde, die aus isolierten Einzel- oder Detektorsuchfunden stammen können nur über zumeist ortsferne Vergleiche annähernd datiert werden. Siedlungsgrabungen weisen eine relative Chronologie nach Fundschichttiefe auf, nicht selten wird Keramik zur Feindatierung verwendet. Grabfunde werden in regionalen Chronologiesystemen abgeglichen, wobei moderne Grabungsmethoden eine zuverlässige Datierung erlauben, wenn u.a. durch Beifunde wie Münzen, Keramik oder Holz aufwändig technische Verfahren zur Datierung zum Einsatz kommen.



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V. Urheber der Quellen: Kunst-Handwerker im HMA/SMA

In den 960er Jahren bezeichnete Luitprand von Cremona das Handwerk in antiker Tradition als ars, meint „Kunst“ und zugleich „Geschicklichkeit“ [antapodosis, Kap I, 14]. Der Ausführende war demnach der artifex. Frühe Schriftquellen erwähnen jene nur selten, eher erscheinen Werkstatt-Marken, nur wenige Handwerker sind uns durch me fecitnamhaft bekannt, wie Imervard auf dem lebensgroßen Kruzifix der 2. Hälfte des XII. Jhs im Dom zu Braunschweig. In Italien war dies bereits geraume Weile üblich, nördlich der Alpen mehren sich erst zum SMA signierte Kunstwerke. Gußhandwerker verewigten sich auf Großprojekten (Glocken, Taufbecken) oder Goldschmiede auf kostbaren Reliquienschreinen, in der Tafelbildmalerei waren bekannte Vertreter bsplw Conrad aus Soest (1403 Wildungen), Lukas Moser (1431 Tiefenbronn) oder zeitgleich Konrad Witz aus Rottweil, Hans Multscher signierte 1433 das Karg-Retabel im Ulmer Münster, 1437 den Wurzacher Altar, Jörg Breu d.Ä. hinterließ 1501 auf dem Retabel zu Aggsbach ein „JORG BREW VON AV[gsburg]“. Signaturen werden als Ausdruck des Selbstbewußtseins eines erwachten Bürgerstolzes verstanden, ähnlich der Zunftzeichen. Sie verwiesen nicht auf ausführende Handwerker, sondern auf den übergeordneten Meister als Unternehmer, bekannt von Hans Multscher, der selber als Bildschnitzer tätig war und komplette Altäre ablieferte, die auch Tafelbilder beinhalteten, welche durch beauftragte Maler ausgeführt wurden. Verschiedene Gewerke arbeiteten Hand in Hand und übernahmen ihre Anteile, wie Schreiner und Kistler die Fertigung des architektonischen Gehäuses eines Retabels oder Faßmaler die farbliche Gestaltung der Plastik. Nur als Zunftangehörige vermochten Meister im SMA die Berechtigung erlangen eine Werkstatt zu führen und waren damit als Bürger an die Stadt gebunden, siehe Bürger-Stadteinwohner. Solche Unternehmungen wurden privat geführt, es gab jedoch auch eine ganze Reihe Meister in Orden und Konventen aller Gewerke zur Sicherung der wirtschaftlichen Grundlagen der Glaubensgemeinschaften [siehe 12Brüder Stiftung Nürnberg]. Bei Tafelbildern beschränkte sich die Arbeit des Meisters nicht selten auf den zeichnerischen Entwurf, heute durch Infrarot als „Unterzeichnung“ erkennbar, wenn er keinen künstlerischen Anreiz darin sah anspruchsvolle Elemente des Werks selbst zu fertigen. Weitere eigenhändige Leistungen mussten zuweilen gesondert vertraglich vereinbart werden, ansonsten oblagen Bildschnitzarbeiten, Vergoldungen oder farbliche Ausmalungen einer Schar anonymer Gesellen, deren Aufgabe eher solides, solidarisches Handwerk und weniger die geniale Einzelleistung war, die ja als „Meister“ später noch folgen konnte. In der Werkstatt gab es Spezialisten für Vergoldung, Preßbrokat oder auch inhaltliche für Details, z.B. für Landschaft, Schmuck, Porträts, uvam. Der Werkstattmeisterhielt die Fäden in der Hand“ und handelte gegenüber dem Auftraggeber den Vertrag und Details aus, von der Komposition über die Bezahlung bis hin zu Transport und Aufstellung des Werks. Es gibt Aktenstücke zu solchen Aufträgen, Verträge oder datierbare Zeugenberichte. Nach Lebensläufen, Werkstätten und „Schulen“ mit gegenseitiger Beeinflussung werden die Werke kunsthistorisch zeitlich eingeordnet, hölzerne Objekte können zudem dendrochronologisch bestimmt werden.

Die jungen Malergesellen bekamen in den Wanderjahren weit hin gerühmte Werke zu Gesicht und konnten sich in fremden Werkstätten neue Methoden aneignen. Mäzene werden Handwerker zu Reisen veranlasst haben, wenn sie sich nicht eh im Gefolge reisender Potentaten befanden, damit jene in den Genuß der Betrachtung berühmter Kunstwerke durch Skizzen und Kopien kamen. Musterbücher spielten eine wichtige Rolle, häufig abgezeichnet und tradiert. Illuminierte Handschriften konnten in gewissem Maß zur Verbreitung von Bildinhalten beitragen, da nicht viele solche kostbaren Werke sahen, blieb der Gesichtskreis zunächst auf die Höfe beschränkt. Erst im Laufe der Zeit wurden Bücher auch ohne konkreten Auftraggeber für den Handel produziert. In der Buchmalerei war, aufgrund des geringen Equipments, das Wandern, nicht nur von Gesellen, sondern auch von Meistern üblich und weiter verbreitet als bei dem aufwändigen Medium Tafelbild, hinter dem große Werkstätten standen. Trotzdem gab es auffällige Ähnlichkeiten von Werken über gewisse Zeiträume und Entfernungen. Ein Durchbruch mit großer Breitenwirkung brachte das neue „Transport-Medium“ des XV. Jhs, die Druckgrafik. Geniale Ideen des Bildhauers Niclaus Gerhaert von Leiden (burg.-flämische Schule), umgesetzt in Aufträgen im oberrheinischen Raum, verbreiteten sich in der 2. Hälfte des XV. Jh durch die Kupferstiche Martin Schongauers, genutzt u.a. von Tilman Riemenschneider für die Durchführung seiner Arbeiten, wie er sich auch an grafische Vorlagen von Albrecht Dürer und Lukas v Leyden hielt [TR, S. 15, 17, 97f]. Genauso wurden Stiche des Israhel van Meckenem oder Meisters „ES“ überall als Anregung für Bildfindung und -aufbau genutzt, mglw war auch Zeitdruck ein Grund für das häufige Nachahmen und Kopierverhalten?[15]

In der Buchmalerei des HMAs war es noch kaum üblich „nach der Natur“ zu malen, sondern man hielt sich an Vorbilder, Konventionen und Musterbücher, die sich wohl im Stil der Zeit in Details änderten, um neue Strömungen aufzunehmen. Auch Meister des SMAs arbeiteten nicht unbedingt nach Können, Vorliebe oder nach dem, was sie in der Jugend als Gesellen gelernt hatten, sondern folgten vorherrschendem Stil oder Vorgaben des Auftraggebers. Wie ist die erstaunliche Genauigkeit bei Accessoires zu erklären, wenn ein Künstler sie nicht irgendwann dinglich vor sich hatte? Viele Bildelemente entsprangen keineswegs der Künstler-Phantasie, sondern man auf, was sich in natura im Atelier befand, sozusagen im Fundus oder lieh Kostbares kurzzeitig aus.[16] In der Kunst des SMAs musste man im Wettbewerb mithalten, um den Zeitgeschmack zu treffen oder man besaß eine angesagte individuelle Note. Es gab einen Konkurrenzdruck, der auch bzgl der großen Kathedralbauten in Nordfrankreich in den Quellen erwähnt wird. Mitte des XV. Jhs schaffte es Stefan Lochner sich in Köln mit traditionellen Goldhintergründen gegenüber der aktuellen niederländischen Malerei zu halten, indem er auf prunkvolle Details und Requisiten, auf durchdachten Bildaufbau und erkennbare Physiognomien der Dargestellten setzte, zur Begeisterung des ortsansässigen gehobenen Bürgertums, ehrenvollen Aufträgen nach zu schließen. Er war also durch handwerkliches Können angesagt, zählte aber keineswegs zur „Avantgarde“.

Zur Idee und Bildfindung wurden häufig grafische Vorlagen, Musterbücher sowie Skizzenblätter oder Buchilluminationen heran gezogen, man kopierte schlichtweg Kollegen, zur Freude vergleichender Kunsthistoriker. Scheinbar war das Kopieren selbstverständlich und es wurden populäre Kompositionen wiederholt, mit deutlichen Ausstrahlungszentren. Zu den inhaltlichen Problemen kommen formale, wie der Umstand, dass manche Malerei den Eindruck erweckt Farben seien nicht nach der Natur, sondern bewußt nach Bedeutungsebenen und aus kompositorischen Gesichtspunkten gewählt worden. Die künstlerische Aussage überwog gegenüber einer nicht beabsichtigten dokumentarischen Wiedergabe, wie wir sie vermeintlich voraussetzen, da vor allem Bilder der „niederländischen Schule“ aufgrund der Maltechnik modernen Betrachtern eine „fotografische Genauigkeit“ suggerieren. Aber man sollte sich hüten Detailtreue als dokumentarische Qualität anzusehen! Es sind äusserst fein gestaltete Details, so dass wir mit dem Begriff „Realismus“ operieren, ausgehend von „sachlich, dinglich“ hin zu „wirklich, wahrhaftig“. Meister setzten nur eingeschränkt das Lebensumfeld ihrer Zeit um. Denn es wurde oft ungewöhnlich arrangiert, dafür mögen Schauspiele verantwortlich sein. Desweiteren wurden Kniffe angewandt, wie Personen aus den Bilder heraus auf den Betrachter schauen zu lassen, was die Brüder Eyck auf ihrem mit Protagonisten gut gefülltem Retabel für den „Genter Altar“ von 1432 umsetzten oder auch der Meister vom „Hersbrucker Altar“ 1485c in die „Ecce Homo“-Szene der Passionsfolge einbaut. Wie beim Schauspiel eine rezeptive Wirkweise. Das war nicht neu, denn bereits Skulpturen auf Lettnern des HMAs waren so arrangiert. Moderne Betrachter mögen das als Charakteristikum eines fotografischen Mediums auffassen, so erhalten Tafelbilder in unseren Köpfen einen dokumentarischen Charakter.


Hohepriester“ auf dem Regleraltar Erfurt 1460c in kostbarem Gewand und mit dem im XV. Jh häufig abgebildeten Gürtelabschluß, einem „Halbmondort“

Wie haben wir uns die Erstellung eines Stifterbildnisses praktisch vorzustellen, wenn die dargestellte Person bereits lange verstorben war? Im SMA entstanden manchmal zu Lebzeiten der Auftraggeber Grabdenkmäler, sowohl von Adeligen, als auch „betuchten Bürgern“. Aber stand im HMA ein Nachfahre als Modell zur Verfügung, um den Urahn zu porträtieren, um das 30. Lebensjahr, nach der idealisierten „Jesus-Formel“? Möglicherweise liegt in diesem „Modell stehen“ ein ganz praktischer Grund für die „Jugendlichkeit“ des Porträtierten, der nicht wie ein Greis kurz vor Lebensende Darstellung fand und es hat nichts mit Jesus Christus zu tun? Kaum wird irgendwer in die Rolle des Landgrafen geschlüpft sein mit einer Ausstattung, die geliehen wurde, kostbare Kleinodien kurzzeitig vom Hof dem Künstler zur Verfügung gestellt? Aus dem Gedächtnis, nach dem letzten Besuch bei Hofe, wird der Künstler ebenso wenig gearbeitet haben.[17]

Kurz angefügt sollten wir uns bewußt sein, dass heute nur ein Bruchteil mittelalterlicher Kunstwerke für unsere Betrachtungen zur Verfügung steht. Schätzungen über die Anzahl von Verlorenem und Vorhandenem klaffen weit auseinander. Absolut nicht zu erfassen, nicht mal zu erahnen sind die vielen figürlichen Kunstwerke aus Holz, Wachs, Stuck und Alabastergips, aus vergänglichen und wieder verwendbaren Materialien (Zinn, Blei, Kupferlegierungen), die nie eine Chance hatten die Zeiten zu überdauern. Im Münster zu Ulm standen vor dem Bildersturm von 1531 rund 50 Altäre, heute nur wenige! Der Nordschweizer-, Konstanzer- und Bodensee-Raum, eine künstlerische Hochburg des SMAs, wurde durch „Zwinglianer“ des Reformators aus Zürich im dritten Jahrzehnt des XVI. Jhs gründlich „katholisch entkernt“. Davon blieben andere Gebiete vollkommen verschont. Im niederdeutschen Raum war der Gang der Ereignisse gemächlicher, scheinbar weniger fanatisch. In Soest blieben viele Werke auch nach der Reformation erhalten. Genauso zählte man im Dom zu Brixen im XVI. Jh 17 Altäre, die es zum Zeitpunkt des Umbaus im Spätbarock um 1745 immer noch gab. Es gab Gebiete, in denen es aus lauter Armut nur gelinde Veränderungen gab, ältere Objekte über Generationen eine Chance bekamen, in anderen wütete der Modernisierungsterror unerbittlich.



VI. Hinweise für schlichte Darstellungen

Grundsätzlich sollen die erstellten Gürtelreplikate dem „prüfenden Auge eines Museumsexperten“ standhalten, falls ein Darsteller hier sein Betätigungsfeld sucht. Auf diesen Seiten wird wenig mit dem „A-Begriff“ operiert. Wenn überhaupt steht „Afür Annäherung an eine glaubwürdige Darstellung, wobei nicht die Beurteilung wie Dinge im Detail „richtig zu sein haben“ im Fokus steht, sondern von wem bestimmte Objekte den Quellen nach genutzt wurden. So mochte z.B. ein kostbares Krummschwert mit Kettengehänge von einem der „Hl. Drei Könige“ auf Tafelbildern getragen der östlichen Zuweisung dienen, ähnlich die gebogene Klinge des Malchus, welche der Diener des Hohepriesters trug und nicht selten Merkmal heidnischer Soldaten war, siehe Bilder von Jan Polack. Auf Abbildungen wurden Personen mit gebogener Klinge oder Kettengehänge ausgestattet, wenn Fremdartiges zum Ausdruck gebracht werden sollte [Tafelbild]. Auch im Westen trugen untere Chargen einschneidige Waffen und lange Messer, „Wehre“, Falchions und Stortas. Das zeigen archäologische Funde des FMAs (Sachse) genauso wie Abbildungen der Schweizer Bilderchroniken des SMAs. Klingenschmiede im Bergischen Land und in der Mark fertigten sogenannte einschneidige „Hauer“ als Werkzeuge für die Bauernschaft [Haedeke, BuM, S.7]. Der schmale gebogene Säbel war seit der Awarenzeit als östliche Reiterwaffe und seine Kurzformen im Westen spätestens seit den Kreuzzügen bekannt, siehe dazu Beispiel auf der Abb. „Wildschweinjagddes Gaston Phoebus zu Beginn des XV. Jhs als Waffe der Bediensteten zu Fuß. Der Adel verwendete für diese Jagdart im SMA vom eigens geschützten Pferd herab „Sauschwerter“ mit einer präparierten Spezialklinge, siehe Objekt W875 im Bay. Nationalmus. München. Seit den Hussitenkriegen verbreiteten ungarische Kontingente den gebogenen Dussack. Solche Waffen fanden auch Gefallen bei Höhergestellten, so gibt es eine Reihe verzierter Varianten.

Faktoren, die bei der Ausstattung eine Rolle spielen können: Selbstverständlich ist, neben Ort und Zeit, nicht nur der soziale Rang der gewählten Darstellung ausschlaggebend, auch besondere Umstände in denen man sich befindet. Dazu zählen Friedens- und Kriegszeit, Situationen, wie Feldlager (was sicher viele Darsteller betrifft) Marsch, Kreuzzug oder Jagd, die Wik-Fahrt, Handels- oder Botenreise, die Ausübung eines Handwerks sowie Tätigkeiten auf der Scholle, dem Thing oder Markt, der politische Akt und das repräsentative Ereignis wie der jährliche Umritt oder das Ereignis eines Königseinzugs bzw -empfangs, der Gottesdienst, die Sitzung im Ratssaal oder am Gericht, die Stellung am Hof eines Fürsten und Bischofs, desweiteren Festivitäten, wie Turniere, Hochzeiten, Kirchweihen, Gilde- oder Schützenfesten des SMAs, sakrale oder profane Prozessionen.[18] Bei all diesen Ereignissen wurde, vor allem bei gehobenem Rang, unterschiedliche Kleidung angelegt und dazu zählten unterschiedliche Gürtel. Selbstredend erfordern militärische Darstellungen gänzlich andere Formen als zivile repräsentative, wo die schmückende Zier in den Vordergrund rückt. Englische Reenacter vermitteln bereits geraume Weile eine solch „belebte“ Sichtweise im Reenactment vor Publikum. Das intensive „Eintauchen“ in die Zeit des gewählten Charakters erzeugt „Glaubwürdigkeit“ und erscheint mir erstrebenswerter als die in Dtld weit verbreitete „Genauigkeit im Detail = Echtheit“. Die kommt von alleine, wenn sie denn beabsichtigt wird, man zielstrebig seinen Weg verfolgt und die Darstellung in ein gedankliches Umfeld gebettet hat.


Für Darstellungen des einfachen Volkes wird meist eine „ältere Form“ oder das „Erbstück“ herangezogen, da dies im gewissen Sinn zu erwarten ist und wie es Quellen bzgl Kleidungsstücken des Adels, verteilt an Untergebene, bezeugen. So werden auch auf diesen Seiten neue modische Formen einer Oberschicht zugewiesen und vorangegangene Varianten oder „Langläufer“ für einfache Darstellungen verwendet, so dass jene glaubhaft „etwas hinterher hinken“. Wirklich modisch, sprich nach Neuerungen gierend, war lange Zeit nur Sache des Adels, der höheren Amtsleute, aber zunehmend der Bürger, die sich präsentieren mussten. Testamente belegen deren hochwertigen Gegenstände und Kleidungsstücke. Wir wissen allerdings nicht, ob diese Objekte von den Erben wirklich genutzt oder nicht eher aus gesellschaftlicher Konvention oder wegen ihres Materialwerts aufgehoben wurden? Man wird auch einem Handwerkerstand gewisse gesellschaftliche Zwänge zusprechen müssen, dem er als Stadteinwohner unterlag, ohne gleich hochmodisch zu sein. Schnallen und Fibeln wurden nicht beliebig oft weiterverwendet, denn irgendwann waren sie endgültig „out of fashion“. Diesbezgl verhalten wir uns im Generationenwechsel heutzutage nicht anders! Grabfunde des FMAs zeigen einen Wechsel der militärischen Ausrüstung, Schnallen oder Fibeln mit jeder Generation, was auch verständlich ist, militärische Änderungen erfolgen bsplw recht schnell, wenn sie taktische Vorteile versprechen. Die moderne Forschung berücksichtigt dies z.B. für die Merowingerzeit (MWZ) in immer feiner untergliederten Chronologiesystemen von Phasen mit maximal 20 bis 25 Jahren. Man kann davon ausgehen, dass im HMA und SMA Adel und gut situierte Bürger modische Gürtel zu unterschiedlichen Anlässen trugen, die auf den Kleidungsstil abgestimmt waren, so dass der Besitz mehrerer Gürtel wahrscheinlich und ein Wechsel von Formen zeitlebens üblich war.

Auf dem „Weihnachtsbild“ des Altars in Herbruck 1485c trägt der Hirte hinten rechts eine Gugel mit Zaddeln, jene an den Höfen seit einer Generationen aus der Mode.


Es ist denkbar, dass eine Schnallenform im höfischen Umfeld als exquisites Accessoire in kostbarem Edelmetall ausgeführt eine Weile später im minderen Metall vereinfacht nachgeahmt wurde. Bei weniger modisch orientierten Schichten könnten solche Formen überdauert haben, wenn deren Gewandung nur geringen Veränderungen unterlag, man denke nur daran, wie lang sich Tunicaformen oder Umhänge hielten. Auf der anderen Seite könnten wir auch einem Trugschluß unterliegen, denn untere Schichten stellte man lange Zeit stereotyp dar, was sich erst zum SMA änderte als extravagante Kleidung Teil der künstlerischen Aussage wurde und mehr Protagonisten individuell stärker ins Geschehen einarbeitete. Für Ordensdarsteller gelten Sonderregeln, da man hier von Mode nicht sprechen kann und gemäß den Statuten persönlicher Besitz nach dem Ableben an den Orden zurück fiel, den Brüdern zur Verfügung stand.


An Heiligenabbildungen lassen sich oft recht altertümliche Formen belegen, beispielsweise Tasseln im XV. Jh am Gewand Mariens. Auch eine männliche Herrscherdarstellung konnte im HMA recht konservativ sein. Sie prunkte durch Accessoires und Stoffe, aber nicht unbedingt durch den Schnitt der Gewandung, im Gegensatz zum höfischen Umfeld oder auch zur Herrschergattin, von der eher modische Extravaganz gefordert wurde. Das war in manchen Bereichen genau umgekehrt, vor allem bei Auswanderern, siehe auch unten Fußnote „Rückzugsräume“. In den osteuropäischen Rus-Reichen des FMAs vermitteln Frauengräber mit Trägerröcken und ovalen Schalenfibeln ein konservatives Bild, während sich Männer scheinbar schneller östlichen und oriental. Modesitten anpassten, ähnliches war auch in der Kaufmannstadt Birka zu beobachten mit der Begründung, dass Männer als reisende Händler modischen Einflüßen ausgesetzt waren, Frauen daheim nicht. In den Herrschaftsschichten war Repräsentationskleidung nicht selten traditionsgebunden, um Legitimation und Stabilität ableiten zu können. Auch die Kleidung von Amtsträgern oder spezifischen Berufsgruppen steht in diesem Kontext, das gilt bis heute, man denke nur an Richterroben oder Arztkittel. Ältere Formen zeigen auch viele Hortfunde (bekannt: Dune, Fuchsenhof, Salzburg, Pritzwalk, Münster, Erfurt, Colmar, Wiener Neustadt, Chalcis/Euboea, uvam.). Ihre Zusammensetzung mit einer Menge „Altmaterial“ kam meist aufgrund des gehobenen Materialwerts zustande. Die angehäuften Gegenstände erschweren die Bestimmung eigentlicher Nutzdauer, da nur ein grober Gesamtzeitrahmen und möglicher Deponierungsszeitpunkt, z.B. durch die beigegebene Schlußmünze, abgesteckt werden kann.



Fortgeschrittene Ringrollschnallen für Pferdegeschirr oder Rüstungsteile meist aus Eisen, zuweilen aus Buntmetall oder aus einer Kombination von beidem, deshalb fehlt der verrostete Dorn an der rechten Schnalle. Schnallentypen mit Hülse oder rotierender Dornauflage sind nachweislich seit der 1. Hälfte des XIII. Jh beim Pferdegeschirr aus Eisen gebräuchlich.

Trotz der recht breit wirkenden Ausführungen sind manch absolute Aussagen der Kürze und Knappheit geschuldet, um nicht ständig abzuwägen, wie es vielleicht sinnvoll wäre. Hier soll ein praktischer Einblick in die Gürtelmode entstehen und keine wissenschaftliche Studie, wenn überhaupt vergleichbar, bestenfalls auf „Wikipedia“-Niveau. Falls einer dieser Gürtel Euch künftig zieren soll, wird auch der Wert angegeben. Inzwischen ist das private Bilderarchiv über Gürtel, Taschen, Fibeln und verschiedene Aspekte der mittelalterlichen Mode und Alltagskultur gewaltig angewachsen. Aus rechtlichen Gründen sind Veröffentlichungen ausserhalb dieser Seiten nicht möglich. Bei Fragen technischer Art oder über die Herkunft von Schnallen, Zungen, etc, einfach eine mail-Postille schicken, siehe unten. Auch weitere Detailbilder und Quellenbelege werden dann zugeschickt. Ich gebe hier vieles „frei Haus“, der Rest ist in der einzelnen Kommunikation zu erarbeiten.





VII. Hinweis für den Interessenten

Für den mail-Verkehr: In der Überschrift bitte das betreffende Jahrhundert „XII“, „XIII“, etc nennen und plant etwas Zeit ein. Ich bin nicht ständig online, trotz aller derzeit möglichen technischen Raffinessen. Meine Internet-Aktivitäten sind eingeschränkt, denn das ist nicht der zentrale Punkt meines Daseins - Halbgescheites von sich zu geben und auf Metallen „rumzuklimpern“ ist allerdings auch fragwürdig... egal. Im Internet bewege ich mich nur notgedrungen, der „cookie-Scheiß“ nervt ungeheuer. Ich mag nicht mehr als „auszuspionierender Konsumidiot“ dahin gestellt oder ständig darauf hingewiesen werden. Auf diesen Seiten habe ich persönlich so etwas nicht installiert !!! Und zu recht verlange ich Privatsphäre, damit verbunden ist ein gewisser Respekt, den ich anderen gegenüber erweisen möchte, wie ich ihn selbst in Anspruch nehme. Unsere Gesellschaft und Umgangsformen züchten mit der Digitalisierung in hohem Maß Respektlosigkeit heran. Warum will jemand ständig durch Nutzungsgewohnheiten „meine Daten“, sie gehören mir und möchte die volle Entscheidung darüber, wer sie erlangen darf, ansonsten verzichte ich lieber auf manche Dinge !!!

Der Sommer ist Reise- und Marktzeit, der Winter ist Werkstattzeit, sofern es Licht und Temperatur zulassen, denn ich arbeite quasi draussen (Schuppen). In der Saison sind meist alle Kapazitäten ausgeschöpft. Ich möchte mich nicht ständig entschuldigen für späte Rückantworten. Kommt nach 10 Tagen allerdings gar keine Reaktion, bitte noch einmal versuchen, dann ist etwas schief gelaufen. Seht die mail nicht als blitzschnelle Kommunikation an. Es ist die Möglichkeit mich zu erreichen, so ähnlich wie es ein Bote getan hätte. Die Antwort kommt, aber nicht in Eile. Denn nur eins ist gewiß: Wie eilen alle dem Tod entgegen, ein Tag ist nix, Wochen und Monate sind mögliche „Operationseinheiten“, so rasen wir Jahr um Jahr und schwupps ist das Leben vorbei...



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Größenangaben und Objektbenennung

Zur Einschätzung der Größenverhältnisse werden Riemenbreiten in mm

und Senkel/Zungen in cm (Länge x Breite) angegeben,

die Gürtelbezeichnung beinhaltet Jahrhundert, laufende Nr. und Metall,

[siehe Bspl. rechts, zur Verständigung bitte diese Bezeichnung wählen]

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Zum Wert eines Gürtels

Schnallen und Zungen bestehen aus Vollmaterial.

Spenglin (Riemenbeschläge) werden auf Wunsch angebracht.

(1/5 des Preises ist Steuer und kommt damit der Allgemeinheit zugute)

Versandkostenpauschale 5,00 EUR (Hermes oder DHL)

[wichtig: der Transporteur erhält Eure mail-Adresse, zwecks Klärung möglicher Zustellprobleme, wer das nicht möchte untersage es bitte ausdrücklich]

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Das Handwerk

Schnallen, Zungen und Spenglin werden angenietet,

die Riemen gesäubert, kantenbeschnitten und -gerundet, geölt oder gefettet.

Rindsvolleder pflanzlicher Gerbung in: natur, rotbraun, schwarz oder rot.

Rot mit Aufpreis, auf Wunsch Natur aus der Grubengerbung mit Aufpreis, Hirsch in sämisch weiß oder leicht gelblich

(Länge beim Rind bis ca 2,20 m möglich)

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Bei konkretem Interesse bitte fünf Fragen beantworten:

[mglw vorher empfohlene Materialien/Metalle lesen, oder detailliert: Ständegesellschaft]

1. Darstellung zivil oder militärisch, wie wird der soziale Rang eingeschätzt?

2. Zeit und Region der Darstellung [modische Einflüße in Hamburg waren andere als in Köln, Innsbruck oder Nürnberg]

3. Wie lang ist die Gewandung (Oberschenkel, Knie, Wade, Knöchel)?

4. Körpergröße oder gewünschte Gürtelgesamtlänge und Farbe des Leders.

5. Umfang des Gürtels: Dazu anhand eines vorhandenen Gürtels das Maß vom Schnallendornscharnier, also Dornachse (nicht Dornspitze), bis zum engsten bislang genutzten Loch, möglichst auf der Gewandung, messen.

[Falls Ihr ein Maßband nutzt, dann zieht ein wenig zu, denn bei angehangenem Beutel/Tasche wird der Gurt eng gezogen. Zu dem mir angegebenen Wert erstelle ich Löcher in beide Richtungen, sogenannte „Sommer- und Winterlöcher“. Bitte keine Maßangabe nach Jeans-Gürtel, die sitzen nicht wie Gewandungsgürtel]

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Beispiel:

XIV_012_me“

[= Gürtelform XIV. Jh, laufende Nr., Material Messing]

15 mm Riemen (natur/dunkelbraun/schwarz/rot)

und Senkel_me 11 x 1,5 cm [zur Vorstellung der Größenverhältnisse]

fertig montiert ... EUR [inkl. Steuer]

Beschläge „Nr. 7016“ optional

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...falls sich Fragen ergeben oder eine Darstellung umgesetzt werden soll, die hier keine Berücksichtigung fand, kann nach Recherche ein Entwurf entstellt werden,

schickt dazu Eure mail-Postille an:

dragal [das übliche Zeichen] web.de

Vielen Dank für Euer Interesse

Christian

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Impressum

Gibhart im III. Jahr des Triumvirats Scholz-Habeck-Lindner





P.S.: Ein paar Anmerkungen zur Farbe des Leders: Es soll kein Exkurs zur Gerbung eröffnet werden, dazu gibt es genügend Informationen im Netz. Im MA konnte man Leder und Stoff auf jeden Farbton bringen. Die Frage ist nur, war man auch in der Lage aufwändige Verfahren zu bezahlen? Gefärbt wurde im Tauchbad oder Farbe nur einseitig aufgetragen. Bei gehobenen sozialen Schichten, welche auf ihren Prunkgewandungen kein Leder trugen, sieht man auf Abbildungen kein Braun, wenn sie einen zivilen Kontext haben. Bspl Glasmalerei im Ostchor der Marburger Elisabethkirche vor 1250: Während der Geistliche braun gegürtet ist, trägt Elisabeth, trotz ihrer Barfüssigkeit und Schlichtheit, einen blauen Gurt. Erd- und Grautöne sind Farben unterer Schichten. Dazu gibt es hinreichend Abbildungen die braunes Leder zeigen, was langjährig getragen meint, siehe unten „Centurio u Würfler“ - helle, braune und schwarze Farben sind zu unterscheiden. Dunkelbraunes Leder war in der Herstellung nicht das Ziel, aber das Ergebnis der Nutzung. Im Reenactment wird nicht jeder 10 Jahre warten bis sein naturfarbener Gürtel diese Patina bekommt, somit greifen viele zu einem Braunton. Die Szene nutzt grundsätzlich Rekonstruktionen und keine Originale, das sind Kompromisse, ansonsten könnte niemand eine Buntmetallschnalle anbieten, denn keine unserer modernen Legierungen trifft die altertümlichen, von damaligen Oberflächenbehandlungen ganz abgesehen, auch Gewandungen sind oft Kompromisse, von Waffen ganz zu schweigen. Eine Grubengerbung, Lohgerbung, ergibt je nach Pflanzenart und Zusatz Farbtöne von hell- bis rot-braun, denn sie wird auch als „Rot-Gerbung“ bezeichnet. Eine moderne Chromgerbung ist im Gegensatz dazu gräulich und wird nachgefärbt. Spezielle Verfahren, z.B. mit mineralischem Alaun, was eigentlich keine Gerbung, sondern ein Wasserentzug ist, war bei Römern, Mauren, aber auch im skandinav. FMA möglich (schwed. Alaunschiefer aus Västergötland) und wurde mit Schaf- und Ziegenhäuten von „Weißgerbern“ vorgenommen. Alaunleder ist geschmeidig, zieht aber erheblich Feuchtigkeit. Nach Ausschaltung Konstantinopels hatte Italien im SMA durch eigene Vorkommen und Importe aus Griechenland ein Monopol auf Alaun. Die Sämischgerbung als Fett- oder Pseudogerbung, oft mit Hirn oder Tran (Wal, Robbe, Dorsch, etc - deshalb im Norden häufig), wurde für Wildleder verwendet, ergibt ein Blassgelb und wurde oft gebleicht. Fettgerbungen waren übliche germanische und vermutlich auch nomadische Gerbmethoden. Die Glacegerbung des XVII. Jhs hat ihre Ursprünge in der „Dänischen Gerbung“ seit dem XIV. Jh als besondere Form der Sämischgerbung, verfeinert als ein Zwischending von Alaun- und Fettgerbung, z.B. für teure Handschuhe.


Znaim vor 1444 „Centurio u Würfler“ (Offizier u Kriegsknecht), beide tragen breite Gürtelformen, der Centurio mit Dornlochösen, Riemenschieber und Halbmondort. Diverse Lederfarben sind nach Auffassung des Malers/Restaurators erkennbar.


In des Leders Werdegang / ist die Hauptsach` der Gestank. / Kalk, Alaun, Salz, Mehl, Arsen / machens gar recht weiß und schön. / Eigelb, Pinkel, Hundeschiete geben ihm besondere Güte. Darum ist ein Hochgenuß / auf den Handschuh zart ein Kuß“ [A.u H. Bekebrede, Karfunkel 34].

Eine Schwarzfärbung mit Eisensalzen wurde schon lange praktiziert, allerdings kann sie recht aggressiv sein, über gewisse Zeit Leder und Stoff, obertägig aufbewahrt, zersetzen. Bei den Tristan-Teppichen des Klosters Wienhausen aus dem XIV. Jh fehlen die Gesichtskonturen, da sie mit schwarzem Garn ausgeführt wurden. Die Gürtel in der „Manesse“ sind durchweg schwarz gehalten oder wirken lediglich durch ihre Beschläge, die Zwischenräume werden kaum detailliert ausgeführt. Bei der Analyse archäologischer Funde ist der Eisengehalt oft auffällig hoch, mit der Erklärung, dass in vielen Fällen eine Sekundärgerbung durch eisenhaltige Sickerwässer im Boden stattfand. Viele schwarze Lederstücke in den Museen hatten also ursprünglich eine ganz andere Farbe. Desweiteren muss bei Funden berücksichtigt werden, dass lange Lagerung in wechselfeuchten Böden die Aufspaltung von ungenügend durchgegerbtem Leder, was nicht selten war, bewirkt, in eine Fleisch- sowie Haarseite als zwei dünne Schichten.



Zwei eigene Darstellungen: DerNavigator aus Elbing“ vom Ende des XIV. Jhs und die zweite betrifft den Gürtel-Handwerker des XV. Jhs oben rechts, seinem Ahn wie aus dem Gesicht geschnitten. [Allmählich „arbeitet sich“ eine frühmittelalterliche Darstellung heraus, der slaw. Ururururururahn, nicht nur weil eine Tunica für anstrengende Tätigkeiten im Sommer besser geeignet ist als die bisherige SMA-Kleidung]

Meiner Mutter Vater war Navigator und Bürger der Stadt Elbing unter der Herrschaft des Ordens am Baltischen Meere und verkehrte mit den Herren im Rat, nahm erfolgreich an der Unternehmung auf Gotland teil. Im Julius 1410 kam es zur schicksalhaften Schlacht, die der Orden verlor. Seitdem herrscht keine Ruhe mehr und Elbing sucht Anschluß an den polnischen König aufgrund der hohen Besteuerung des Ordens, damit jener seine Söldner unterhalten kann. Jahrzehnte später hat die Familie keinen Grundbesitz mehr in der Stadt und als Wanderhandwerker ziehe ich im Westen des Reiches durch die Lande.“

Stadtsiegel von Elbing





„Das Maß der Erde“

Letzter Markttermin für 2024 [mit den Themen der Karten-Vorführung]

30. Nov / 01. Dez Schloss Hardenberg, Velbert-Neviges

...undt das nächste Jahr ist in Markt-Touren-Vorbereitung...

= Auftragsannahme momentan nur eingeschränkt über diese Seiten [weil Saisonbereinigung !] =



Hinweise zur Wegführung durch die Jahrhunderte

I.-VIII. / IX.-XI. / XI.-XIII. / XIII.-XIV. / XIV. / XV. / XV.-XVI. Jh

(0-800 / 800-1025 / 1025-1250 / 1250-1350 / 1350-1400 / 1400-1450 / 1450-1520)

neu gestaltet: Prolog – Römische Kaiserzeit (RKZ) I.-V. Jh

Zur Datierungen wurden bewusst lateinische Zahlen verwendet, damit in der Benennung des Gürtels das betreffende Jahrhundert sofort erkennbar ist. Falls Ihr Muslim, Inder oder Italiener (wg Fibonacci) seid, hier die Übersetzung lateinisch - arabisch: I = 1 / V = 5 / X = 10



Zitate sind nicht nach Autor und Erscheinungsjahr angegeben, sondern mit einem Kürzel in fett, da sowohl Textstellen, als auch Bilder in der Datenbank damit versehen wurden. Desweiteren haben bei meinen privaten Studien Abkürzungen, die häufig benutzt werden, wie „röm, mglw, bzw, etc, usw“ keinen angehangenen Punkt, er stört im Schreib- und Lesefluß. Das kommt auch auf diesen Seiten vor, das mag der geneigte Leser nachsehen...ungeneigte kommen eh nicht bis hierhin...

Objekte mit längeren Laufzeiten im direkten Zugriff:

Beutelhalter XIII.-XV. Jh

Knieriemen XII.-XV. Jh

IX. Thematische Exkurse:

Gürtelformen seit Bronzezeit und Antike

1) ROM-Byzanz-Seide-Italien

2) Adel-Vasallen-Heerschildordnung-Heraldik

3) Hundertschaft-Gefolgschaft-Lehnswesen-Ministeriale

4) Bürger-Stadteinwohner

5) Textilreste in Nordischen Gräbern

6a) Bronze oder Messing im FMA

6b) Bronze oder Messing im HMA/SMA

7) Verwendete Ledersorten im HMA (Schleswig)

8) Eisenproduktion vom HMA zum SMA

9) Faszination Tafelbild und Schauspiel im SMA

10) Heer- und Handelswege im Mittelalter



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mit Dank ...und Entschuldigung

Hier ist die Stelle, um mich zu bedanken, bei meinen Lieferanten für Rohstoffe, Güsse, Fertig- und Halbwaren, bei Autoren, Museen, Verlagen - den Informationslieferanten, genauso bei Darstellern, die mir am Marktstand durch anregende Gespräche oder mails wertvolle Tips zu Originalfunden, Material und Verarbeitung, Hinweise zu Literatur oder sehenswerten Ausstellungen sowie zur Korrektur von Fehlern auf dieser Seite gegeben haben. Durch jeden neuen Auftrag werden eigene Aussagen überprüft und es entsteht ein Lernvorgang ausgelöst durch den Kunden. Denn keiner ist davon ausgeschlossen: Wir sehen nur, was wir auch sehen wollen – oder können. Nach wie vor sind Anregungen und Kritik willkommen oder mögliche andere Sichtweisen, um eigene Anschauungen zu relativieren. Vor allem gilt der Dank allen, welche durch Bestellung die Seiten finanziell möglich machen, gerade in dieser schwierigen Phase. Auch danke ich für die Geduld, denn das Voranschreiten ist langsam. In der Saison mit Markttouren im Verbund sind kaum Aufträge umzusetzen, da absolut keine Zeit für die Werkstatt bleibt. Manches kann nur entgegengenommen und ab Herbst abgearbeitet werden. Dazu muß ich aus privaten Gründen zwischen Hessen und Westfalen pendeln. Rein rechnerisch ergeben sich von 52 Wochen im Jahr als reine Werkstattzeit nur 12 bis 13 Wochen !

So möchte ich mich entschuldigen, bei all jenen, die in der Vergangenheit „durch den Rost gefallen“ sind. Es gab Anfragen, die blieben irgendwann, irgendwie oder irgendwo hängen, weil es an der Kommunikation haperte oder die Marktsaison einfach zu viel war, da oft der Zustand totaler Erschöpfung erreicht. In der Saison ist die Stunde kein Maß mehr, bestenfalls ein Atemhauch, Zeit rast, 24 Stunden für einen Tag sind einfach viel zu wenig und unsere Erde dreht sich anscheinend immer schneller, oder wars die Sonne oder der Mond oder was auch immer? Auch gab es Aufträge, an denen ich in der Recherche oder bei der Verarbeitung des Werkmaterials gescheitert bin. In der Regel bleibe ich dran, aber mit dem vierten, fünften, sechsten Versuch wird der Vorgang immer zäher, die Rückkehr zum Erreichten immer schwieriger, da bereits durch zig andere Arbeiten beansprucht. Trotz mancher Kritik, die auf diesen Seiten an Vergangenheit und Gegenwart geäußert wird, soll auch den Vorvätern und Vätern unseres aktuellen Gesellschaftssystems gedankt werden, welche die Grundlage schufen solche Gedankengänge öffentlich kund zu tun. Das war und ist keineswegs eine Selbstverständlichkeit, wobei momentan der Eindruck entsteht, dass durch die umfassende Digitalisierung starke Änderungen eintreten und hinzu ein „Feldzug zur Reinhaltung der Sprache“ geführt wird [- das hatten wir schon mal!]. Die Verpflichtung Freiheiten zu erhalten ist keine leichte. Systeme zu aktualisieren und anzupassen scheint manchmal schwieriger als ein grundlegender Aufbau, denn oft ist Errungenes für alle Nachfolgenden zu selbstverständlich und die Mühen darum nicht in aller Bewußtsein, deshalb ist man wohl bereit es allzu leichtfertig abzugeben !



Mittelalter-Darstellung erhält

vielfach Glaubwürdigkeit durch used look...

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...muss vielleicht nicht ganz so aussehen wie dieser Kundengürtel - nach Jahren wieder auf dem Tisch -

etwas mehr Grünspan an den Senkel, von einem Original kaum zu unterscheiden...




X. Rechtliches/Technisches und Impressum

Sollte nach der Erstellung eines Gürtels irgendetwas nicht zu Eurer Zufriedenheit sein, übersehene Gußfehler oder vorschnelle Materialermüdung zu Schäden führen, dann setzt Euch mit mir in Verbindung. Es wird im beidseitigen Einvernehmen für Abhilfe gesorgt als Form der Garantieleistung.


Im Sommer bin ich in erster Linie auf dem Markt und dort für viele tätig, hier nun stehe ich Euch ganz exklusiv zur Verfügung. Rechnet bitte immer ein wenig Dauer bei Anfragen ein, oft müssen speziell Bilder zugeschickt, Fragen geklärt oder Probestücke angefertigt werden. Es sind zuweilen recht umfangreiche Recherchen notwendig. Kommunizieren kostet Zeit, die mir in der Werkstatt fehlt. In der laufenden Saison bin ich nur in gewissen Abständen im Netz. Im Sommer werden zukünftig keine speziellen Gürtelrekonstruktionen mehr erstellt. Das schnelle „Geburtstagsgeschenk“ ist ohne Vorbereitungszeit unmöglich. Märkte beschränken sich leider nicht nur auf zwei bis drei Tage Arbeit, sondern Standauf- und Abbau, Hin und Rückfahrt, Vor- und Nacharbeiten, Steuer- und Bürokram lassen die Woche dahin schmelzen, so dass für die Werkstatt oft keine Zeit bleibt. Bei verbundenen Markt-Kombi-Touren ist auch ein Monat „schnipp“ vorbei...ohne dass nur eine Schnalle gefertigt, ein Blech geschnitten oder irgendwelche Spenglin entgratet und poliert wurden. Bitte achtet und respektiert die Arbeit und die vielen Stunden Recherche. Die Verwendung der Inhalte dieser Seiten darf nur nach Genehmigung erfolgen. Vor allem keine Bilder von Originalmaterial in den sozialen Medien veröffentlichen, sofern es die Maschinen nicht sowieso tun, aber der Mensch sollte in jeder Beziehung verantwortungsvoller sein als die Maschine, noch …, meist liegt auf dem Material eine eingeschränkte Erlaubnis, welche die weitere Veröffentlichung nicht beinhaltet, wer dagegen verstößt haftet mit! Ansonsten soll hier nicht mehr als notwendig mit Paragraphen gestrotzt werden. Es soll mit diesen Seiten Niemandem Schaden zugefügt werden, ganz im Gegenteil, und bitte dies auch umgekehrt so zu handhaben. Ich danke für Euer Verständnis.


Das ganze hier ist ein Entwurf, bzw besteht aus vielen kleinen „Würfen“. Aus Zeitmangel für die digitale Welt werden diese Seiten immer bruchstückhaft, teilweise zu grob gestrickt und wohl auch mit Fehlern behaftet sein, manchmal sind nur Anregungen und Ideen hier hineingeworfen, um später überarbeitet und nachvollziehbar ausformuliert zu werden, manchmal ist es nur die Müdigkeit, da ich in der Saison aufgrund von Erschöpfung oft keinen vernünftigen Satz schreiben kann und mir schon „SPO“ schwer fällt [das ist keine Partei]. Dieses Projekt ist ein grosser Lernprozeß. Denn „das Schreiben“ wurde mir nicht in die Wiege gelegt. Am Stand sind Dinge schnell gesagt oder behauptet, zumal dort, aufgrund der Fülle der Anforderungen, meist „Streßsituation“ herrscht. Hier bin ich gezwungen, bzw bezwinge mich selbst, in immer neuen Anläufen, auf den Punkt zu kommen (ja genau den, der zuweilen weglassen wird, da Abkürzungen bei mir oft keinen Punkt erhalten, weil sie den Lesefluß stören). Falls irgendetwas unklar ist, schickt mir eine mail unter dragal (at) web.de

Das Voranschreiten ist oft sehr langsam. Es wurden inzwischen hunderte von Gürtelrekonstruktionen erstellt, die bildtechnisch fürs net aufbereitet werden müssten, auf diesen Seiten wird also nur ein Bruchteil abgebildet, lange Zeit wurde es bedauerlicherweise überhaupt versäumt Bilder von den erstellten Stücken anzufertigen. Es soll allerdings nicht ausschließlich gezeigt werden, dass etwas angefertigt wurde, sondern warum es in dieser Form geschah. Vornehmlich gilt es also das Archiv gründlich aufzubauen, um stichhaltige Aussagen zu liefern und die eigenen Erkenntnisse zu untermauern. Die „private Forschung“ hat Vorrang und die Fülle des Materials ist schlichtweg erdrückend. Die Annäherung ans Mittelalter geschieht mit einer gewissen „Naivität“, möglichst nicht überheblich dem Thema gegenüber, da wir ja „allwissend“ am Ende der Kette stehen, sondern ehrfürchtig.

Fragmente Originalschnallen Wende XV. - XVI. Jh (Materialanalyse: gelbfarbige Legierung)

Von mir wurden keine „cookies, tracker, ...“ oder sonstige bizarre Dinge initiiert. Es müssen keine persönlichen Daten in irgendwelche Formulare eingegeben werden. Wer mich erreichen möchte, schicke eine übliche mail. Reitende Boten haben in manchen Situationen bei heutigen Verkehrsverhältnisse nur noch auf Schleichwegen eine Chance durchzukommen, da eine Überlandreise inzwischen zum Abenteuer geworden ist, weil jede Ortschaft aufgerissen wird, auch die Nutzung von „Galopprennstrecken“ bietet kein sicheres Durchkommen, wie z.B. auf der Nr. 45 gezählt in diesen Landen (Raum Lüdenscheid, wo gleich zwei Brücken zerstört sind), Pferde könnten im Dauerstau verdursten und die Boten verhungern, falls nicht genügend verproviantiert...

Noch einen aus der „Klamottenkiste“: Man ist nun einer Klärung der Frage nah, weshalb im MA die Kindersterblichkeit so hoch war,

weil die „Hüpfburgen“ noch aus Stein waren...

Impressum

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Oben verwendete Literatur mit Quellenkürzel [fett]: Buttinger u Keup, Die Ritter [DRi], Stuttgart 2013 / Egan, G. u Pritchard, F. (Hrsg.): Dress Accessories 1150-1450. Medieval Finds from Excavations in London [DressLo], London 1998 / Fingerlin, I.: Gürtel des hohen und späten Mittelalters, München Berlin 1971 / Haedeke, H.-U.: BERG und MARK. Menschen, Eisen und Kohle [BuM], Solingen 2000 / Huizinga, J.: Herbst des MAs [HdM] / Ich Wolkenstein 1377-1445, Bd. I [IWoI] / Kahsnitz, R.: Tilman Riemenschneider. Zwei Figurengruppen unter dem Kreuz Christi [TR], BNM 1997 / B. Tuchmann: Der ferne Spiegel. Das dramatische 14. Jh (engl. 1978), dt 1980 / Ziegler, U.: Geschichte des Dt. Ordens [ZDO]. Ausgabe Area Verlag Erfstadt 2005.



1/ Obwohl die Seiten ein Nischenprodukt für eine verschwindende Minderheit unserer Gesellschaft darstellen, kam mir zu Ohren, dass sich auch andere hierhin „verirren“. Nachdem der brit. Sender BBC Maßstäbe setzte, ist es üblich geworden TV-Dokumentationen mit kleinen Spielfilmsequenzen zu versehen, um Unterhaltungswert und Anschaulichkeit zu erhöhen. Es gibt heutzutage Dokus, die bestehen, bis auf Einsprengsel von Expertenaussagen, eigentlich nur noch aus gespielten Szenen. Die Meinungen dazu sind geteilt. Denn es gibt erkennbare Grenzen der Umsetzung historischer Sachverhalte. Für dt. Produktionen mit Themengebiet „Mittelalter“ ist ernsthaft zu überlegen, ob Königs- oder Krönungsszenen ratsam sind, denn sie wirken meist recht unbeholfen, selbst die Darstellung eines „Grafen-Haushalts“ ist schon eine Herausforderung, die einen hohen finanziellen Aufwand erfordern würde. Bei vielen alltäglichen Szenerien ist die Ausstattung mancher Laienschauspieler nicht nur gefordert schlicht, sondern eher dürftig. Neuzeitliche Themenkomplexe schneiden besser ab, auch das FMA ist auf gutem Wege, könnte aber mehr, wenn es mal einen Gang zurückschalten würde - Darstellungen bei Tätigkeiten in Haus- und Landwirtschaft sind oft zu prunkvoll (Fibeln, Gürtel, Zieren). Das gilt vor allem für das skandinavische FMA, denn die Dame mit Trägerrock und ovalen Schalenfibeln wird diese kaum am Herd getragen haben, sondern erst beim Gastmahl, wo die von ihr geleitete Küche für die gezauberten Speisen gerühmt wurde. Sie leitete das handwerkliche Geschehen, betrieb auch hochwertige Textilarbeiten als Herrin des Hauses, des Hofes, des Fleckens, der Ortschaft, Gattin eines Freien oder des Jarls. Fibelgestützte Trägerröcke waren eben an die Herrschaft gebunden, teilweise wohl in der reichen Kaufmannsschicht verbreitet, aber nicht unbedingt Alltagskleidung der breiten Masse, welche Kittel und Schürzen trug (ohne Ovalfibeln). Leider hatte Agnes Geijer nicht sozial differenziert, wozu auch Ingar Hägg bislang nur wenige Äusserungen tat. Bei Dokus wäre eine erkennbare soziale Differenzierung wünschenswert. Innerhalb des MA-Reenactments gibt es hochkarätige Darsteller für alle sozialen Riegen, die anspruchsvollen Produktionen zur Verfügung ständen. Als gelungene Ausführung für das SMA sei beispielhaft „Das Mittelalter im Südwesten“ von 2014 angeführt. Das Umfeld des Konstanzer Konzils ist mit momentan vorhandenen Mitteln kaum besser darzustellen, auch wenn man sich dabei eher an die späten Illustrationen der 2. Hälfte hielt und weniger an die exakte zeitliche Umsetzung zu Anfang des XV. Jahrhunderts. Absoluter Tiefpunkt der „TV-Historienspiele“ sind momentan französische Dokumentationen zum MA und vielfach US-Produktionen zur Völkerwanderungszeit mit ständig eingeblendeten unsäglichen Kampfdarstellungen, in denen sich alles in wilde Knäuel auflöst, was deutschen Dokumentationen durch geschickte Kameraführung bsplw in „Kaiser Ludwig IV. der Bayer“ von 2008 durchaus besser gelingt. Die US-Reihe „Aufstand der Barbaren“ zeigte wohl Ansätze, wobei aber die Übersetzung des Titels vollkommen missglückt: Hannibal, Attila oder Geiserich als „Aufständische“ – welche Geisteshaltung steckt denn dahinter? Vielleicht nehme man sich ein Beispiel an eher „statischen Moderationen“ von Peter Milger, der in seiner sehenswerten Kreuzzugs-Dok von 1988, an Originalschauplätzen gedreht, noch ganz ohne Schauspiele auskam und Originalabbildungen „sprechen ließ“! Bzgl Kampfszenen ist es eine Binsenweisheit der Militärhistorie, dass man über Jahrtausende auf den Schlachtfeldern in FORMATIONEN kämpfte, siehe die berühmte „Geierstele“ um 2470vC als Siegesmal für Königs Eanatum von Lagasch anläßlich der Eroberung des nachbarlichen Umma errichtet, heute im Louvre, mit Darstellung einer Schild-Lanzen-Formation als Maßnahme gegen Streitwagen und zur Fernwaffenabwehr. Opferriten, Schlachtgesänge, Instrumente, Waffengeklirr und viele andere optische und akustische Mittel waren üblich, um selbst Mut zu machen und den Gegner einzuschüchtern. Geschickte Manöver und psychologische Kriegführung galten seit je her als Garanten zum Sieg, einfach losrennen und draufhauen war es kaum. Wohl mussten schwächer gepanzerte Einheiten Fernwaffenbeschuß unterlaufen, ansonsten blieb man möglichst im Block, selbst Kelten und Germanen hielten mit Formation im Sippen- oder Familienverband den notwendigen Zusammenhang, gesonderte taktische Manöver wurden mit Reitern und Plänklern vollzogen. Die vielen Fahnen, Banner und Standarten auf den Schlachtfeldern hatten schließlich einen Zweck – sie waren Bezugspunkt und Signalmittel. Sie waren im Chaos des Nahkampfs der einzige mögliche Sammelpunkt, wenn sich alles in Staub, Leiberknäulen und blutigen Gemetzel auflöste. Formationen waren zu halten, man kämpfte kaum an irgendwelchen Ecken des Geländes im „ritterlichen Zweikampf“. Lösten sich Formationen auf, ging die Schlacht verloren, damit werden in der Regel bestenfalls chaotische Rückzugs- und Fluchtgemetzel, bzw Schlussphasen gezeigt, vielleicht sinnvoller in Nahaufnahme, ansonsten wären Guerillaaktionen, Marsch-, Lager- oder Belagerungsdetails ratsamer, falls Militärisches thematisiert werden muss. Diese Meinung wird von vielen geteilt und oft nur abgewunken, wenn das Thema auf TV-Doks zu sprechen kommt. Vielleicht erreicht die Kritik, in der Szene nicht selten geäussert, die richtige Adresse?



2/ Als Reenacter in der Umsetzung von Beobachtetem, sollte man nicht vorschnell annehmen, dass alleine das Schlüpfen in nachgeschneiderte Gewandung uns den mittelalterlichen Menschen mit ihren Empfindungen und Denkweisen, der tiefen Religiösität, dem übersteigerten Glauben und Aberglauben, den kollektiven Ängsten und der Anmaßung der Stände, einer manchmal bestialischen Brutalität und scheinbaren Primitivität, dem Unwissen einerseits und hohem Spezialistentum anderseits, dem grossen über viele Generationen unschriftlich gehüteten Erfahrungsschatz (z.B. Zunftgeheimnisse im Handwerk) - heute nur mühsam rekonstruiert, sehr viel näher brächte. Auch für die Wissenschaft gilt, welche sich oft an recht widersprüchliche Quellen halten muss, dass historische Vorgänge in ihrer ungeheuren Komplexität nie zur Gänze erfasst werden können. Es bleibt bei Strömungen, Ausschnitten, Meinungen, die in der Auswahl selbstverständlich höchst manipulativ sind. Davon auszugehen, dass Geschichtswissenschaft objektive Ergebnisse zu tage fördere wäre kindliches Denken. Zu sehr sind wir von unserer eigenen Welt geprägt und die Zeit vor rund 1000 Jahren muß uns im Kern unverständlich bleiben. So wie es „natürliche Phänomene“ gibt, gibt es auch „historische“ mit einer gewissen Ratlosigkeit ihnen gegenüber. Es erfordert ein enormes Quellenstudium, um den damaligen Menschen wirklich zu erfassen, dazu wird den meisten Darstellern die Zeit fehlen, ich habe sie im viel zu geringen Maß. Um sich mittelalterlichem Lebensgefühl anzunähern hat es dazu immer wieder Versuche der Forschung gegeben. Für Darsteller des SMAs mit westeuropäischen Bezügen sei vielleicht Barbara W. Tuchmanns „Der ferne Spiegel – Das dramatische XIV. Jh“ von 1978 oder Johan Huizingas, „Herbst des Mittelalters - Studien über Lebens- und Geistesformen des XIV. und XV. Jhs in Frankreich und in den Niederlanden“ von 1919 empfohlen. Ältere Historikergenerationen, darunter Henri Pirenne, Jacques Le Goff (der „Schmied“) oder Arno Borst, sind m.E. trotz wissenschaftlicher Erkenntnisfortschritte noch immer erstklassig und absolut lesenswert. Sie sind in der Lage unser Bild des MAs mit Inhalten, mit Emotion, mit Lebensgefühl zu füllen. Die Einleitung von Arno Borst, Die Staufer in der Geschichtsschreibung, in: Die Zeit der Staufer. Katalog zur Ausstellung Stuttgart 1977, S. 263 ist geradezu sensationell...



3/ Der zivile Leibgürtel ist Teil der Bekleidung, aus Stoff oder Leder, im XVI. Jh in der Frauenmode auch rein aus Metall (Kettengürtel), was sich an militärischen Formen der Männerwelt (Dusinge) Wende XIV./XV. Jh orientierte. Geschlossen wurde durch Bindesysteme, Haken, Riegel oder Schnallen. Breite und stabile Ledervarianten, meist aus Rinderhaut, sollen als „Gurt“ bezeichnet werden, wie Leib- oder Waffengurte. Man kennt sie auch aus anderen Bereichen, wie mehrlagig vernähte Sattelgurte oder Geschirre im Transportwesen. Der „Riemen“ wird hingegen als schmal definiert, für Zaumzeug und Sporen, Schuhe, Taschen und diverse Ausrüstungsteile oder in Verwendung als Knieriemen. Sie bestehen entweder aus einer Schicht Rind, siehe Sporenriemen, oder waren gedoppelt vernäht wie bei dünnem Schaf-, Ziegen- oder Wildleder, strapazierfähiges Schwein wurde für Bucheinbände genutzt. Kurze Riemenstücke für die Handhabe von Schilden wurden oft aus mehreren Lagen Leder gesteppt. Unter einemLanggürtel“ sei der Leibgürtel verstanden, der nach dem Anlegen ein deutlich längeres Zungenteil aufweist als moderne Gürtelformen und damit über den Oberschenkel bis auf Knielänge reichen kann. Ilse Fingerlin 1971 verwendet für die Gürtel des XIV. Jhs mit manieristischen Beschlägen den Begriff des „Gürtels mit Überlänge“. Damit soll deutlich geschieden werden: Länge bis Oberschenkel/Knie = „Langgürtel“ und Länge bis Schienbein = „überlanger Gürtel“.

Mythos Langgürtel“

Genau genommen müsste es eigentlich heißen „Mythos geschnallter Langgürtel“. Denn diese Gürtelform ist heutzutage im Besitz fast jeden „Mittelalterdarstellers“. Er ist aus der Szene nicht mehr wegzudenken und gilt neben Waffen und anderen Kleidungsstücken als typisch mittelalterliches Attribut. Dadurch wird er stilisiert und hat er eine „Aura“ erhalten, bzw Mittelalter und Langgürtel werden von vielen Darstellern unweigerlich miteinander verknüpft. Nimmt man das Mittelalter als 1000jährige Epoche mit unterschiedlichen Modeströmungen ist dem aber nach korrekter quellenkundlicher Betrachtungsweise nicht so. Dabei geht es keineswegs um „Besserwisserei“, sondern um einen kritischen Umgang mit den Quellen. In der Szene wird nur zu oft ein Gegenstand ausschließlich nach Funktionsweise und Datierung befragt, dabei der Gesamtkontext außer acht gelassen. Beim Reenactment „hört ja der Ernst auf und fängt der Spaß an“.

Belege für geschnallte Gürtel, die mit ihrem Zungenteil eine Länge bis zum Knie und länger aufwiesen sind in West- und Mitteleuropa für Mann und Frau vor der Mitte des XII. Jhs selten und längere Gürtelformen werden, Abbildungen gemäß, eher Bindegurten zugesprochen, also vornehmlich textilen Gürtelvarianten, da technisch keine Längenbegrenzung gesetzt war. Ledergürteln sind natürliche Grenzen gesetzt, sofern sie der Länge nach aus einem Stück Haut geschnitten werden und man nicht im Kreis schneidet, was nicht immer vorteilhaft ist oder die Lederstücke aneinander fügt, durch Nähte oder Beschlagverbinder, wie sie teilweise zu beobachten sind. Vor allem osteuropäische Formen der Reitervölker weisen eine hohe Zahl von Beschlägen auf, damit war deren Gürtellänge variabel. Funde aus Nordeuropa mit hoher Beschlaganzahl stehen in diesem Kontext, denn sie verweisen auf reiternomadische Gürtel. Im Zuge der französischen Gotik verbreiteten sich geschnallte Gürtelformen, welche Überlängen bis zum Schienbein und länger aufwiesen, durch Skulpturen nachweisbar. Dadurch, dass meist gehobene Schichten thematisiert wurden und damit Stoff und weniger Leder Verwendung fand, konnten Gürtel extreme Längen erreichen! Den Quellen nach beschränkten sich überlange Gürtelvarianten zunächst auf Adel und höfische Bereiche, mag später vom gehobenen städtischen Bürgertum (im SMA max. ca. 2 % der Stadteinwohnerschaft) nachgeahmt worden sein, betraf den Großteil der damaligen Bevölkerung jedoch nicht. Dieser trug bestenfalls Gürtellängen bis zum Saum der Gewandung, meint in der Regel Oberschenkel, manchmal bis zum Knie, aber keinesfalls mit Überlänge! Letzteres fand bei führenden Schichten europaweit im XIV. Jh einen modischen Höhepunkt (Fingerlin hebt diesbzgl die extrem lang gestreckten Bleche und Dekors hervor). Solche Gürtelformen wurden teilweise religiös aufgeladen, wie Mariengürtel als Zeichen des „Unberührten und Keuschen“, das Motiv hielt sich noch bis ins XVIII. Jh (!). Dergestalt könnten auch überlange Gürtel bei den „klugen und törichten Jungfrauen“ zu verstehen sein, nicht nur als Schönheitsideal. Jugendlichkeit und Unberührtheit der adeligen Patriziertöchter wurden durch die Gürtellänge betont. Davon sind keineswegs Standardgürtel dieser Zeit abzuleiten!!! Mit modischen Veränderungen in der zweiten Hälfte des XIV. Jhs begannen sich Männergürtel führender Schichten deutlich einzukürzen und ab Mitte des XV. Jhs verschwanden bei ihnen Langgürtel fast gänzlich. Der überstehende Zungenteil war nun oft nicht viel länger als eine Handspanne. Speziell ritualisierte Handlungen am Hof und in Adelskreisen oder historisierende Darstellungen erforderten auch in späteren Zeiten zuweilen den tradierten Langgürtel [Belege werden auf den entsprechenden Seiten gebracht]. Auch bei Damen gehobener Schichten und als „Sonn- oder Festtagsgürtel“ hielt er sich. Das XV. Jh wies ein hohes Spektrum vollkommen neuartiger Formen unterschiedlicher Länge und Breite auf. Es rückten Gürtelformen ins Blickfeld, die vorher kaum zu entdecken waren, denn auch untere Chargen wurden auf Kunstwerken immer häufiger dargestellt, siehe beispielhaft die Schweizer Bilderchroniken um 1500 (auch Frauen sind dort im ungewohnt hohen Maß präsent). Im XV. Jh ist durch die gute Quellenlage das Spektrum an Gürteln breit gefächert, was in vorherigen Zeiten mangels Quellen so nicht nachgewiesen werden kann. Eine Hürde stellt sich allerdings für den heutigen Betrachter zu erkennen, wer in den Kunstwerken exakt Darstellung fand, sie sind also nach sozialen Gesichtspunkten zu interpretieren. Mariengürtel oder die weiblicher Heiliger generell als Standard für weibliche Gürtelformen anzusehen wäre sicher ein Fehler. Eine „Madonna im Ährenkleid“ trug keinen extrem langen Gürtel, dessen Senkel ein gutes Stück auf dem Boden neben ihr lag, um einen verrückten Modegag der Zeit aufzunehmen, sondern verdeutlicht die Unberührtheit und Keuschheit dieser „Himmelserscheinung“, gleichzeitig Symbol der Fruchtbarkeit (Ähre) ! ...naja...

Fazit: In der gut 1000jährigen Epoche beschränkte sich die Kernphase geschnallter Langgürtel in West- und Mitteleuropa bei Männern auf maximal 250 Jahre (2. Hälfte XII. bis 1. Hälfte XV. Jh), die des „Gürtels mit Überlänge“ für den gehobenen Stand auf rund 100 Jahre (1. Hälfte XIII. bis in die 1. Hälfte XIV. Jh). Grundsätzlich läßt sich festhalten, dass Gürtelzungen nur selten über den Gewandsaum ragten, wenn Zungen überhaupt getragen wurden, ansonsten endete der Gürtel „blank“. Also bestimmte die Länge der Gewandung die Gürtellänge, wobei ein langes Gewand, meist Vorrecht der Oberschicht, nicht zwingend einen Langgürtel erforderte, siehe „Bürger“ in der Wende zum XV. Jh mit kurzen breiten Gürteln. Während kurze Kleidung, ob Tunica, Kotte oder Schecke, in der Regel einen kürzeren Gürtel bedingte. So nutzte das SMA den Langgürtel nur noch im eingeschränkten Maß. Das FMA und das beginnende HMA kannte, nach archäologischen Befunden, den Langgürtel im westlichen Kulturkreis nicht, der Osten (Balkan, Russland) im Bereich der Reitervölker durchaus, so sind „oriental. Birkagürtel“ seltene Importstücke oder wurden von nomadischen Söldnern getragen und waren kein skandinavischer Standard. Von diesen Aussagen sind textile Bindevarianten grundsätzlich abzugrenzen. In der weibl. Modesphäre betrafen Gürtel mit Überlänge hauptsächlich Adel und besitzendes Bürgertum, waren keineswegs typischer Bestandteil mittelalterlicher Kleidung, schon gar nicht Ausstattung der hart arbeitenden Bevölkerung. Knechte, Mägde und vielfach ältere Personen werden meist mit viel kürzeren Gürtelformen dargestellt, egal was gerade Modetrend war.



4/ Auch wenn der Waffengurt nicht näher betrachtet werden soll, sei kurz überlegt wer befugt war eine Waffe zu tragen und welchen Typ? Ein Waffenrecht hatte der Adel und von der Obrigkeit dazu Befugte, also auch Kriegs- und Soldknechte bei entsprechendem Dienstverhältnis, eine Waffenpflicht der „Freie“ und später in Notfällen der „Bürger“ mit Eintrag in die Bürgerrolle, wohl nur ein geringer Teil der mittelalterlichen Gesellschaft, siehe Exkurs 4: „Bürger-Stadteinwohner. Mitte des XV. Jhs war in Nürnberg und in Weissensee/Thüringen das Tragen von „Barten, Langmessern oder Mordwehren“ grundsätzlich verboten! Ein Kriegsknecht wird hier ausser Dienst mglw mit Dolch, aber nicht mit einer Langwaffe umher gelaufen sein. Nicht jeder Mann des Mittelalters war automatisch ein Waffenträger, ganz im Gegenteil [siehe Statuta thaberna von 1434 aus Weißensee/Thüringen in: GE König, Anno Domini. Jahrbuch für mittelalterl. Kulturgeschichte u hist. Brauchtum 1999, S. 50]. Neben dem Waffentragen werden dort auch andere Dinge der Zivilordnung zur Sprache gebracht, wie das Strafen derjenigen, die Unflat auf die Straße abschütteten. Es wurde also versucht den Mißstand zu beseitigen. Zu berücksichtigen ist, dass Städte aus Ortschaften erwuchsen, welche ursprünglich ausreichend Platz zwischen den Häusern boten und dann allmählich eine dichtere Bebauung Probleme schaffen konnte. Abschließend zur Frage des Waffentragens mit schwieriger Interpretation mittelalterlicher Quellen noch ein Beispiel: Es gibt eine Abbildung, die Bewaffnete beim Mauerbau zeigen. Davon ausgehend, dass Steinmetzen keine Waffen während ihrer Arbeit trugen, musste eine Sondersituation vorliegen. In der Tat wurde die alttestamentarische Geschichte von Nehemia umgesetzt, der als Vertrauter des pers. Großkönigs nach Jerusalem gesandt worden war, um den Mauerbau in der von Babyloniern zerstörten Stadt voran zu treiben. Da benachbarte Völker den Mauerbau mit Gewalt verhindern wollten, mussten die Arbeiter ihre Tätigkeit bewacht und bewaffnet verrichten (Nehemia 4, 15-18). Ohne den Hintergrund, dass der mittelalterliche Meister diese Textstelle aus dem Alten Testament illustrierte, wäre die Abbildung kaum korrekt zu erfassen gewesen.



5/ Zitat nach Geppert in Ars Sacra, S. 131. Die Häufung, überhaupt das Vorhandensein oder das Fehlen bestimmter Formen lassen regional Spekulationen zu über die Struktur der Herrschaft, soziale Hierarchien, die Beeinflussung in religiösen, diplomatischen, künstlerischen und technischen Dingen, über den Handel, Warenströme und Verkehrswege mit Rohstoffzugriff und -verarbeitung. Handel beschränkt sich nicht nur auf die Sachkultur, sondern ist immer zugleich Träger wichtiger Impulse und Ideen. Bevor es ein Postwesen gab, übernahmen Fernhändler oft den Brief- und Dokumententransport und waren zugleich mündliche Informationsträger und Überbringer von Neuigkeiten. Sobald unterschiedliche Kulturen Kontakt miteinander haben, beeinflussen sie sich gegenseitig, was nicht sofort Spuren in materiellen Hinterlassenschaften zeigen muss, aber kann. Solche Diffusionismus-Theorien grenzen sich, mit der infiltrierenden Verbreitung von Ideen und Sachgütern, ab gegenüber älteren Migrations-Theorien, also der Verbreitung durch Einwanderung oder Völkerverschiebung. Massive kulturelle Veränderungen finden auch ohne große räumliche Bewegung von Völkern durch Handel und Übernahme von Gebräuchen statt. Die heutige Forschung ist zurückhaltend in Deutungsversuchen übergeordneter Art, vor allem der Verifizierung historischer Sachverhalten anhand von archäologischen Artefakten oder die Zuordnung jener zu bestimmten Ethnien. Mit Sicherheit ist Vorsicht geboten, doch scheint es vertretbar, dass heutige Betrachter eines archäologischen Fundstücks oder obertägigen Relikts das Ergebnis obiger Determinanten wahrnimmt, die zur Erhellung historischer Zusammenhänge beitragen können, eben als Mosaikstein im Puzzle der Vergangenheitsbetrachtung.



6/ „Religion“ ist bei der Annäherung ans Mittelalter der entscheidende Themenkomplex, der die Gesellschaften formte. „Religion“ als Vorstellung einer überirdischen Kraft, gefiltert und definiert durch das irdische Ordnungsstreben. Der Glauben, damit verbundene sozial-mentale Verknüpfungen, mögen für eine Gesellschaft, wie für den Einzelnen eine Rolle spielen und haben für das Individuum sinnstiftende Funktion. Das Alte Testament machte aus Geschichte Geschichten, dieses erfolgreiche Konzept wurde im Neuen Testament intelligent und wortgewaltig weitaus weniger blutrünstig fortgeführt. Bischöfe und Priester, welche sich auf die Schrift beriefen, hatten ein genial formuliertes überzeugendes Konstrukt zur Hand, dem Ungebildete nur wenig entgegenzusetzen hatten. Für den mittelalterlichen Hörer dienten die Geschichten mit Beispielen vergangenen Lebens nicht nur der Erbauung oder als Lehrfaden, sondern auch schlichtweg der Unterhaltung. Eine gewisse kritische Distanz sollte sicher den Institutionen entgegengebracht werden, wenn Religion und Politik geschlossen auftreten, ähnlich wie Militär und Politik. Es gab im MA keine Zivilgesellschaft nach heutigen Maßstäben, sondern genau genommen eher „Militärdiktaturen“ in Konkurrenz zum Kirchenstaat, beides mit strenger Hierarchie. Es ging um reinen Machterhalt. Wird dem Islam vorgeworfen, dass er keine Trennung zwischen Staat und Religion beabsichtigt, lag der Beginn des Christentums als Staatsreligion mit Protektion durch den röm Staat nicht anders. Problematisch wird es immer sein, wenn eine dogmatische Auffassung von religiösen Grundsätzen keine Auslegungsanpassungen an veränderte gesellschaftliche oder politische Strukturen erfährt, denn dann dient sie nicht dem Menschen! Bereits im MA wurde oft genug das Streben der Kirche nach Besitz und weltlicher Macht angeprangert, was dem „Streben nach göttlicher Gnade“ die Glaubwürdigkeit nahm. So sind soziale Aufgaben der Kirche bis heute verpflichtend. Klöster und Orden waren recht früh unverzichtbare Träger der Pflege von Armen und Kranken. Sie übernahmen Aufgaben, die von den weltlichen Mächten hätten übernommen werden müssen. Eigentlich war es Königs-Pflicht der Armenfürsorge nachzugehen. Religion mag den Bedarf an Übersinnlichem mit dem Blick auf das Überirdische befriedigen, ist zugleich irdische Ordnungsmacht, hält die Masse fügsam. Religion dient einem gesellschaftlichen Zweck für ethische Normative, damit ist sie „man-made“ und allzu störanfällig, als dass sich dahinter wahrhaft Göttliches erkennen ließe. Götter mit menschlichen Attributen auszustatten, scheint seit je her ein bedenklicher Weg. Denn Göttliches muss ausserhalb menschlicher Vorstellungskraft liegen. Egal wie die persönliche Einstellung dazu ist, viele werden in ihrer Darstellung mit der mittelalterlichen Kirche und ihrer Auslegung des Christentums zu tun bekommen. Ihr liebe „Nordmannen“ ab einem gewissen Zeitpunkt übrigens auch, ..., also liebe Heiden, freut Euch des Lebens, noch - irgendwann wird es freudlos bieder. Die Harfe dürft Ihr später mitnehmen, aber jubiliert wird nur noch in höchsten Tönen...



7/ Nicht selten sind dazu Betrachtungen in „Rückzugsräumen“ interessant, da bei Auswandergenerationen tradierte Elemente bewußt länger gepflegt wurden, als in den Ursprungsgebieten. Migrierende Gruppen behielten meist einen festen Kern ihrer Sitten und Bräuche, ergänzt durch Einflüsse neuer Faktoren, wie Klima, Handel und kultureller Austausch mit neuen Nachbarn. Beispielhaft seien Modeelemente bei den in Nordafrika eingewanderten Vandalen gegen Mitte des V. Jhs genannt. Ihre Mehrfibeltracht mit Schulterfibeln für ein Kleidungsstück im Peplosstil unterschied sich deutlich von der zeitgleichen provinzialrömischen Kleidung, wie sie uns von Grabmälern und Mosaiken bekannt ist. Am Regierungssitz Geiserichs wurden römisch gekleidete Beamte nur in einer Übergangsphase geduldet, bis sich für alle Identität stiftend im Hofzeremoniell eine konservative vandalische Tracht durchsetzte, in Gräbern nachweisbar. Im Laufe der Zeit fanden allerdings röm Elemente der Oberschicht, wie Kolliers, Ohrringe oder kostbare Schleier und Haarnetze, auch die Stirnbinde („vitta“) Eingang in die vandalische Frauenmode. Die Stirnbinde aus Goldbrokat ist in langobardisch-fränk. Zusammenhängen erst im VI./VII. Jh bekannt [C. Eger in Germania 79 2001 II, S. 384f und „vitta“ S. 375]. In der Folgezeit fehlen eindeutig bestimmbare Gräber mit vandal. Trachten, so dass in diesen Generationen die Akkulturation an die vormals röm Umgebung wirkte. Germanen im nordafrikanischen Raum entbehren nicht einer gewissen Exotik. Das macht die Betrachtung interessant und erweckt ähnliche Neugier bzgl auswandernder Spanier, die spätmittelalterliche Formen ihrer Heimat, eine Symbiose aus europäischen und maurischen Elementen, im XVI. Jh nach „Neuspanien“ (Mexico/Texas) exportierten. Dort entwickelte sich unter optimalen Bedingungen eine ansehnliche Viehwirtschaft, besser noch als in der span. Heimat und brachte in der 2. Hälfte des XIX. Jhs berittenen US-amerikanischen Hirten (Cowboys) durch den Viehtrieb zu Verladebahnhöfen mit Weitertransport in die Schlachthöfe an den Großen Seen Arbeit in einem nach dem Bürgerkrieg erschütterten Land. Deren Ausrüstung wurde geprägt von mexikanisch-spanischen Formen !



8/ Die zeitgemäße Form wird anhand einer speziellen Schnallenform verdeutlicht. Dazu geht es jetzt ziemlich in die Details: Exemplarisch werden oft genutzte Doppel-, bzw Schnallen mit Mittelsteg herangezogen. Wann tauchen sie auf und in welchen Zusammenhängen? - Seit dem X. Jh sind sie vornehmlich im Bereich des Pferdegeschirrs zu beobachten, so z.B. in Fyrkat/Dk oder Haithabu, Eisenfunde 2002, Nr. 6114. Ist, wie im zitierten Beispiel, eine Seite gerade abgekantet, die andere gebogen wurden sie meist als Steigbügelschnallen verwendet, was bis heute noch so praktiziert wird. Die Anzahl aus den frühen Zeiten ist überschaubar, aus dem HMA gibt es einige Exemplare, meist Eisen, auch hier ist die Zuordnung Pferdegeschirr alleine schon wegen der Größe wahrscheinlich. Die Fundsituation wird zum SMA erheblich besser und es erscheinen Kupferlegierungen. In London wird das Gros unverzierter Doppelschnallen aus diesem Material mit einer Breite von 15-25mm (Egan Nr. 331-341) zwischen 1350 und 1450 datiert [DressLo, S. 65-88]. Ihre einstige Verwendung bleibt offen. Zur Problematik der Funde aus London siehe Fußnote „Spenglin“ unter Ständegesellschaft HMA/SMA. Kleine unverzierte Ausführungen aus Zinn-Blei-Legierungen unter 20mm Breite (Egan Nr. 350-375) werden dem Schuhwerk zugerechnet, ebenfalls zwischen 1350 und 1450 datiert. Ähnlich wird die Sonderform kleiner runder Schnallen mit mittlerer Dornachse meist aus einer Zinn-Blei-Legierung von max. 22-23mm Durchmesser (Egan Nr. 221-259) betrachtet und stammt in London in der Regel aus der Zeit nach 1400. Grössere oft verzierte Formen aus Messing/Bronze oder verzinntem Eisen von ca 40-65mm Breite (Egan Nr. 334, 342-345, 377, 387) werden um 1400 datiert. Von den eisernen Formen (Egan Nr. 346-349) weicht nur ein einziger Fund, eine gestauchte verzinnte Doppelovalform von ca 50mm Breite (Egan Nr. 346), aus der Schicht 1230-60, entschieden davon ab. Aufgrund der Größe wird diese Schnalle wohl für das Pferdegeschirr genutzt worden sein, wie ein Gutteil der Funde aus London überhaupt. Eine gestauchte hohe Doppelovalform findet sich als einmaliger Fund auch auf der Isenburg in Hattingen, vor 1225 datiert. Eine Doppelschnalle von 78 mm Breite stammt aus der Zeit vor 1444 in Beverungen [Krabath, Buntmetallfunde nördl d Alpen XVI.19]. Aus den Schichten zwischen 1270 und 1350 stammen aus London auch vier kleine Doppelformen aus verzinnter Kupferlegierung mit Blechen unter 12mm Breite (Egan Nr. 378-381) und teilweise mit Riemenbreiten von nur 6mm (!). Diese Schnallen befanden sie wohl an Schuh-, Sporen- oder Taschenriemen. Fazit: Die Form mit Mittelsteg seit geraumer Weile bekannt, so werden um 1200 Sonderformen auch für aufwändige Dekorschnallen mit Emailleeinlagen verwendet [Rekon]. Die Funde aus dem Reitzubehörbereich werden über Reitervölker nach Europa vermittelt worden sein mit leicht abgewandelter Tragweise [siehe „abgesetzter Steg“ Rekon Nomaden]. Die meisten archäol. Funde von Doppelschnallen aus Mittel- und Westeuropa werden in der Regel nach 1350 datiert. Das sind stichhaltige Gründe diesen Schnallentyp für Leibgürtel, mit Ausnahme von „Emailleschnallen“, für das SMA zu verwenden. Auf Abbildungen taucht die Form mit Mittelsteg bei Gürteln vermehrt im Laufe des XV. Jhs auf, übrigens begegnen uns dort neben runden überwiegend eckige Varianten, in der Reenactment-Szene meist weniger genutzt. Selbst nutze ich eine solche Schnalle seit vielen Jahren, ohne mich je „daran verletzt“ zu haben, oder worin immer die Bedenken bestehen mögen?



9/ Die Darstellung vor einem Betrachter bringt eine „soziale Verantwortung“ mit sich, denn sie ist von gesellschaftlichen Verhältnissen nicht zu lösen. Bin ich glaubhaft in „meiner Rolle“ als Träger oder Lenker eines Gesellschaftssystems, partizipiere ich, stehe ihm gleichgültig gegenüber, muß mich anpassen oder leide wohlmöglich darunter, zweifel es an, versuche es zu Fall zu bringen und bin ihm feindlich gesinnt? Diese Grundhaltungen sind vornehmlich historischen Text-Relikten, vage auch archäologischen Befunden zu entnehmen. Findet das keine Beachtung wirkte jede Darstellung „eindimensional“. Sie befriedigt bezüglich des persönlichen Spaßfaktors und hat damit selbstverständlich ihre Berechtigung, aber historische Realitäten oder historisches Bewußtsein wird sie missen lassen. Nicht jede Darstellung verdient eine so scharfe Beurteilung...eine Ausnahme mag das „altsteinzeitliche Reenactment“ sein, spätestens mit der Seßhaftwerdung in der Jungsteinzeit und vor allem mit der rohstoffhungrigen Bronzezeit hört es auf. Es beginnen gesellschaftliche Prozesse erkennbar zu werden, die jede Darstellung unweigerlich ausdrückt, ob man will oder nicht, denn sie tut es durch die Wahl der Kleidung! Eine Gesellschaft fügt sich nicht von alleine, sie wird gemacht. Wir sprechen also von Politik, in Ableitung griech „polis- „politeia. Damit ist keineswegs heutige Parteien-Politik gemeint und keine parlamentarische „Links – Rechts“ Klassifizierung mit ihren ererbten Kämpfen.

Was heißt „soziale Verantwortung“ konkret. Bei Darstellungen, die mehr handwerkliche Aspekte thematisieren, scheint sie nicht gravierend, doch stellen wir uns folgende Situation vor: „Mami, für wen hat der Bronzegießer die Nadel gemacht? Der Darsteller mag nahe liegend antworten, „na, halt zum Verkaufen“ im Bewußtsein eines Handwerkerstands, wie er sich in frühen Städten seit Übergang FMA-HMA herausbildete. Mglw sieht er in sich auch den Wanderhandwerker? In der Archäologie vage ausgewiesen durch Depot- oder Grabfunde. Im Mittelalter gab es zahlreiche wandernde Spezialisten, siehe Steinmetze im Bauhüttenbetrieb. Aber sie fertigten nicht aus eigenem Impuls heraus, sondern aus einer momentan Abhängigkeit. Über lange Zeit hätte daher wohl die Antwort gelautet: „...erstellt im Auftrag von.... Archäologische Realitäten zeigen seit der Bronzezeit Anfänge einer streng hierarchisch aufgebauten Gesellschaft mit Handwerkern an Herrenhöfen, sie wurden geschätzt und geschützt, waren unverzichtbar zur Ausbildung des Prunkgehabes einer Oberschicht [„Wieland-Typ“]. Sie erhielten Schutz für das eigene Leben und ihre kostbaren Rohstoffe. Wilfried Menghin in „MWZ ohne Grenzen“, S. 26 zur sozialen Gemeinschaft der Bronzezeit: „Kult- und Machtzentren in archäologisch definierbaren Fundprovinzen und Kulturen verweisen auf eine agrarisch organisierte Gesellschaft mit herrschaftlichen Strukturen.Das zeigt sich auch im III. JhAD mit der Fundsituation von Dienstedt bei Stadtilm in Südthüringen und Buntmetall verarbeitendem Handwerk am Herrenhof, im Mittelalter nicht selten an Klosterhöfen. Der oben skizzierte Handwerker könnte also im Auftrag gearbeitet haben, war mglw aufgrund seines Könnens und der Unverzichtbarkeit an einen Hof gebunden, vermutlich war er unfrei? Aus unserem modernen Selbstverständnis heraus können wir uns gedanklichen eher mit dem „frei schaffenden“ Handwerker in frühen stadtähnlichen Siedlungen, wie Haithabu, anfreunden. Wie sieht es aus bei Ein- und Umzügen, bei Banketten, Versammlungen, Turnieren, Gerichtsszenen, bei den beliebten Hexenverbrennungen, die m.E. mit mehr Ernst dargestellt werden sollten, denn spaßig ist darin eigentlich gar nichts, bei Pestumzügen dürfte der „Jux“ inzwischen raus sein. Gesellschaftliche Großereignisse sind und waren immer politische Statements. Nur weil sie in ein historisierendes Deckmäntelchen gekleidet werden, wollen wir sie nicht so wahr nehmen, vor allem in der Rückzugsnische unserer kostbaren Freizeit. Hier trennen sich wohl Wege, denn Darstellung fordert Stellungnahme, wenn sie glaubhaft sein soll. Ein Graf bittet nicht artig, er befiehlt. Der Untergebene hat zu gehorchen, paßt ihm das nicht, wird er bestraft, denn er rebelliert.

Wir sind als „Fachpersonal“ nicht unbedingt rhetorisch geschult und das Augenmerk der meisten Darsteller richtet sich eher auf Details und deren handwerkliche Umsetzungen. Viele arbeiten mit der Wissenschaft eng zusammen und es hat sich ein eigenartiges Credo entwickelt: Wissenschaft hat unpolitisch zu sein. Aha, … aber wie sieht es mit aktuellen Debatten zur Klimaforschung oder im Fall der „Covid“-Pandemie aus? Unsere persönliche Meinung stützt sich auf Aussagen von Wissenschaftlern mit politischen Konsequenzen. Wissenschaftliche Ergebnisse geben eine Richtung vor, durch Deutungen forciert oder abgeschwächt, also Auslegungssache. Wird jetzt noch der Aspekt der Forschungsfinanzierung ins Spiel gebracht, dann wird es höchst politisch ! So weit zu Wissenschaft und Politik. Es soll durch diese Gedankengänge niemandem der Spaß an der Darstellung genommen werden. Reenactment ist für die meisten Hobby als Ausgleich zum „Ernst des Lebens“, keine Frage. Allgemein wird immer gefordert, dass wir an unsere Nachfahren und an die Zukunft denken sollen, aber auch unseren Vorfahren sind wir etwas schuldig. Wird Vergangenheit verblödelt, als billige Unterhaltung oft auf den Märkten und nicht ernst genommen, wirft das ein deutliches Licht auf unsere heutige Zeit. Man glaubt die Feudalgesellschaft überwunden, deshalb wird sie verjuxt. Wir sollten aber Vorkämpfern für unsere heutigen Freiheiten dankbar sein und ihnen durch eine gute Darstellung huldigen (auch wenn viele die Gegenseite darstellen). Umgekehrt sollte Vergangenheit nicht glorifiziert werden, nicht selten ausgelöst durch Nationalstaatlichkeit, was m.E. viel Übel in die Welt brachte, meist aus übertriebenem Stolz und vermeintlichem Überlegenheitsgefühl. Keine Nation-Gesellschaft-Kultur-Religion ist einer anderen moralisch in irgendeiner Art und Weise überlegen.



10/ Zu Dienstmannen siehe ausführlich Exkurs 3: Hundertschaft/Gefolgschaft/Lehen/Dienstmannen/Ministeriale

Grundsätzlich wird zu unterscheiden sein zwischen einer Alltagsgarnitur und dem Repräsentationsstück. Es folgt eine recht schematisierte Rangfolge: In der Merowingerzeit (MWZ) ist Eisen grundsätzlich eine gute Wahl, Bronze nachweisbar, Messing scheint knapp und von hohem Wert gewesen zu sein. Die sozialen Eliten wurden durch silberne und vergoldete oder goldene Objekte gekennzeichnet. Mit der Karolingerzeit scheint, nach neuen Erkenntnissen, Messing nun in größerem Maß verfügbar zu sein. Messingbarren tauchten auch in Haithabu auf, was nicht unbedingt erstaunen mag, da der Ort im X./XI. Jh fast hundert Jahre zum Reich gehörte, ansonsten wird in den Publikationen meist Bronze genannt, oder schlichtweg die undefinierte „Kupferlegierung“. Messing fand hauptsächlich im SMA über den Handel weite Verbreitung und konnte bis in die frühe Neuzeit sowohl für Kleinobjekte genutzt, als auch für Aquamanilen, Leuchter, Schüsseln, Kannen, etc verwendet werden. Bronze war oft besser verfügbar und ließ sich, aufgrund des gegenüber Messing einfacheren Legierungsverfahrens, für qualitätvolle Großobjekte wie Glocken, Grabplatten oder die gewaltigen Bronzetüren der Kirchen gießen. Darsteller unterer sozialer Schichten im HMA/SMA sollten, wenn nicht die häufig verbreitete textile Gürtelvariante, also der Strick aus Wolle oder Hanf gewählt wird (für manche Landarbeiter, die sich oft kaum mehr lederne Schuhe leisten konnten und welche aus Bast oder Stroh trugen, siehe „Hirten“ im Dom Brixen Kreuzgang Arkade XIII) bestenfalls bei einer Leder-Eisen-Garnitur bleiben. Aufgrund der Stabilität zählt meines Erachtens auch der einfache Kriegsknecht dazu, der militärische Dienste verrichtete oder im Feld stand und dessen Ausrüstung das „Überleben“ sicherte. Je nach Rangordnung waren auch Buntmetalle möglich, aber Militär erfordert nun einmal stabile Formen und die waren in erster Linie aus Eisen und Stahl, oft verzinnt. Auch dem einfachen Handwerker ohne Grundbesitz und Eintrag in die Bürgerrolle sei eher Eisen angedacht, mglw eine einfache Buntmetallegierung. Als „Bürger“ mit Eintrag in die Bürgerrolle, steuer- und waffenpflichtig, je nach Region bis zu fast einem Drittel der Stadteinwohnerschaft, sei im HMA Bronze, im SMA Messing und eine mögliche Verzinnung empfohlen, militärisch Eisen, das gilt wohl ebenso für Dienstmannen in der Stadt und auf dem Land, wie Meyer, Dorfschulzen, etc. In den Städten wirkte die „Geld scheffelnde Riege“ der „betuchten“ Groß- und Fernkaufleute, Zunftmeister, Reeder und Ratsherren. Sie greife in der Darstellung zu Silber, wie es Testamenten belegen. Allerdings ist eine Entwicklung nach regionalen Kleiderordnungen zu beachten. In Göttingen war z.B. Mitte des XIV. Jh Bürgerinnen das Tragen von silbernen Gürteln keineswegs gestattet und später besagte die Reichskleiderordung von 1530, dass sich eine Bürgersfrau nicht mit vergoldetem Silber schmücken solle, demnach eine zu erwartende Lockerung nach zwei Jahrhunderten. Archäologische Fundstücke aus gehobenem Besitz zeigen Vergoldungen, oft Grundmaterial Silber, ansonsten die Kupferlegierung. So wird hohen Amtsleuten, den Ministerialen und Rittern, die unter Saliern und Staufern wichtige politische Funktionen erfüllten, Silber und vergoldetes Buntmetall zugedacht werden können, als Zeichen des gesellschaftlichen Aufstiegs. Für die höchsten Ränge im unmittelbaren Hofdienst (Drost, Marschall, Kämmerer oder Mundschenk) war auf jeden Fall Silber und Gold üblich, da hier quasi der Sprung in die Adelsschicht vollzogen war und der Hofstaat mit wertvollen Donativen/Geschenken der Herrscher rechnen konnte. Ansonsten gebührt Gold, das Symbol von Herrschaft und Dauer, mit der beständigen Sonne verglichen, dem Geburts-/Hochadel, deren Objekte waren nicht selten durch Edelsteineinlagen aufgewertet. Es gilt zu beachten, dass nicht allein das Material zählt, sondern selbstverständlich auch die Verarbeitung, der Unterschied zwischen Massenware und kunstvoller individueller Ausführung. Weiter führende Details unter Ständegesellschaft mit empfohlenen Materialien/Metallen nach 5 „Berufskategorien“ A-E.



11/ In Paris ist das Gürtlerhandwerk durch erhaltene Statuten um 1250 nachweisbar. Für Köln sind Gürtlersatzungen aus dem XIV. Jh. bekannt. In Krakau wurde zwischen Zinn- und Messing-Gürtlern unterschieden und nur jene duften Beschläge setzen, Riemenschneider, die ausschließlich Zaumzeug fertigten, nicht. Krakau 1365: „so haben dy zelbigen rymer vor der stad den gortlern entwichn, das sy keyne rewsische gorteln machen sollen noch keyn blechrinke umschloen.“ und Wien 1403: „ also dass fürbas die riemer chainerlei gurteln machen sollen mit hammer noch mit nageln.“ Auch die Liegnitzer Zunftordnung von 1424 trennt Gürtler, mit dem Setzen von Messingbeschlägen, von den Riemern. Für das Erstellen der Schnallen waren Spengler zuständig, selbst für das Ziehen der Nieten gab es ein eigenes Gewerbe. Edelmetalle wurden nur von Silber- und Goldschmieden verarbeitet! Diese waren oft angesehene Bürger, mit Eintrag in die Bürgerrolle, also keineswegs nur (Einsitzer) „Einwohner“ der Stadt, wie Handwerker ohne Grundbesitz. Rechnungsbücher des frz Hofs weisen eindeutig auf Edelmetallschmiede hin, Fingerlin 1971 S. 24-30. [„Rinkemeint die Schnalle, frühe germanische Formen waren rund, da Schnallen eine Weiterentwicklung von Verschlüssen in Haken-Ring-Form waren, das angelsächs. gyrdel-hring korrespondiert mit dem hring, der Ring-Fibel. Der Salwürker (mhd. sal = Draht) war der „Rinkelschmied“, welcher Drahtringel für das Kettenhemd vernietete.]



12/ Die Sprache der Kleidung [zusammenfassend nach S. Geppert, Mittelalterliche Zeitmode im Heiligengewand, in: Ars Sacra, Salzburg 2010, S. 132]: Für alle Epochen gilt, dass die Kleidung, vor allem bei Plastiken und Gemälden biblischen Inhalts, in hohem Maße tendenziös ist. Geppert spricht von einem „Codesystem“. Der heutige Betrachter muß dieses System entschlüsseln. Darsteller sollten sich deshalb vor einer „Eins zu eins“-Übernahme hüten, bzw prüfen, wer trägt was aus welchem Grund? Geppert unterscheidet bei biblischen Szenen in einen „historischen Code“, nach dem Protagonisten in antikisierende Gewänder und Umhänge gehüllt wurden, auch Ehren- und Zeremonialgewänder waren üblich, um Authentizität in ferner Vergangenheit zum Betrachter und zugleich den ehrfurchtsgebietenden Abstand zum Geschehen zu vermitteln. Der „geografische Code“ fügt dem noch Ortsferne hinzu, um die Herkunft des Protagonisten zu verdeutlichen. Hier scheinen durchaus fantastische Elemente nach unserer modernen Betrachtungsweise möglich, um das Fremde zu betonen. Allerdings sehe ich dahinter die erstaunliche Fähigkeit des Mittelalters Ort und Zeit miteinander zu verknüpfen und „historisierend“ zu denken. Geppert zitiert in ihrer Dissertation „Mode unter dem Kreuz“ von 2010 die „Kreuzigung“ der Brüder Limbourg in den Tres Riches Heures um 1415 und spricht von „märchenhaften Phantasiekostümen“, auffällig bei „Nikodemus“ oder „Josef von Arimathea“, siehe textbegleitende Abb oben. Diese Gewandungen sind m.E. eher Zitate, indem Illuminatoren ihre italienischen Anregungen mit tradierten byzantinisch-orientalisierenden Stilelementen offen legen, die bei Giotto, Martini oder Lorenzetti bereits im XIII./XIV. Jh üblich gewesen sind, denn Italien war in seiner Kunstauffassung extrem byzantinisch/oströmisch geprägt, man besann sich seiner „römischen Wurzeln“. Durch den „modischen Code“ wird eine Nähe zum Betrachter hergestellt, der sich in zeitgenössischen Bezügen, geregelt durch Kleider-, Hofordnungen oder Standes- und Berufstrachten, selbst wiederfindet. Allerdings betrifft dies nur Bildelemente und nie das gesamte Bild. In der zitierten Buchillumination der Brüder Limbourg würde Maria Magdalena diese Rolle mit fein gemusterten kostbar wirkenden Stoffen übernehmen, wie es scheinbar grundsätzlich für diese Person von Stand „unter dem Kreuz“ üblich war, denn darauf stützt sich ein Gutteil von Gepperts lesenswerter Dissertation. In der von ihr besprochenen „Kreuzigung“ Jan van Eycks von 1420-25 finden sich deutlich mehr Bezüge zur burgundischen Mode dieser Zeit, zugleich aber auch orientalisierende Versatzstücke, wie turbanartige Kopfbedeckungen, Bögen, Krummschwerter und im Hintergrund eine Art „Hagia Sophia“ als Tempel Jerusalems, eingebettet in eine italienisch anmutende Stadt- und voralpine Gebirgslandschaft. Der „metaphorische Code“ verwendet Kleidungsstücke oder deren Farben im übertragenen Sinne, so vermittelt Marias Umhang Schutz für den Gläubigen, der extrem lange Gürtel Unberührtheit und Keuschheit oder der nahtlose Rock Christi ist Zeichen der Vollkommenheit. Es können auch mehrere Codes gleichzeitig verwendet werden, wie das zum Ende des XV. Jhs häufig geschieht.



13/ Erschwerend kommt hinzu, dass beispielsweise für das Hoch- und Spätmittelalter durchaus Diskrepanzen zwischen archäologischen und kunsthistorischen Quellen wahrzunehmen sind. Das könnte mglw. mit unseren Publikationen zusammen hängen. Veröffentlichte Detektorfunde werden auf diesen Seiten als Quelle zur Datierung möglichst ausgeklammert, da deren Datierungen hoffnungslos grobmaschig sind. Detektorfunde dienen lediglich zum Aufbau von Typologien und für relative Chronologien. Ähnlich sind Sammlerpublikationen zu werten, da bei Objekten aus dem Kunsthandel meist die Fundzusammenhänge fehlen, oder sie von stilistischen Vorlieben der Sammler geprägt und damit sehr einseitig sind. Bei den archäologischen Quellen werden häufig die Funde aus London herangezogen, da sie vorbildlich publiziert wurden und für viele zugänglich sind. Internetrecherchen und Anbieter für Replikate aus ganz Europa beziehen sich oft auf London, denn die Fundmenge ist beeindruckend, gemessen an den relativ kleinen Ausgrabungsarealen. Ein Vorteil dieser Funddokumentation scheint darin zu bestehen, dass Objekte gezeigt werden, die zu einem guten Teil „bürgerlicher Sphäre“ entstammen (Gegenstände aus diversen Kupferlegierungen und Eisen/Zinn/Blei oder verzinnt) und nicht ausschließlich Bestandteile der Adelswelt sind, die sonst auf Abbildungen und figürlichen Bildwerken meist im Vordergrund stehen. Allerdings birgt London einen Knackpunkt mit dem extrem hohen Anteil an Objekten aus dem Pferdegeschirrbereich. Sie stammen nicht aus dem Bekleidungsrepertoire, sondern vom Reitzubehör oder von Rüstriemen, von daher ist der Titel des Buches irre führend. Spenglin in situ haften nicht selten sehr schmalen stabilen Riemen an. Es sind Sporenriemen, siehe dazu Fußnote/Anmerkung unter Ständegesellschaft/Spenglin/Funde aus London. Hinzu wird bzgl dieser Quelle Ortsferne meist billigend in Kauf genommen, wobei die Ergebnisse eigentlich nicht unbedingt auf gesamt Europa übertragen werden sollten. Für gut dokumentierte Funde aus Deutschland bedarf es in der Regel einer UNI-Bibliothek, samt den dort zugänglichen Fachzeitschriften. Als Monographie öffnet bsplw. die empfehlenswerte „Isenburg“-Publikation ein schmales Zeitfenster für das XIII. Jh und für das XIV. Jh die Funddokumentationen der Hortfunde von Erfurt, Pritzwalk, Wiener Neustadt, etc und natürlich sind die Standardwerke von Fingerlin und Krabath zu nennen. Bezüglich der Londoner Funde stellt sich die Frage, inwieweit wissenschaftliche Ergebnisse der engl. Hauptstadt mit speziellem Verlauf der engl. Geschichte und den gänzlich anders gearteten Sozialstrukturen auf davon weit entfernte Orte des Kontinents übertragbar sind? Ist nicht mit mehr lokalen Eigenständigkeiten zu rechnen? Es gibt Einflüße, die sich anderswo in Europa zeigen aber in London überhaupt nicht dokumentieren lassen, zumal die Grabung in der Schicht von 1450 endet. So sind auf spätgotischen Tafelbildern „Londoner“ Schnallen, aufgrund der zeitlichen Diskrepanz, nur selten zu finden! London hat mit dem Hansehandel durchaus hohe Bedeutung und deshalb lassen sich in den kontinentalen Küstenbereichen in der Zeit um 1400 Ähnlichkeiten zu „Londoner Formen“ nachweisen, aber nicht zwei Generationen später und bzgl des Orts scheinen weiter im Landesinneren andere Formen zu überwiegen. Jene dokumentieren sich auf Tafelbildern und Skulpturen mit italienischen und französischen Ursprüngen in der Stilistik sowie Einflüßen aus Osteuropa von Böhmen, über Ungarn bis nach Byzanz, wobei letzteres wiederum auf Italien und Frankreich wirkte. So zeigt sich ein eigenes Repertoire an Schnallen und Gürteln. Aus diesem Grund werden auf diesen Seiten für das Spätmittelalter Abbildungen und figürliche Plastiken mit möglichen Ortsbezügen bevorzugt, im Abgleich mit archäologischen Quellen.



14/ Die Problematik soll anhand von Datierungen zur Abtei Fontenay in Burgund verdeutlicht werden. Das war die zweite Filialgründung der Zisterzienser von Clairvaux aus, der Name ist abgeleitet von der „Quelle“ in der Einöde. Angenommen wir hätten ein Bauteil aus der Klosterkirche zu bestimmen, Skulpturen finden sich bei den schmucklosen Zisterzienserbauten nicht häufig, aber es gibt sie. Welche Datierung könnte ein Autor dazu heranziehen? Das Gründungsdatum des Klosters Fontenays wird mit 1118 angegeben, aber auch 1119 erwähnt, damit ist aber nur die frühe Mönchsgemeinschaft beschränkt auf wenige Personen gemeint, von einer Kirche noch keine Spur und erst 1130 wurde das Kloster an die heutige Stelle verlegt. 1133 begann man mit dem Bau der Abteikirche. In einer weiteren Schrift wird der Beginn dieses Baudatums auf 1139 gelegt. Die nächste Quelle datiert das Kloster Fontenay einfach zwischen 1118–47 oder Fertigstellung der Kirche 1147. Die Weihung fand 1149 statt, erst zwei Jahre nach Fertigstellung? Der grösste Teil der Innenausstattung und Beifügungen stammt aus späteren Zeiten, wie Madonnenstatuen und Grabplatten aus dem XIII. Jahrhundert. Allgemein heisst es, dass das romanische Gotteshaus seit der Fertigstellung nur geringfügige Änderung erfahren habe und die schmucklose Abteikirche heute eine der am besten erhaltenen in Burgund sei, welche das ursprüngliche Aussehen bewahrt habe. In der Französischen Revolution wurde das Kloster hingegen säkularisiert und als Papierfabrik genutzt. Erst 1906 brachte man die Gebäude wieder in einen möglichen ursprünglichen Zustand. Damit läge die sinnvolle Datierung für einen Bauteil der Kirche vor der Mitte des XII. Jhs, im vierten oder fünften Jahrzehnt, eine isolierte Statue könnte aber auch erst später in den Gesamtkontext der Kirche gefügt worden sein – Chaos perfekt.



15/ Zum Beispiel kopierte 1489 der Meister des „Lichtenthalers Marienflügels“ [KarlsruheAO] das kleine Bild „Verkündigung Marias“ [heute AntwerpenAO] aus der Rvd Weyden-Werkstatt, entstanden um 1460, fast eins zu eins. Der beauftragte Künstler musste nicht unbedingt in die Niederen Lande reisen, wie so oft in diesen Zeiten üblich, um sich seine Anregung zu holen. Denn das Kloster Lichtenthal bei Baden-Baden war durch die Äbtissin Margarethe von Baden, Tochter des Markgrafen von Baden, bereits im Besitz des Bildes Rogier van der Weydens, was sie nun in einem Kopiervorgang vergrössert wissen wollte [Borchert, Van Eyck bis Dürer, S. 281f]. Zum Zeitdruck siehe Kloster Blaubeuren, Der Chor und sein Hochaltar, S. 205 u 217. Hier werden Gründe für einen Termindruck zur Fertigstellung genannt durch die Fülle an Aufträgen, die ohne eine Schar von Kopisten nicht zu bewältigen waren.



16/ Bei Interieurs des SMAs fällt auf, dass immer wieder identische Gegenstände im Hintergrund auftauchen, so wurde das schmale helle Tischtuch mit Rautenmuster und bunten Fransen vom Maler des Altars in der ehem. Klosterkirche Marienthal zu Netze (Kr. Waldeck) um 1365 für die „Szene im Tempel“ sowie für das „Abendmahl“ genutzt und schlußendlich im „Pfingstwunder“. Aufgrund gut erkennbarer Physiognomie tauchen gleiche Protagonisten in unterschiedlichen Rollen auf, mal als Jünger, mal als Pilatus oder als jüngster König mit langem Haar und Jünger Thomas mit kurzem. Bei der „Kreuztragung“ vermutet man, dass die Schergen ihre eigene Gewandung am Leibe tragen. Aber dem scheint nicht so, denn der Blonde mit grüner Schecke und dunkelroten Beinlingen taucht in der „Pilatusszene“ mit roter Schecke und hellroten Beinlingen auf, nur Gürtel und die markanten spitzen schwarzen Schuhe mit roter Sohle hat er auf beiden Bildern am Leib, während der blondbärtige Kollege der „Kreuztragung“ in roter Schecke vor Pilatus nun die grüne Schecke des anderen trägt mit einem vollkommen anderen Gürtel. Es wird also wild gewechselt, das deutet nicht auf Privatkleidung hin, sondern auf einen Kleiderfundus. Benötigt eine Kunstmalwerkstatt eine solche Ausstattung oder kann man sich nicht eher aus einem Schauspielfundus bedienen, was glaubhafter klingt. Aus Bildern der Werkstatt Rogiers vd Weyden ist ähnliches zu beobachten. Bzgl „Modell stehen“ von Protagonisten sei ein Blick auf Bilder Hans Memlings geworfen, wie die „Flucht aus Ägypten“ des Triptychons von 1475c [heute CincinattiAO]. Maria Magdalena hält ein Salbgefäß in der rechten Hand, trägt Kettengürtel (demi-ceint) und rot-goldenen Brokatstoff recht steif stehend. Auf Memlings „Kreuzabnahme für A. Reins“ in Bruegge ist auf der Haupttafel eine andere Person als Maria Magdalena in das gleiche rot-golden gemusterte Kleid gehüllt, hier in Kombination mit einer Überbekleidung. Dafür mimt die Darstellerin der zuerst erwähnten Maria Magdalena von 1475c nun die Rolle der Barbara auf der Seitentafel in Bruegge - fast in der gleichen schon einmal eingenommenen steifen Haltung - diesmal statt Salbgefäß ein Turmmodell in der rechten Hand (Attribut Barbaras), was allerdings eigenartig nachträglich eingefügt wirkt. Person und Haltung ist auf beiden Bildern identisch, also eine Darstellerin in zwei verschiedenen „Rollen“, zum anderen dasselbe Kleid an zwei verschiedenen Personen! Auch Tilman Riemenschneider hatte Vorlieben für bestimmte Charakterköpfe. Das markante Gesicht des gelockten Johannes in den „Figurengruppen“ aus dem Bay.-Nat.-Museum [BN] taucht auch auf den Altären in Rothenburg, Detwang und Windsheim auf, das des fülligen Kaiphas aus dem BN auch in Windsheim. Und die vergangene Zeitspanne der unterschiedlichen Fertigungszeitpunkte ist den Gesichtern ablesbar!



17/ Angeblich sollte nach mittelalterlicher Vorstellung am Tag der Auferstehung durch Jesus Christus, alle im demselben Alter aus den Gräbern steigen wie es dem Gottessohn vergönnt war – prima, da ziehe ich mit! Es gibt aber eine ganze Reihe von Darstellungen des HMAs, welche von diesem „Jugendlichkeitswahn“ abwichen, nicht nur die bekannte Rudolfs I. von Habsburg in der Krypta des Doms zu Speyer. Mit der fast fratzenhaften Mimik huldigte man mglw dem König, welcher in großer Anstrengung in Germersheim am Lebensende das Pferd bestieg, um bei den Kaisergräbern in Speyer zu sterben! Auch die Naumbuger Stifterfiguren z.B. zählen teilweise, der Physiognomie nach zu urteilen, deutlich mehr Lebensjahre. Im SMA wurden bereits zu Lebzeiten erstellt das Marmor-Epitaph (Gedächtnismal, nicht über dem eigentlichen Grab errichtet) für den reichen Bürger Ulrich Kastenmayr, welcher als Handelsherr, Ratsherr, Kämmerer und im Auftrag des Herzogs von Straubing-Holland, Mautner in Schärding gewesen war, gest 1431. Das Plattengrab des Kanonikers Konrad Selchen wurde 1470 gefertigt, er starb nach 1485, und das Epitaph des Kanonikers Hermann Hankrat 1510, beide im Chorherrenstift zu Fritzlar. Letzerer starb am 21. März 1514, siehe Hinz, Dom St. Peter zu Fritzlar, S. 42-45. Demnach wurden beide im betagten Alter dargestellt und nicht jugendlich idealisiert wie noch im HMA angeblich üblich.

Nachgeschoben mag zur Frage von Konventionen und Intention, vom eigentlichen Themenkomlex abweichend, zur Anschauung ein Beispiel aus der Antike dienen. Es ist in der Kunstgeschichte oft angemerkt worden, dass griech. rotfigurige Vasenbilder idealisierte Krieger in „heroischer Nacktheit“ bei Kämpfen darstellen, wo doch bekannt ist, dass in dieser Zeit kriegerische Auseinandersetzung gepanzert (Linothorax) stattfanden. Es ging also nicht um eine dokumentarische Darstellung. Plutarch berichtet, dass ein spartanischer Krieger bei der Verteidigung des heimatlichen Bodens ohne Schutzbewaffnung aus dem Haus laufend an den Kämpfen teilnahm und dafür von den Ephoren ausgezeichnet wurde, demnach eine besondere und ungewöhnliche Situation. Die „Nacktheit“ auf den Keramikbildern war eine Modeerscheinung der Malerei ab Mitte des V. JhvC im Zuge der Sieges-Verherrlichung über die Perser. Griech Helden aus Geschichte und Sage wurden in mythischen Zweikämpfen nackt dargestellt. Das übertrug man auf zeitgenössische Ereignisse, ohne jedoch realistische Schlachtgemetzel dieser Zeit abbilden zu wollen! Die Maler könnten zur Anschauung Übungskämpfer barfuß auf sandigem Boden der Gymnasien leibhaftig vor Augen gehabt haben. Denn die Griechen betrieben ihren Sport, zu dem ganz wesentlich der Umgang mit Waffen gehörte, nackt. So bekam der Krieg auch in unseren Augen eine „sportliche Note“, indem der muskulöse durchtrainierte Körper mit überlegener griech Kampftechnik gezeigt wurde, dazu im Gegensatz der barbarische Gegner, meist in unterlegener Pose, welcher sich in landestypische Tracht oder Schutzkleidung hüllte.



18/ Prozessionen und Aufführungen hatten im MA eine große Bedeutung als eine Art erweiterter Liturgie, siehe dazu Oster-, Weihnachts-, bzw Dreikönigsspiele- Die bewegte Liturgie der Kleriker-Schauspiele im HMA. Umzüge gingen auf heidnische Bräuche zurück, wie sie bereits Tacitus in seiner „Germania“ für die RKZ schilderte. Klerikale Prozessionen fanden statt an Lichtmeß, Himmelfahrt, Fronleichnam oder in der Karwoche und am Palmsonntag mit Jesus auf dem „Palmesel“, der auf Rollen mitgezogen wurde, einige solcher Holzbildhauerwerke sind noch heute zu bestaunen. Dieser „Einzug in Jerusalem“ wurde auch vielfach in der Malerei dargestellt, reiche Bürger mit ihrer Kleidung Jesus den Weg bereitend. Passion, Kreuzdeponierung oder Grabesprozession fanden Darstellung, für die extra ein festes sepulcrum oder ein mobiler Tragschrein errichtet wurde, in denen kostbare Reliquien mitgeführt werden konnten, siehe erhaltene Exemplare in Salzburg und Chemnitz. In theatralischen Inszenierungen wurden die zeitlich und örtlich weit entfernt überlieferte Handlung dem Gläubigen nahe gebracht werden. Verschiedene Wunder- und Mysterienspiele wanden sich aus dem kirchlichen Bereich in die weltliche Sphäre. Daraus entstand Laienschauspiele. Sie fanden in den einzelnen Ländern unterschiedliche Schwerpunkte und Ausrichtungen. Im Reich waren es vor allem Passionsspiele, in Spanien wurden stärker moralische Probleme thematisiert, Italien prunkte mit riesigen Aufführungen. In Frankreich bekamen viele Dinge artifizielle Ausformungen, sowohl dort, als auch in England entstanden „Mysterienspiele“ mit Heiligenlegenden und moralische Spiele, in denen personifizierte Tugenden und Laster um die Seele des Menschen rangen. Aus den Städten der Niederen Lande sind die „rederijker-Spiele“ der Handwerker und kleinen Kaufleute mit zumeist lustigen komödiantischen Einlagen bekannt. Auch der sinnenfreudige Karneval mit seinen Exzessen wurde dort ausgiebig zelebriert, in grossen Umzügen mit thematischen Wagen oft prunkvoller gestaltet als mancher Königseinzug. Heidnische Attribute der Fruchtbarkeit mussten wohl oder übel von den Oberen toleriert werden (vermutlich hatten die, bei manchen Reenactern beliebten, obszönen Abzeichen hier ihren Ursprung in Anlehnung an antik-römische Symbolik). Ähnlich werden heidnische Fastnachts- und Frühjahrsbräuche in Süddtld zu werten sein, speziell der „Schembartlauf“ in Nürnberg, mit Tiermasken und Fellen. Karl IV. hatte den dortigen Schlachtern das Privileg zugestanden heidnisch anmutenden Tänze aufzuführen, das die Stadt bald in grossen mehrtägigen Umzügen gestaltete. Den Höhepunkt bildete die Erstürmung eines Wagens in Schiff- oder Turmform, der von Dämonen gegen die anlaufenden Schembartläufer verteidigt wurde bis das ganze in Flammen aufging. Erst mit der Reformation wurde diesen Bräuchen Einhalt geboten. Nach wie vor fanden Bittprozessionen statt, in denen um Regen oder Abkehr von Stürmen gebeten wurde. Es waren in jedem Fall Massenspektakel. Die herrschende Schicht versuchte dies für die eigene Zurschaustellung und Präsentation im öffentlichen Raum zu nutzen. So hatten viele Umzüge weltliche Hintergründe von halbreligiösem Charakter, wie der Einzug des Königs in eine Stadt. Das wurde symbolisch mit Schlüsselübergabe zelebriert, indem Vertreter der Bürgerschaft jenem entgegen zogen, um Privilegien zu erhoffen oder zu erneuern. Städte galten den Königshäusern als willkommene Geldquelle und Verbündete im Kampf gegen den aufsässigen Adel. Vor allem in Frankreich galten weltliche Prozessionen der Legitimation und Sichtbarmachung des Herrschafts-Heils und der königlichen Politik, so geschehen bei Umzügen von Mai bis Juli 1412 in Paris, als Karl VI. (1380-1422) um Unterstützung für den Kampf gegen die Armagnaken (Hs Orleans) warb. Jegliche Herrscherbegräbnisse und Inthronierungen wurden von einer reichen Bildersprache begleitet. In Frankreich war es zum Ende des XV. Jhs üblich im Begräbniszug das Ebenbild des Königs durch eine Puppe in Staatsgewändern zu präsentieren. Die Übergabe der Herrschaft an den Nachfolger musste sichtbar zelebriert werden. Besonders prunkvoll war der Einzug Heinrichs VI. von England 1431 in Paris und nachfolgend in London, zu dem man besondere Requisiten erstellte und Schaustücke mit Personifizierungen der Tugenden und weitere Allegorien aufführte. Zum Ende des Mittelalters wurden solche Umzüge immer aufwändiger und es entstand ein fester Kanon an Dargestelltem, das biblische Gestalten, Heilige, historische Vorbilder und vor allem in Italien antike Themen mit einschloß. 1485 beim Einzug des frz Kgs Karl VIII. (1483-98) in Rouen wurde u.a. Kaiser Konstantin beschworen, Maxentius schlagend, um die hohe Abkunft des frz Königshauses herzuleiten - neben der von Chlodwig und Karl I. (d Gr) selbstverständlich, deshalb die vielen „Ludwigs“ und „Karls“ in der frz Thronfolge. Dynastische Verbindungen wurden in besonderen Heiratsprozessionen durch allegorische Darstellungen dem Volk vor Augen geführt, wie 1501 beim Einzug der hoch gerühmten Braut Katharina von Aragon in London. Auch Turniere wurden immer prunkvoller mit der Einfügung von Allegorien und kleine Spielszenen. Durch die finanziellen Möglichkeiten der Städte mit unverzichtbarem Plattnerhandwerk wanderten Turnierveranstaltungen allmählich in die urbane Sphäre. Das erstarkende Bürgertum und der Stadtadel wetteiferten mit dem Landadel. Nach der Reformation ersetzten städtische Turniere viele kirchliche Veranstaltungen [in Auszügen nach B. Holme, Der Glanz höfischen Lebens im Mittelalter, 1987].